Die Weinbank (Gerhard Fuchs) - Ehrenhausen
Die Weinbank (Gerhard Fuchs) - Ehrenhausen
Mein Weinkeller ist zwar nicht mit derart vielen Trouvaillen bestückt, dass ich dafür einen besonders gesicherten und ausstaffierten Raum mit Temperaturkontrolle und dergleichen benötigen würde, doch die Idee ist natürlich durchaus reizvoll. Weinlagerung in designierten Räumen, zum Beispiel bei Weinhänderln, gibt es schon länger. Doch warum nur die Lagerung anbieten? Schliesslich gehört zum Wein auch ein gutes Essen. Und umgekehrt. Dachte sich wohl auch Manfred Tement, Kopf einer der renommiertesten Winzerfamilien der Steiermark. Seither gibt es im beschaulichen Ehrenhausen, unweit der Grenze zu Slowenien, Die Weinbank. Bespielt wird das Restaurant mit der Rebensaft-Schatzkammer von zwei bestens bekannten Figuren der österreichischen Hochgastronomie, Koch Gerhard Fuchs und Sommelier Christian Zach.
Die Weinbank ist zweigeteilt in ein Wirtshaus sowie einen Gourmetteil, in dem Fuchs seine kreative Ader voll und ganz ausleben kann. Dem Namen entsprechend verfügt das Restaurant natürlich über ein beeindruckendes Arsenal an flüssigen Raritäten, von denen sich hoffentlich heute die eine oder andere in der Weinbegleitung von Zach wiederfinden wird. Nachdem sich der Weinmeister mit einem exzellenten lokalen Schaumwein vorgestellt hat, macht auch die Küche ihre Aufwartung.
Eine Frühlingskräutergazpacho mit Ei von der Ehrenhausener Wachtel und Senfkaviar gefällt durch ihre zart-kräuterige Frische und subtile Schärfe sowie die angedeutete Opulenz des Eis. Auftakt gelungen.
Ziemlich rustikal kommen Gemüse und Pilze vom Holzkohlegrill mit Steckerlbrot daher. Beim Anblick fühlt man sich unweigerlich an ein Pfadfinderfeuer im Wald erinnert. Geschmacklich überzeugen vor allem die Pilze, denen durch das Grillen ein richtig fleischiger Anstrich verliehen wird. Abgesehen davon aber nicht unbedingt wiederholenswert, wenngleich durchaus charmant.
Richtig, richtig gelungen ist der Speckkrautsalat mit geflämmtem Ochsenmark und Sauerteigbrot mit Camelinabutter. Meine Lippen gleichen nach der ersten Gabel denjenigen eines total überschminkten Models in einem Modemagazin und strahlen vor lauter Fett durch den ganzen Raum. So verdammt köstlich. Trotz des üppigen Fettanteils schafft Fuchs ein sehr gut ausbalanciertes Gericht, das zeigt, dass Hausmannskost in dieser Qualität auch im Fine Dining seinen berechtigten Platz hat.
Ganz schön dekadent wird’s bei der Bio Gänseleber mit Rhabarber, Brioche und Sauerklee. Denn die Foie ist in einen Strudelteig eingepackt und soll direkt mit den Fingern gegessen werden. Einfach durch die Sauce ziehen und ab dafür. Gesagt, getan. Was soll man hierzu bloss sagen? Vielleicht einfach das Wichtigste: es schmeckt. Ganz vorzüglich sogar. Wie Fuchs und seine Mannschaft Fett als Geschmacksträger einsetzen, ist schon richtig gut. Auch die Brioche mit Sauerklee wirkt trotz des um die Leber gewickelten Teigs keineswegs redundant, sondern komplettiert ein Foie gras-Erlebnis der zwar vertrauten, aber doch etwas anderen Art.
Beim Annoncieren hört sich der Kaisergranat mit Erbsen, Minze, Kohlrabi und eingelegtem Seitling bereits wie ein sicherer Gewinner an. Doch der erste Bissen deutet auf das Gegenteil hin. Die Langoustine hat eine Textur, die sich am besten mit schleimig und breiig beschreiben lässt. Das kennt man durchaus von rohen Präparationen kleinerer Krustentiere, jedoch dann vornehmlich von Garnelen. Neben dem bestenfalls gewöhnungsbedürftigen Mundgefühl ist auch die geschmackliche Qualität sehr bescheiden. Man sollte denken, dass dann wenigstens der gemüsige Teil der Beilage für etwas knackige Frische sorgt, doch selbst die Minze zeigt sich sehr verhalten. Von den Erbsen ganz zu schweigen. Bleibt noch der Pilz. Der schmeckt trotz Einlegen auch nach fast gar nichts, hat aber dafür eine unappetitlich schwammig-weiche Konsistenz, die die Brücke zurück zum Kaisergranat schlägt. Leider nur nicht auf positive Weise. Nach drei Probierbissen höre ich auf zu essen. Eigentlich möchte ich gerne weiter erkunden, um rauszufinden, ob hier noch etwas nicht entdecktes versteckt liegt, doch mir schnürt es nur schon beim Gedanken daran den Hals zu.
Bei der Lachsforelle vom Schlein mit Spargel und Zitronenbitter verhält es sich genau anders rum, als beim Granat zuvor. Als das Gericht am Tisch detailliert vorgestellt wird, befürchte ich bereits das Schlimmste: eingelegte Lachsforelle „Matjes“ mit Zitronentascherl und fermentierter Zitronat–Zitrone, Spargel vom Reicher, wilder Spargel, geschmolzene Bio–Gänseleber, Kalbskopf und weisser Speck. Wumms, das sitzt. Es hilft ja nichts, probiert werden muss. Wenn auch etwas widerwillig, wie ich zugeben muss. Doch Fuchs schafft es, mit diesem Gang für eine positive Überraschung zu sorgen. Auch wenn das Ganze am Anfang etwas wild wirkt, so greift doch nach und nach ein Rädchen ins andere, so dass schlussendlich ein sehr spannendes und andersartiges Gericht entsteht. Einzig den Raviolo hätte es wirklich nicht gebraucht, da er keinen Mehrwert liefert, sondern eher störend ist. Kann man ja zum Glück gut weglassen. Dennoch, Hut ab, sowas kann wirklich nicht jeder.
Als Klassiker des Hauses wird der Dotterraviolo mit Spinat und Parmesanemulsion, Perigordtrüffeljus und Sommertrüffel angekündigt. Sogar eine eigene Abfüllung des Ex Vero von Werlitsch gibt es dazu. Vielversprechend. Und mit so einem Pasta-Wohlfühlteller kann man ja eigentlich nichts falsch machen. Dachte ich zumindest. Denn es zeigt sich, dass das durchaus möglich ist. Dass die Pasta zu dick geraten ist, sei’s drum, damit kann ich leben. Allerdings zeigt sich der gesamte Rest des Gerichts so gut wie gar nicht. Trotz Eidotter, Parmesan und Trüffeln schmeckt das alles enorm verhalten. Es geht nicht nur drum, dass vielleicht ein wenig Salz fehlt, nein, es macht den Anschein, als ob keines der Elemente richtig abgeschmeckt wurde. Auch die Sommertrüffel aus Istrien, eigentlich bekannt für mehr als ordentliche Qualität, erinnern eher an dünne Holzspäne als an die kräftig duftenden Verwandten, mit denen man diese Exemplare offensichtlich verwechselt haben muss. Enttäuschend, das muss man ganz klar so sagen.
Ungleich besser macht es der Waller vom Schlein mit Jungzwiebel. Hier ist alles vertreten, was beim vorherigen Gang fehlte. Ein Hauptprodukt, das nur schon durch seine exzellente Grundqualität überzeugt und eine akkurate Behandlung durch die Küchencrew erhielt. Ein einheitliches und im Kontext der verwendeten Erzeugnisse spannendes Geschmacksbild. Vortrefflich abgeschmeckt. Kurzum, ein Teller, der richtig Spass macht. Die heutige kulinarische Achterbahnfahrt ist schon erstaunlich. Mal schauen, wie es weitergeht.
Der erste von zwei Hauptgängen dreht sich um das Sausaler Milchkalb, Morcheln aus den Murauen und Spargel. Hiermit trifft Fuchs voll ins Schwarze. Zuerst mal serviert er kein langweiliges Filetstück oder dergleichen, sondern glaciertes Bries und Hirn, das er in den Agnolotti unterbringt. Dazu eine verführerisch buttrige Sauce, die elegant-erdig duftenden, kräftigen Pilze und der knackige Spargel, der eine gewisse Lockerheit reinbringt. Verdammt, ist das gut! In sich geschlossen, eine nahezu perfekte Vermählung von tollen Produkten und exzellenter Technik. Ich würde am liebsten direkt in weitere Runde gehen.
Auch der zweite Hauptgang kann sich sehen lassen: Brust und Keule vom Kapaun mit Blumenkohl, Brokkoli, Hopfen und Kartoffelpürée. Sehr saftiges Fleisch (auch die Brust), mit einer relativ naturbelassenen und leichten Jus, die das dezent Wilde des Vogels schön akzentuiert. Als spannender Sparringspartner erweist sich der Hopfen, der einen nussigen Geschmack mit leicht bitterem Unterton hat und das Fleisch so schön konterkariert. Die beiden Beilageschälchen, gut wie sie sind, braucht es eigentlich gar nicht mehr dazu.
Milch und Rhabarber sind die Hauptkomponenten des ersten Desserts des Tages. Dazu gesellt sich, eher ungewöhnlich, Meerrettich. Erstaunlicherweise funktioniert die scharfe Wurzel in diesem Kontext relativ gut, da sie nicht überhand nimmt, sondern eher als muskulöse Würzung dient. In Summe heisst das dann, dass das Ganze von der Spannung durch den Meerrettich lebt, da die Kombination von Milch und Rhabarer zwar sehr passend, aber in diesem Fall auch ein wenig bieder ist.
Klassisch österreichisch und gleichzeitig neu nordisch sind die Buttermilchnudeln mit Tannenwipfelmilch, Tannenwipfeleis und Rhabarber. Handwerklich sind die Nudeln tadellos, jedoch nach einem relativ umfangreichen Menü auch ziemlich schwer. Allerdings ist es so, dass die aus dem Rahmen fallende Interaktion der dicken, buttrigen Nudeln mit der frisch-herben, leicht ätherischen Note der Tannenschösslinge und der lebendigen Säure des Rhabarbers enorm grossen Spass bereitet. Da isst man zum Schluss gerne noch ein wenig über den Hunger hinaus und öffnet nach dem Lunch den Gurt halt um eine weitere Lochbreite.
Sommelier Christian Zach erscheint kurz vor dem Ende ausnahmsweise nicht nur mit Wein, sondern schickt sich an, höchstselbst für ein wenig Tableside-Action zu sorgen. Auf einem historisch wertvollen Gefährt aus der nahen Kochschule bereitet er in allerbester Manier und mit gekonntem Flambieren Crêpe Suzette zu. Mittlerweile bin ich allerdings so voll, dass ich nur noch einige höfliche Probierbissen essen kann.
Das war ein ziemlich wilder Ritt in Ehrenhausen. Fuchs ist zweifelsohne ein talentierter Koch, der eine teilweise sehr eigenständige Handschrift trägt und mit seinen oftmals relativ abenteuerlich klingenden Gerichten in grossen Teilen auch zu überzeugen weiss. Ironischerweise haben zwei Teller überhaupt nicht funktioniert, die bei der Annoncierung nach einem absolut sicheren Wert geklungen haben. Doch der Kaisergranat war für mich im wahrsten Sinne des Wortes ungeniessbar und die Ravioli waren bestenfalls unterdurchschnittlich. Allerdings wusste fast der gesamte Rest durchaus zu gefallen. Gerade bei den Hauptgängen und der Lachsforelle zeigte sich die Küche von ihrer besten Seite, und die ist wahrlich nicht zu verachten. Die grösste Stärke der Weinbank liegt aber auch nicht nur beim Essen allein, sondern beim Zusammespiel von Fuchs’ Gerichten mit der Weinbegleitung von Christian Zach. Ein wahrer Meister seines Fachs, der auf einen ausserordentlich gut bestückten und mit vielen lokalen Trouvaillen versehenen Weinkeller zurückgreifen kann und dies entsprechend ausnutzt. Die Weinbank bietet sich also an, um einige vergnügliche, feuchtfröhliche Stunden zu verbringen. Auch wenn sich die Küche nicht durchgehend auf dem Niveau der präsentierten Weine befindet.
Die Weinbank
Hauptstraße 44
8461 Ehrenhausen
Österreich
+43 3453 22291
Website
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