Ecco (Stefan Heilemann) - Zürich

Stefan Heilemann hat im Ecco geschafft, was nur wenige zuvor geschafft haben: den direkten Einstieg in den Guide Michelin mit zwei Sternen. Das ist schon mal aller Ehren wert. Und vor allem ist es hoch verdient. Ich war einige Tage nach der Eröffnung im Dezember 2015 zum ersten Mal im Flaggschiffrestaurant des Hotels Atlantis by Giardino in Zürich zu Gast und war mir damals bereits sehr sicher, dass Heilemann und sein Team genau diese Auszeichnung wert sind. Lediglich der Gault&Millau konnte sich mit beinahe läppischen 16 Punkten nicht dazu durchringen, die Küche ihrer Leistung entsprechend zu honorieren.
Seit meinem letzten Besuch sind bereits ein bisschen mehr als zwölf Monate ins Land gezogen. Höchste Zeit also für eine Gedächtnisauffrischung. So finde ich mich an diesem ungemütlich regnerischen Sommersonntag im Ecco ein, mache es mir am grosszügigen Tisch gemütlich und harre der Dinge, die da kommen werden. Es hat sich einiges getan, soviel kann ich an dieser Stelle schon mal verraten. Ohne weitere Umschweife geht's los.

ecco_stefan_heilemann_sepia

Der Lunch startet mit Sepia, Dill und Sauerrahm. Dieser kleine Happen setzt gleich mal ein dickes Ausrufezeichen. Dezente Meeresfrische, leicht, dabei intensiv, knusprig und unheimlich elegant. Von null auf hundert in einem grandiosen Bissen.

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Drei weitere Grüsse aus der Küche folgen. Zuerst widme ich mich der Miéral Ente mit Spitzkohl und Soja. In einem Entenhautchip befindet sich getrocknete und dann gehobelte Entenbrust, eine Lebercrème, Thaicurry, gepickelter Spitzkohl, ein Sojagel und Schnittlauch. Das ist eine richtige kleine Wuchtbrumme mit dem perfekten Spiel von Umami, Säure und exotischer Schärfe.
Kohlrabi, schwarzer Trüffel aus Australien und Haselnuss besteht aus einem mit Kohlrabi, Trüffeln und Frischkäse gefüllten Kohlrabiraviolo. Dazu gibt es einen Kohlrabisud mit Joghurt, Trüffeln, Haselnussöl, eine Kohlrabicrème und piemonteser Haselnuss. Es ist kaum zu beschreiben, wie gut das schmeckt. Was hier auf wenigen Kubikzentimetern an perfekt abgestimmter Harmonie aus dem Hut gezaubert wird, ist spektakulär. So spektakulär, dass es mir beinahe die Tränen in die Augen treibt.
Der letzte Snack dreht sich um eine Brüggli Lachsforelle, Zwiebel und Meerrettich. Filet, Tatar und Rogen des Fisches teilen sich den Platz mit einer Meerrettichcrème, frischem Meerrettich, einem Zwiebel-Ceviche-Sud, Essigzwiebelringen, Röstzwiebeln, Zwiebelöl und Labkraut. Klingt unheimlich intensiv und zwiebel-überladen, ist aber einer der elegantesten, am feinsten austarierten Happen, der mir jemals vorgesetzt wurde. Diese Trilogie hat mich beinahe vom Sitz gerissen und gehört ganz einfach mit zu den besten Amuse Bouches, die ich jemals genossen habe.

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Als ersten offiziellen Gang serviert Heilemann einen australischen „Hiramasa“ Kingfish mit Gurke und Yuzu. Der Fisch kommt gebeizt, geflämmt und als Tatar auf den Teller. Eingefasst wird die Gelbschwanzmakrele von gepickelten Gurkenröllchen und roh marinierten Minigurken samt Blüte, diversen Kräutern, einer Yuzucrème und einem Gurken-Yuzu-Sud, der mit Wasabi und Dashi aromatisiert wurde. Die fantastische Qualität des Hiramasa macht für sich genommen bereits grossen Spass. Doch spannender ist vor allem, wie sich die unterschiedlichen Präparationen mit den mannigfaltigen Begleitern verstehen. Es gibt zwar ein übergeordnetes Geschmacksbild, doch jede Gabel schmeckt anders. Ausgezeichnet.

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Vegetarisch geht's weiter mit Sommersteinpilzen, Roggenmalz, Senf und Kräutern vom Uetliberg. Bei diesem Gericht wird Umami gross geschrieben. Dennoch ist der bunte Mix aus unterschiedlichen Steinpilzpräparationen (gebraten, roh, gepickelt), Pumpernickel, Schnittlauch, Schalotten, einer Senfvinaigrette, Roggenmalzpulver, Senfperlen, Senfkörnern, Roggenchips, Kräutern, einem Roggengrasgel und einem mit Malzmiso und Roggenmalz aromatisierten Pilzsud keineswegs ein dumpfer Versuch eines Crowdpleasers. Neben dem Umami überzeugt dieser Salat nämlich auch mit seinem feinen Säurespiel, das eine dringend benötigte Auflockerung in die mächtige Portion bringt. Das ist zwar nichts unvergessliches, zeigt aber eine andere, etwas rustikalere Seite der Ecco Küche.

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Heilemanns Vorliebe für Thailand scheint beim folgenden Gang so richtig durch. Kaisergranat, Tomate, Algen und Koriander versprüht regelrecht den Duft des südostasiatischen Ferienlandes. Die Langoustine wird zuerst gebraten, um dann in Krustentier-Glace glasiert zu werden. Mit auf dem Teller landen allerlei "Thai Aromen" wie Kaffirlimetten, unreife grüne Tomaten in einer "Thai Vinaigrette" und vieles mehr. Und natürlich ist kein Heilemann-Teller komplett ohne Saucen oder Crèmes. Neben einer Curry-Kaisergranatkopf-Crème findet eine Algen-Koriandercrème sowie eine Tomaten-Thaicurry-Bisque ihren Weg zum Edelkrebs. Das klingt im ersten Moment nach einem relativ wilden Mix und überfordernd vielen Elementen, funktioniert aber ganz prächtig. Der Kaisergranat bleibt zu jeder Zeit Hauptdarsteller und bietet eine ungewohnte Unterlage für die vielen kräftigen Aromen, die ihn kongenial und äusserst abwechslungsreich begleiten. Das ist einfach verdammt gut gekocht und saulecker.

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Obwohl das folgende Gericht eigentlich nicht mehr auf der Sommerkarte zu finden ist, komme ich in den Genuss die Gillardeau Auster mit Schweinshaxe und Rettich zu probieren. Die Molluske wird in einem Rettich-Pickle-Fond pochiert und dann glasiert, dazu gibt es eine Scheibe gepökelte Schweinshaxe mit etwas Jus, gepuffte Schweineschwarte, Kräuter, Rettichgel, gepickelte und rohe Radieschen, Mini Eiszapfen, Rettichkegel, sowie einen
Rettich-Dashi-Sud. Zum Glück hat der Frühling nochmals den Weg auf meinen Teller gefunden. Die dezent jodige Frische der Auster und die fette Haxe sind ein absolutes Traumpaar. Für reichlich Spannung zwischen Scharf, Sauer und Bitter sorgen die unzähligen Rettiche und ergänzen das ungewöhnliche Surf'n'Turf so optimal.

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Fast schon klassisch mutet der Seeteufel mit Muscheln aus dem Atlantik, Bohne, Mandel und jungem Knoblauch an. Fantastisch, welche Qualität von Fisch und anderem Meeresgetier im Ecco immer aufgetischt wird. Doch trotz der wunderbaren Produkte ist der heimliche Star dieses Gangs ein anderer: eine Muschel-Ajoblanco. Die Tiefe dieser ursprünglich aus Andalusien stammenden Mandelsuppe ist gewaltig. Dabei setzt die Küche keineswegs auf pure Kraft, sondern eine fein ziselierte Eleganz, die durch die Beigabe von Muscheln zur Suppe eine fantastische mundfüllende Opulenz mit sich bringt. Da fühle ich mich gleich ans glitzernde Meer katapultiert. Was für ein fantastisches Gericht!

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Jetzt wird's fleischig. Bries, Kinn und Zunge vom Bündner Kalb, Liebstöckel und gerösteter Blumenkohl ist eine volle Packung der schmackhaftesten Stücke des kleinen Rinds. Glücklicherweise sind in den besten Restaurants die Zeiten vorbei, in denen ausschliesslich Filet serviert wird. Warum das sowohl aus geschmacklicher Sicht, als auch aus ökologischer und ökonomischer Sicht gut ist, zeigt ein Gericht wie dieses. Gepresster Kalbskopf, glasiertes Kalbskinn, gekochte Zunge, gebratenes Bries, ein Schlaraffenland von perfekt zubereiteten Produkten für Liebhaber alles Guten eines Tieres. Damit diese Fleischphalanx nicht zu sehr gestört wird, serviert man dazu lediglich verschiedene Blumenkohlzubereitungen, eine Liebstöckelcrème, etwas Babykale und gepuffte Schweineschwarte. Im Herzen ist das ein durch und durch klassisches Gericht, das dank wenigen kleinen Twists in die moderne Küche übertragen wird. So wirkt es trotz reichlich Fleisch und Kohl keineswegs schwer, sondern geradezu feingliederig und ausgewogen. Hier kann man einfach rein gar nichts mehr verbessern.

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Bison aus dem Schweizer Jura, Mais und gegrillte Paprika setzt den Fleischreigen fort. Einmal findet die confierte Schulter samt Innereien den Weg in einen Steamed Bun, der zusätzlich mit etwas Gewürzmais, grüner Chili, Vogelmiere und frittiertem Mais versehen wurde. Das wirkt auf den ersten Bissen ein bisschen plakativ, entpuppt sich beim genaueren hinschmecken erneut als fein austarierte Petitesse, von der man eigentlich mehr als nur dieses eine Stück essen möchte. Auf dem Teller liegt zusätzlich ein gebratenes Filet und ein Schmorstück, ein Crumble aus Gewürzmais und Schnittlauch, Polentachips mit Paprika, Röllchen aus gegrillten roten Paprika, Paprikagel, Maiscreme, geflämmter gepickelter Babymais, Vogelmiere sowie eine Jus mit BBQ Aromen. Auch hier scheint die Würzung im ersten Moment doch etwas gar aufdringlich. Doch wie beim Bun zeigt sich auch in diesem Fall am Gaumen eine viel feinere Aromatik, als die ersten Eindrücke suggerieren. Mit Sicherheit nicht mein Lieblingsgang aus der Ecco Küche aber dennoch sehr gut.

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Beim Hauptgang zieht Heilemann mit Kagoshima Rind mit Brokkoli und Curry nochmals alle Register. Wahnsinn, was hier wieder für eine Qualität serviert wird. Ich kann mich nicht erinnern, in der Schweiz jemals so hochwertiges japanisches Fleisch serviert bekommen zu haben. Da braucht es eigentlich gar keine Begleiter mehr. So belässt die Küche das fantastische Filet und Shortrib vom Kagoshima auch komplett im Mittelpunkt und stellt lediglich eine kleine Deklination von Brokkoli (gebraten, püriert, roher Stiel), etwas Frühlingslauch und Mangold sowie eine leichte Curryjus daneben. Wie beim Kalb zuvor wird auch hier der Produktpurismus zurecht voll ausgelebt und sorgt so für einen schlichtweg perfekten Hauptgang. Wow!

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Schweizer Sommer ist für mich gleichgesetzt mit Walliser Aprikosen. Patissier André Siedl kombiniert sie mit Felchlin “Grand Cru Cuba“ Schokolade und Stangensellerie und trifft damit voll ins Schwarze. Das abwechslungsreich in Szene gesetzte Steinobst kommt unter anderem als Mousse, Gel und mariniert daher und wird begleitet von einem Selleriesorbet, Selleriegranité, frischem Stangensellerie, Selleriegrün, einer Schokoladencrème, Schokoladenbiskuit, salzigem Schokoladencrumble sowie einer getrockneten Schokomousse. Schoko und Aprikose geht sowieso prächtig zusammen, hier erweitert um den sehr interessanten, kein bisschen forciert wirkenden Akkord von frisch-grünem Sellerie. Ich bin mir ziemlich sicher, dass von dieser Kreation auch Esser mit einer Abneigung gegenüber Gemüse im Dessert überzeugt werden könnten.

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Das zweite Dessert dreht sich um die Thurgauer Erdbeere mit rotem Sauerklee und Kamille. Neben frischen Erdbeeren befindet sich ein Sorbet, ein Chip sowie ein mit Kamille aromatisierter Sud des Rosengewächses auf dem Teller. Dazu gesellt sich ein Oxalis Sorbet, karamellisierte Oxalisstiele, Malzsand, ein Brownie, ein Kamille-Baiser, eine Kamillecrème und Kamillenteeperlen. Fantastisch, wie feingliederig dieses Gericht aufgebaut ist. Die hocharomatische Frucht der Erdbeere ist stets präsent, die florale Begleitung durch die Kamille sehr passend gewählt. Durch die Oxalis kommt eine erfrischende Säure ins Spiel, der Brownie wiederum bringt etwas süsslich-bittere Substanz und ergänzt dieses wunderbare Dessert so ideal. Sehr gut.

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Noch ist nicht Schluss. Ein kleines mit Mohn, Kirsche und Ziegenquark gefülltes Schälchen erreicht meinen Tisch. Hier wird's jetzt mal fast klassisch süss, doch immer noch auf einem sehr angenehmen Level. Die Kombination zeigt sich gefällig und passt zu diesem späten Zeitpunkt im Menü genau dadurch, da man sie ohne grosses Kopfkino einfach weglöffeln kann.

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Auch ein süsser Abschluss in Form von verschiedenen Petits Fours darf natürlich nicht fehlen: Entenleber, Brioche, Fenchel - Weisse Schokoladenpraline, Buttermilch, Limette - Cookie, Pistazie, Cassis und Heidelbeere, schwarze Vanille, Basilikum. Allesamt hochfein gearbeitet. Wie bei den vorherigen Süssspeisen zeigt sich auch hier nochmals eindrücklich, dass Siedl seit meinem letzten Besuch einen ordentlichen Sprung gemacht hat. Seine Desserts haben mir zwar schon immer gut gefallen, doch jetzt sind sie ausnahmslos sehr gelungen.

Wie eingangs bereits erwähnt, hat sich in Stefan Heilemanns Küche einiges getan. Zu Beginn glich das Ecco Menü verständlicherweise noch einer Art "Best Of" von Patron und Executive Chef Rolf Fliegaufs Gerichten. Mittlerweile lässt Heilemann aber klar seine eigene Handschrift erkennen. Diese ist vor allem geprägt von seiner Leidenschaft für die asiatische (und dabei speziell die thailändische) Küche. Das resultiert einerseits natürlich in anderen Zutaten die zum Einsatz kommen, zeigt sich aber auch bei den etwas leichteren Jus und Saucen, die auch mal mit sehr selbstbewusster Säure glänzen. Man kann sagen, dass die sowieso schon weltoffene Küche des Ecco nochmals ein wenig internationaler geworden ist. Doch die Grundpfeiler bleiben natürlich weiterhin bestehen: grandiose Produkte, präzises Handwerk und unglaublich gute Saucen. Es wird spannend zu sehen, wie sich Stefan Heilemanns Küche weiterentwickeln wird. Bis zu meinem nächsten Besuch darf jedenfalls nicht wieder ein Jahr vergehen.


Ecco Zürich
Döltschiweg 234
8055 Zürich
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