Ecco (Stefan Heilemann) - Zürich
Ecco (Stefan Heilemann) - Zürich
Endlich mal wieder zurück im Ecco! Diese letzte Abstinenz von fast eineinhalb Jahren ist meine längste, seitdem Stefan Heilemann das dritte Lokal der kleinen Ecco-Familie vor etwas mehr als vier Jahren in Zürich eröffnet hat. Trotz der zahlreichen Besuche, die ich dem Restaurant im mondänen Atlantis by Giardino seither abgestattet habe, geht meine Vorfreude auf Heilemanns Küche nie verloren. Schliesslich habe ich hier schon so manche kulinarische Sternstunde erlebt und weiss genau, dass sich die Kreationen aus der Küche des Deutschen seit jeher auf enorm hohem Niveau bewegen.
Und heute freue ich mich doppelt, denn neben der ewig langen Zeit, die seit meiner letzten Stippvisite vergangen ist, schaffe ich es endlich erstmals im Hochsommer hierhin. Lunch auf der geschützten Terrasse, (quasi) in der Natur, mit Blick auf die Stadt. Die Aussicht auf Stefan Heilemanns Kreationen und Stefano Pettas Weinbegleitung, viel besser kann ein Sonntagslunch eigentlich nicht klingen. Sommelier Petta läutet den Lunch stilgerecht mit einem Glas Authentique Rosé von Barnaut ein. Eine willkommene Erfrischung bei schweisstreibenden Temperaturen. Des Jacketts entledige ich mich gleich wieder, nehme noch einen stärkenden Schluck Champagner, dann kann es losgehen. Ich bin äusserst gespannt, was sich in der Küche so alles getan hat während meiner Abwesenheit.
Los geht’s mit einem Dreierlei von der Ente: Steamed Bun mit Keule und Rotem Thai-Curry - Foie Gras mit roter Bete und Räucheraal - Knusprige Haut mit Soja und Spitzkohl. Heilemann und seine Crew fackeln nicht lange und drücken direkt zum Start richtig auf die Tube. In der Schweiz einen besseren gedämpften Bun zu finden dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Die Foie-Kreationen im Ecco sind sowieso über jeden Zweifel erhaben, wie dieser mittlerweile schon klassische und ultrafein abgestimmte Dreiklang beweist. Die belegte Haut, so delikat und krachend knusprig, ist absolut zurecht bereits ein Klassiker des noch jungen Hauses. Was für ein fulminanter Auftakt!
Als Amuse wird eine Ceviche von der Lachsforelle mit Süsskartoffel und Maracuja aufgetragen. Obwohl der Fisch wortwörtlich begraben wurde, ragt er doch aus diesem Ensemble heraus. Heilemann geht bei seinen Produkten absolut keine Kompromisse ein, was sich in diesem Fall in der feingliedrigen Fettigkeit und einem sehr elegant und pur schmeckenden Fleisch äussert. Dazu passt die vorsichtig dosierte fruchtige Säure der Maracuja ebenso exzellent wie die knusprigen Kartoffeln und der zwiebelige Kick des optimal dosierten Schnittlauchs. Letzterer bringt einen dezent rustikalen Touch ins Spiel, der für zusätzliche Spannung sorgt. Sehr schön.
Nun startet das Menü auch ganz offiziell mit Neuenburger Wasserbüffel "carne cruda", Gillardeau Auster, Rettich und Oona Oscietra Carat Kaviar. Im Ecco stösst man immer wieder mal auch auf eher unbekannte Produkte, wie in diesem Fall den Wasserbüffel aus der Westschweiz. Sein Fleisch erinnert entfernt an Wild, ist fein-nussig und sehr zart. Austern und Kaviar - direkt zum selber Schöpfen aus der Dose - sind sicherlich nicht die ersten Dinge, die auf einer Liste von möglicherweise passenden Begleitern auftauchen. Doch Heilemann hat ein solch sicheres Händchen beim Kombinieren, dass es mich gar nicht wundert, dass diese ungewöhnliche Marriage funktioniert. Was eigentlich eine masslose Untertreibung ist, denn das Zusammenspiel in diesem neuartigen Surf’n’Turf ist nichts anderes als grandios. Die gesamte Klaviatur exzellenter Hochküche wird direkt rauf und runter gespielt. Wie genau es schmeckt, ist eigentlich müssig zu erklären. Viel wichtiger ist, was es mit einem macht. Bei mir löst diese Kreation pure, unbändige Freude aus. Über die schiere Köstlichkeit, aber auch darüber, dass ich das Gefühl vermittelt bekomme, etwas in dieser Art noch nie zuvor gekostet zu haben. Der absolute Wahnsinn gleich zu Beginn, dem eine Aufnahme in unsere Hall Of Fame absolut sicher ist.
Bauch und Herz vom Balfegó Thunfisch, Blumenkohl, Thai Salsa und Minze sind die Protagonisten von Gang Nummer zwei. Wenn man auf eines der dickeren Stücke des Bauchs beisst, spritzt einem das herrliche Fett des Fischs förmlich im Mund herum. Das hilft der gründlichen Verbindung aller Komponenten und pusht die einzelnen Aromen noch weiter nach vorne. Das Geschmacksbild zeigt sich grundsätzlich harmonisch, die Salsa sowie die Minze sind ein toll gewählter Konterpart zum Thun. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass gerade die Salsa noch einen Ticken mutiger abgeschmeckt ist. Das könnte das intensive Fleisch locker vertragen. Doch das ist bereits Meckern auf einem Niveau, auf dem es nur noch auf Nuancen ankommt. Einziges wirkliches Manko an diesem Gang ist die, zumindest für mich, viel zu grosse Portion. Aufgrund der Beschaffenheit des Gerichts und dem frühen Zeitpunkt im Menü, hätte mir auch die Hälfte gereicht. Doch ich bin sicher, dass das viele Gäste anders sehen dürften.
Weiter geht die Fahrt durch die Weltmeere mit Bretonische Seezunge, Artischocke, Bottarga und Escabeche. Bereits die an eine Bouillabaisse erinnernde Optik lässt erahnen, dass es sich hierbei um einen molligen Wohlfühlteller höchster Güteklasse handeln könnte. Der Eindruck täuscht nicht, wie der erste Bissen direkt zeigt. Und auch der Vergleich mit der provenzalischen Fischsuppe hinkt nicht. Es ist viel los hier, und es fühlt sich zeitweise so an, als ob auf meinen Papillen ein wildes Rodeo geritten wird. Das rührt in erster Linie von der pointierten Säure sowie der durchaus markanten Würzung - inklusive dem heftigen Umami-Sturm des Bottarga - her, die dem Ganzen einen herrlich rustikalen Unterbau verleihen. Dennoch zeigt sich das Arrangement höchst elegant, dank des saftig-noblen Plattfischs und vor allen Dingen den zarten Bitternoten der Artischocke, die alles wunderbar zusammenbringt.
Sommelier und Restaurantleiter Stefano Petta präsentiert als nächstes einen Steinbutt, im Ganzen gegart, der zur Fertzigstellung direkt zurück in die Küche wandert. Einer meiner absoluten Lieblingsfische, was die Vorfreude gleich nochmals steigen lässt. Als der Butt auf dem Teller seinen Weg zurück zum Tisch findet, ordentlich zurecht geschnitten, wird auch der Rest vorgestellt. Der Fisch wird mit Kaisergranat gefüllt und mit rotem Curry, Spicy Gurkensalat und Fried Rice serviert. Die Vorliebe des Chefs für die Küche Thailands wird spätestens jetzt für alle erkennbar. Doch in kaum einem Restaurant im Land des Lächelns wird man wohl jemals so eine verdammt gute Sauce serviert bekommen. Alle Merkmale einer typisch komplexen roten Curry-Sauce sind da, jedoch in einen Fine Dining-Kontext versetzt. Dieses Elixir zeigt feinste Saucier-Kunst, ist hochelegant, tief, vielschichtig und passt absolut perfekt zum Butt. Der wiederum ist trotz seiner kleinen Grösse von enorm hoher Qualität und absolut perfekt gegart. Die Füllung mit einer Farce aus Langoustinen ist eine tolle Idee, die das Gericht zusätzlich verbessert und eine dezente maritime Süsse einstreut. Der knackig-frische Gurkensalat dazu erweist sich als perfekter Partner, umso mehr, wenn man die Temperaturen mit in Betracht zieht. Einzig den Reis dazu brauche ich nicht unbedingt. Abgesehen davon eine weitere Kreation aus der Ecco Küche, die in die Hall Of Fame gehört. So unfassbar gut.
Ein alter Bekannter ist das gegrillte Carpaccio vom japanischen Wagyu Entrecôte “Kagoshima” mit Zwiebeln, Sauerrahm und erneut einer gesunden Dosis Kaviar. Was soll man hierzu bloss sagen, ausser: grossartig! Heilemanns Produktfanatismus zeigt sich auch hier wieder eindrücklich. Und auch seine Fähigkeit, Luxusprodukte erster Güteklasse mit bescheidenen, alltäglichen Produkten zu einem packenden und absolut köstlichen Ganzen zu formen. In diesem Fall ist vor allen Dingen das Wechselspiel der einzelnen Komponenten faszinierend. Heisses, halbrohes Fleisch mit kühlem Rahm. Beides natürlich ordentlich fettig und dadurch ein optimales Vehikel für den Kaviar, um seine jodige Salinität voll zu entfalten. Zusätzlich profitiert das schwarze Gold auch von der Süsse der Zwiebel, die für eine Extra-Dimension sorgt und gleichzeitig die Brücke zurück zum Rahm schlägt. Ganz, ganz grosses Kino.
Beim Hauptgang Miéral Perlhuhn „Selection Alfred von Escher“, wilder Brokkoli, Yuzu und australischer Wintertrüffel zeigt Heilemann, dass er im Herzen ein zutiefst klassischer Koch ist. Kein Wunder, wenn man lange Zeit in der legendären Traube Tonbach verbracht hat wie er. Das äusserst sich zwar auch sonst im Verlaufe eines Menüs, z.B. an den herrlichen Saucen, doch in diesem Fall schreit alles förmlich Haute Cuisine française. Das Huhn des wohl weltweit renommiertesten Züchters aus Bresse ist wie zu erwarten von schlichtweg perfekter Qualität und ebenso makellos zubereitet. Dazu eine wunderbare Sauce, der durch die Verwendung der japanischen Zitrusfrucht gekonnt etwas mehr Nachdruck, Säure und Komplexität verliehen wird. Abgerundet durch etwas knackigen Brokkoli und einen grosszügigen Trüffelregen ergibt das ein zutiefst befriedigendes Erlebnis.
Heilemann tritt für den verbleibenden Teil des Lunchs in den Hintergrund und öffnet den Vorhang für seinen Pâtissier André Siedl. Er stellt sich mit einem Arrangement aus Felchlin Opus Blanc Schokolade, Himbeere und Dill vor. Dill ist ein wiederkehrendes Thema in Siedls Kreationen. Im Gegensatz zu den Kollegen aus dem ganz hohen Norden reizt er das Thema von Kräutern und Gemüse im Dessert aromatisch jedoch nicht auf Teufel komm raus aus, sondern nutzt wie in diesem Fall den Dill eher als Würzelement. Denn geht man der Struktur dieses Arrangements auf den Grund, landet man, ähnlich wie bei Heilemann, in der Klassik. Das fein ziselierte Zusammenspiel von süsser Schokolade der angesehenen Innerschweizer Schokoladenmanufaktur und sommerlich fruchtiger Beere ist genau das: klassisch. Aufgesprengt und in die Moderne geführt durch den Einsatz des eigentümlich würzigen, herben und mit dezenten Anisnoten ausgestatteten Dills, der aus einem sehr guten ein absolut superbes Dessert macht.
In eine ganz ähnliche Kerbe schlägt die Walderdbeere mit Felchlin Bionda Schokolade, Süssholz und rotem Sauerklee. Das Duett von Schokolade und fruchtiger Beere ist allerdings in diesem Fall merklich süsser, was an der im Vergleich zu den Himbeeren zuvor markant tieferen Säure der Erdbeeren liegt. Dieses quasi fehlende Element bringt Siedl mit dem Sauerklee wieder ins Spiel, der für einen richtig wachrüttelnden Kick sorgt und diese Kreation auf seinen immens leichten Flügeln trägt. Sommer pur. In Summe erneut ein sehr gelungenes Dessert, das allerdings nicht ganz die Höhen des Vorgängers erreicht.
Das umfassende Menü endet mit einigen hervorragenden Petits Fours. Obwohl die Hitze und der Wein sowie die schiere Menge an Essen durchaus ihre Spuren hinterlassen haben, bleibt von diesen Petitessen kein Krümel übrig. Das soll was heissen.
Stillstand kennt man im Ecco Zürich nicht. Stefan Heilemann entwickelt sich und seine Küche stetig weiter und haut in einer fast schon beängstigend nonchalanten Art ein grandioses Menü raus. Mal wieder, bin ich geneigt zu sagen. Was auch stimmt, aber dem erneut gewaltigen Sprung, den er und sein Team seit meinem letzten Besuch gemacht haben, nicht annähernd genügend Rechnung trägt. Bereits als ich kurz nach der Eröffnung des Restaurants das erste Mal hier zu Gast war, stand ausser Frage, dass Stefan Heilemann über ein enormes Talent am Herd verfügt. Damals war allerdings bei aller bereits vorhandenen Qualität noch keine so klare Linie erkennbar. Die hat sich mittlerweile aber ganz klar herauskristallisiert. Eine Heilemann Kreation erkennt man als solche. Wenn schon nicht optisch, dann spätestens am Geschmack. Dabei bewegt sich die Küche des Ecco nicht in starren Formen. Zwar bildet die französisch basierte Klassik das unerschütterliche Fundament und die Liebe zur südostasiatischen Küche scheint immer klarer durch, doch möglich ist einfach alles was Spass macht. Einziges Kriterium ist das Streben nach Perfektion, was sich sowohl im Handwerk als auch beim Product-Sourcing zeigt. Gerade wenn man sich genauer ansieht, was für eine unglaubliche Produktqualität in den allermeisten Fällen auf den Tellern landet, gibt es in der Schweiz nicht viele Restaurants, die diesbezüglich mithalten können. Die heutige Küchenleistung lässt nur ein Fazit zu: man steuert im Ecco ganz klar darauf zu, allerhöchste kulinarische Weihen zu erreichen. Das wird vielleicht nicht heute und morgen passieren, die Chancen stehen in meinen Augen allerdings sehr gut, dass dieses Ziel in absehbarer Zeit erreicht werden kann. Doch im Ecco imponiert nicht nur die Küchenleistung. Auch in Sachen Wein und Service ist die Crew um Restaurantleiter Stefano Petta ganz weit vorne. Man ist enorm sachkundig, unkompliziert und charmant, was einen grossen Teil zum Erlebnis beiträgt. Denn genau das ist ein Besuch im Ecco mittlerweile: ein Erlebnis. Eines, von dem man nie genug bekommen kann.
Ecco
Döltschiweg 234
8055 Zürich
Schweiz
+41 (0)44 456 55 33
Website
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