Victor's Fine Dining by Christian Bau (Christian Bau) - Perl-Nennig

Victor's Fine Dining by Christian Bau (Christian Bau) - Perl-Nennig

Fünf Jahre. Solange liegt mein letzter Besuch bei Christian Bau bereits zurück. Eigentlich wäre die Fahrt an die Grenze Luxemburgs - nach Perl-Nennig, um genau zu sein - gar nicht so lang. Von meiner Heimatbasis Zürich kann man es in weniger als vier Stunden schaffen. Dennoch hat es mich in den vergangenen Jahren eher in andere Gefilde gezogen. Das hat natürlich auch seine Gründe. Denn - achtung, diese Aussage kommt wohl für viele einem Sakrileg gleich - ich war nie ein grosser Fan von Baus Küche. So, jetzt ist es raus. Dies einem Sternebegeisterten zu erklären ist gar nicht mal so einfach, denn rein objektiv gab es bei meinen früheren Essen hier wenig zu bemängeln. Gerade die Ouvertüren und die Fischgerichte wussten schon immer zu überzeugen. Jedoch hat mich der oftmals kleinteilige, arrangierte Mix aus moderner französischer Klassik und fernöstlichen (vor allem japanischen) Elementen persönlich nie wirklich begeistert. Ich dachte immer, mit mir sei gustatorisch und sensorisch vielleicht etwas nicht in Ordnung, weil ein Besuch bei Herrn Bau wohl für 99% aller weitgereisten Foodies zu den Highlights ihres Esslebens zählt. Doch ich musste mir nach meinem letzten Besuch eingestehen, dass mir diese Art der Küche wohl einfach nicht sonderlich zusagt. Das gibt's halt, dachte ich damals. Aber wie sagt man so schön: Menschen ändern sich. Und Küchen unter Umständen ja auch. Also baue ich auf dem Nachhauseweg vom leider allerletzten Besuch im wundervollen Hertog Jan (zum Bericht) einen finalen Zwischenstopp im Saarland ein, um mir ein frisches Bild des etwas umständlich benannten „Victor‘s Fine Dining by Christian Bau“ zu machen. Die Erwartungen an einen der wahrscheinlich besten Köche seiner Generation und sein fast-perfekt-bewertetes Restaurant (3* Michelin Sterne, 19.5 GaultMillau Punkte) sind hoch. Die Vorfreude ist es es ebenso. Ich bin sehr gespannt zu sehen, was in der vergangenen halben Dekade so alles passiert auf Schloss Berg...
(Disclaimer: Da das Fotografieren mit Spiegelreflexkameras im Restaurant seit geraumer Zeit nicht gestattet ist, sind die Fotos des Dinners nicht unserem üblichen Standard entsprechend.)

christian_bau_cornet

Den Start macht einer der Bau-Klassiker schlechthin: das Cornet vom Bio Ox mit Räucherfischcrème und Kaviar. Oft kopiert und nie erreicht ist das ein perfekter erster Snack. Es wird augenblicklich klar mit welcher Präzision hier gearbeitet wird.

christian_bau_macaron

Ein Macaron mit Entenleber, Räucheraal und grünem Apfel ist aromatisch wuchtig, dennoch leicht und lässt jedes einzelne Element zur Geltung kommen, so dass ein fein ausbalanciertes Geschmacksbild entsteht. Klasse.

christian_bau_kimchi

Das nächste Amuse Radieschen-Kimchi mit Gurkencrème und Shishitoppeppers (auch japanische Löwenkopf Chili) besticht mit einer durchaus komplexen Aromatik bereits früh im Menü und erfrischt mit einer anregenden Säure sowie hintergründigen Schärfe.

christian_bau_tomate

Ein ungewöhnliches Ensemble bestehend aus Green Zebra Tomate, Miso, Buratta und geräucherter Sardine folgt. Ungewöhnlich vor allem wegen der Vermischung von mediterranen Aromen und japanischer Miso, doch genau auf solchen Kombinationen fusst die Küche Baus seit vielen Jahren. Und es gibt wohl kaum jemanden, der die Vermengung Europas mit Fernost so perfektioniert hat, wie er. Mundfüllend, intensiv, kühl, exzellent!

christian_bau_snacks

Der Apéro-Reigen wird mit einer Trilogie fortgesetzt. Zuerst widme ich mich dem Taschenkrebs mit Dashimelone, Xo-Crème und Sakegranitée. Elegant, jodig, fruchtig, ausgewogen und absolut köstlich. Akami und Toro vom Bluefin Tuna mit Sojapilzen und Avocado präsentiert ein makelloses Produkt in üppig-cremiger, umami-reicher Begleitung und legt damit eine Punktlandung hin. Ikejime Saibling und Amaebi mit Lotuswurzel und Koriander ist ein bisschen leiser, will vorsichtig genossen werden und entfaltet erst im Nachhall seine ganze Pracht. Ein starkes Trio, bei dem die Komplexität gegenüber den vorherigen Amuses nochmals merklich zugenommen hat.

christian_bau_garten

Die nächste Steigerung ist der "Japanische Stein- und Gemüsegarten". Trotz der zahlreichen Komponenten wie Erbsen, Spargeln, verschiedenen Rettichen und vielem mehr ist das ein absolut stimmiges und vor allem äusserst schmackhaftes Gericht, das nicht besser zum Sommer passen könnte. Alles strotzt nur so vor Frische und Knackigkeit und Leben. Ein Drei-Sterne-Salat 2.0. Fantastisch.

christian_bau_wachtelei

Einen letzten Gruss - ja, das Menü hat offiziell noch nicht begonnen - schickt die Küchenmannschaft noch. Beim wunderbar süffigen und würzigen Wachteleigelb mit crèmigem Spinat und Pata Negra merkt man zum ersten Mal so richtig die französische Schule, die Bau einst durchlaufen hat und die ihm drei Sterne einbrachte. Kein Wunder, nur schon der Inhalt dieses Schälchens ist eine Reise wert. Zum Reinlegen gut...

christian_bau_gaenseleber

Nach einer angenehmen Pause tauche ich mit der Gänseleber aus der Landes, Café Arabica, Sauerkirsche und Piemontesische Haselnuss ins Menü ein. Das ist ein klassisches Bau-Gericht, das bereits seit vielen Jahren auf der Karte zu finden ist (in leicht abgewandelter Form und mit Foie aus dem Elsass auch in seinem Kochbuch "bau.stil" von 2011) und wie das letzte Amuse von vorhin noch stark den Geist der klassisch-modernen, französischen Küche verströmt. Und somit nicht mehr wirklich zur Stilistik der hiesigen Küche passt. Denn die ist zwischenzeitlich noch feiner, noch ausgefeilter, noch detailversessener und ganz einfach auch besser geworden. Bei diesem Gang ist die ohnehin schon dralle Gänseleber im Vergleich zu den anderen Elementen zu üppig portioniert. Klar soll sie im Vordergrund stehen, aber dennoch stimmt die Feinjustierung hier für mich nicht so wirklich. Zwar ist die Kombination grundsätzlich stimmig, aber vegleicht man diesen Teller mit Kreationen neueren Datums, ist augenscheinlich, wie stark sich die Küche hier nochmals weiterentwickelt hat. Sieht man den ersten Gang in diesem Licht, wirkt er geradezu anachronistisch und bieder. Lässt man diesen Kontext weg und betrachtet das Gericht davon losgelöst, ist es durchaus wohlschmeckend und auf solidem Zwei-Sterne-Niveau, mehr aber nicht.

christian_bau_meer

Da präsentiert sich das Japanische Meer 2018 mit Hamachi, Meeresfrüchten und Algen ganz anders und zeigt die Seite der Küche, wegen der mittlerweile Gäste aus aller Welt anreisen. Angefangen bei der Qualität der Meeresbewohner, die nur ganz wenige Restaurants in unseren Breitengraden servieren und die bestechend gut ist. Der intelligente Aufbau des Tellers, der sowohl mit ausgeklügelten Textur- als auch Temperaturspiel besticht. Und mit einer bezaubernden Harmonie. Während scheinbar mühelos die gesamte Palette von jodig-frischen Meeresaromen runtergespielt wird, setzen beispielweise das Seeigel-Eis (!) und die knackigen Meertrauben wichtige Akzente. Kurzum: sollte es sowas wie kulinarische Perfektion geben, ist dieser Teller sehr nah dran.

christian_bau_artischocken

Fast schon bodenständig, zumindest aromatisch, sind die nun folgenden Artischocken mit Bonitoessig, Wakamé und Trüffeln. Der belebenden Bitterkeit der exzellenten Artischocken stellt man die erdige Umamiwucht des luxuriösen Tubers entgegen, die durch den Einsatz der Braunalgen zusätzlich verstärkt wird. Hier kommt der Essig ins Spiel, der die subtile maritime Note aufnimmt, ergänzt durch eine ebenfalls präsente Umaminote, und mit seiner auflockernden Säure willkommene Spitzen setzt, die dem Teller eine wunderbare Leichtigkeit verleihen. Clever komponiert und ausgesprochen lecker.

christian_bau_kaviar

Dass die Küche von Christian Bau immer dann am stärksten ist, wenn das Meer eine prominente Rolle spielt, zeigt das Sashimi vom Kampachi mit Osietra Kaviar, Schnittlauch und Ingwerbutter. Bereits der buttrig-süsse Duft, der vom Teller aufsteigt, ist regelrecht benebelnd und schürt die Vorfreude ins Immense. Natürlich ist die Bernsteinmakrele von makelloser Qualität und profitiert zusätzlich durch die am Tisch angegossene Ingwerbutter mit Schnittlauchöl, die sich wie ein Hauch von opulenter Herrlichkeit um den Fisch schmiegt und dessen Eigengeschmack durch die leichte Erwärmung zusätzlich hervorhebt. Die durchaus kräftigen Aromen, die dem delikaten Meeresbewohner zur Seite gestellt werden, sind mit feinmechanischer Präzision ausgearbeitet, setzen lediglich leise, aber präsente Akzente, ohne sich zu sehr aufzudrängen. Denn den Platz an der Sonne will sich der Kampachi auch vom Kaviar nicht streitig machen lassen, der ebenfalls eher als Würzelement auftritt. Wenige Zutaten, über deren Zusammenspiel man stundenlang philosophieren könnte. Ganz, ganz grosses Kino.

christian_bau_langoustine

Weiter geht's mit einer Langoustine mit Koshihikari, Daikon und weisser Miso. Der Kaisergranat wird über Binchotan (japanische Steineichenkohle) gegrillt, und weist nur ganz sanfte, aber unheimlich appetitanregende, Röstaromen auf, die die süsse des Edelkrebses wunderbar akzentuieren. Dazu gesellt sich crèmiger Koshihikari (japanischer Rundkornreis, der gerne für Sushi verwendet wird), knackiger Daikon-Rettich und die aromatisch komplexe, feine weisse Miso. Mann, ist das gut! Total stimmig arrangiert, mit einem abermals fantastischen Produkt im Mittelpunkt. Jedes einzelne Elemente zu jeder Zeit schmeckbar. Grossartig!

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Die letzte Station der Reise durch die Weltmeere führt in die Bretagne. Hier kommt der Steinbutt her, dem Pfifferlinge, Spinat und Vin Jaune zur Seite gestellt werden. Erneut ein klassisch-modernes, französisch geprägtes Ensemble, bei dem man eigentlich nicht viel falsch machen kann. Aber sehr viel richtig, wie dieser Teller auf beeindruckende Art und Weise zeigt. Habe ich schon erwähnt, dass das Product-Sourcing von Christian Bau fantastisch ist? Auch der Butt ist von überragender Qualität, die Sauce wunderbar leicht, mit prägnanter Säure und papillenaufweckend, der Spinat und die Pilze eine logische Ergänzung, um ein rundes Geschmacksbild zu erhalten. Diese simple, produktfokussierte Art der Küche der Grande Nation, ganz ohne Firlefanz, passt auch exzellent in die "neue" Bau-Küche und ins heutige Menü.

christian_bau_rind

Damit auch die Fleicheslust befriedigt wird, gibt's als Hauptgang ein Schulterscherzel mit japanischer Aubergine, Paprika und Kojyu. Das Schulterscherzel (auch bekannt als Flat Iron Steak oder Schaufelstück) ist zwar auch vom ordentlich viel Fett durchzogen, weist aber trotzdem einen angenehmen Biss auf und ist dadurch in meinen Augen ein optimales Stück vom japanischen Rind, um beim Verzehr auch wirklich noch von Fleischgenuss sprechen zu können. Die Einfassung fällt relativ kleinteilig und auch durchaus üppig aus, passt im Grossen und Ganzen aber exzellent. Obwohl ich es nicht wirklich vermisse, könnte ich mir vorstellen, dass das Gericht von einem kleinen Säurekick als Auflockerung profitieren könnte und dadurch noch besser werden würde. Eine Marginalie, denn das ist ein ganz ausgezeichnter Hauptgang. De facto sogar der beste, der mir hier jemals serviert wurde.

christian_bau_walderdbeeren

Walderdbeeren, Sake, Pflaumenwein und Grünes Shiso leiten den finalen Akt des Abends ein. Fruchtig, süss-säuerlich, beschwingt und sommerlich leicht macht dieses kleine Ensemble nochmal richtig Bock auf die kommenden Desserts.

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In einem sehr ähnlichen Tenor fährt das Menü mit "Frühsommer" - Beeren, Buttermilch und Limone fort. Die diversen Beeren (echte und unechte) bieten ein wahres Sammelsurium unterschiedlich gefärbter Fruchtaromen. Von herb bis süss ist alles dabei, was man sich nur vorstellen kann. Durch die Buttermilch kommt etwas Substanz ins Gericht und die einzelnen Elemente werden gekonnt zusammengebracht. Den Schlusspunkt setzt die Limette, die mit ihrer fast schon scharfen, zitrussigen Note knackige Säurepsitzen setzt. Sehr gut.

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Der "Ring of Desire" bestehend aus Pistazie, Himbeere und Limone setzt den Dessertreigen fort. Gerade die simple Kombination von nussiger, dezent buttriger Pistazie mit der herben Fruchtsüsse des Rosengewächses ist ein Volltreffer. Erneut setzt die Limone wachrüttelnde, optimal sitzende Akzente und komplettiert dadurch dieses Kollektiv.

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Einer geht noch, oder? Klar, es kommen ja noch die Aromen Asiens - Exotische Früchte, Pandan und Yuzu. Das ist wohl das Dessert, auf das sich nahezu alle Gäste einigen können. Die komplexe, entdeckungswürdige Vielfalt der diversen unterschiedlichen Früchte, die augenblicklich Erinnerungen an Thailand und Südostasien aufkommen lassen. Das entfernt an Vanille erinnernde Pandan, das natürlich perfekt eingebunden ist und durch seine aromatische Färbung unweigerlich Reminiszenzen an das schwarze Gold und somit an die Kindheit und den Hochsommer weckt. Und wieder der gelungene Abschluss des Kreises durch eine lebendige Säure, in diesem Fall durch Yuzu, die zusätzlich noch eine subtile Bitterkeit beisteuert - es stimmt einfach alles. 

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Auch ein Wink an die Heimat der Familie Bau darf nicht fehlen. Das muss fast schon logischerweise eine Neuinterpretation der traditionellen Schwarzwälder Kirschtorte sein. Ohne den Traditionalisten zu nahe treten zu wollen, aber nachdem ich das Tässchen verputzt habe, bin ich ziemlich sicher: das ist die beste Version dieses Klassiker, die mir jemals serviert wurde. 

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Sechs sehr gelungene Petits Fours beschliessen den Abend.

Das war ein richtig starkes Menü von Christian Bau und seinem Team. Obwohl sich die Küche im Kern treu geblieben ist, hat sie sich in den vergangenen fünf Jahren doch merklich weiterentwickelt. Die Gerichte sind noch stringenter komponiert, die Teller noch feiner ausgearbeitet, die handwerkliche Umsetzung nahezu perfekt. Selbst der Hauptgang und die Desserts, die man früher am ehesten als Schwachpunkte ausmachen konnte, waren von superber Qualität. Zusätzlich haben sich auch die Portionsgrössen etwas zum Vorteil des Gastes verkleinert und somit wirkt alles ein bisschen leichter als in früheren Tagen. So kommt man selbst durch ein wirklich üppiges Menü relativ problemlos durch. Das war bei meinen früheren Stippvisiten nahezu undenkbar.
Also ist alles besser im Victor's Fine Dining by Christian Bau? Hat sich mein Bild von Baus Küche durch diesen Besuch nachhaltig verwändert? Ja und nein. Obwohl dieser Besuch mit Abstand der beste war, den ich auf Schloss Berg erlebt habe, und mich auch wirklich zu begeistern vermochte, bleibt der Stil einer, der mich nicht wirklich berührt. Schlussendlich ist neben dem puren Vergnügen an tollem Essen das Wichtigste für mich, dass mich eine Küche emotional zu packen vermag und nicht nur die Geschmacksrezeptoren und das Hirn befriedigt werden, sondern auch die Seele. Doch viel wichtiger als mein persönliches Empfinden ist eine möglichst objektive Einschätzung. Hier gibt es keine zwei Meinungen. Die Qualität der Speisen ist auf allerhöchster Stufe anzusiedeln und ich würde jedem wärmstens ans Herz legen, mindestens einmal im Leben die Reise nach Perl-Nennig anzutreten, der nahezu perfekten Genuss erleben möchte. Denn das Victor's Fine Dining by Christian Bau gehört zweifellos zu den besten Restaurants der Welt. 


Victor's Fine Dining by Christian Bau
im Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg
Schloßstraße 27 - 29
66706 Perl-Nennig
Deutschland
+49 6866 79-118
Website


Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Informationen zu unserem Umgang mit Pressekonditionen findest du in den FAQ.