Ecco (Stefan Heilemann) - Zürich

Bisher haben mich meine kulinarischen Reisen weder nach Ascona, noch nach St. Moritz geführt. Von Rolf Fliegauf habe ich natürlich trotzdem bereits gehört. Im Gegensatz zu anderen hochdekorierten Köchen und Küchen, hielten mich die beiden Standorte jedoch immer von einem Besuch im jeweiligen Ecco (Ascona im Sommer, St. Moritz im Winter) ab. Umso besser, dass Herr Fliegauf, beziehungsweise sein ehemaliger Sous-Chef Stefan Heilemann, der das Ecco in Zürich als Chefkoch führt, den Weg in meine geografische Nähe gefunden hat. An diesem winterlich kalten, aber dennoch erfreulich sonnigen Sonntagmittag, mache ich mich auf den Weg ins einige Tage zuvor eröffnete Atlantis by Giardino am Rande Zürichs. Das Restaurant befindet sich im lichtdurchfluteten ersten Stock des Hotels, welcher bei meiner Ankunft um genau 12 Uhr noch leer ist. Der Weg ins Restaurant führt mich vorbei an der Bar/Lounge, in die hinterste Ecke des Gebäudes. Das Restaurant ist klassisch-elegant in hellen Pastelltönen gehalten. Der Fokus liegt trotz der offensichtlich hochwertigsten verbauten Materialien nicht auf optischer Ablenkung des Gastes, sondern darauf, dass sich ebendieser auf das Wesentliche konzentrieren kann, das Essen.
Das Stöbern in der angenehm übersichtlichen Karte begleitet ein Glas Perrier Jouët Blason Rosé, das mir bei der Entscheidungsfindung jedoch nicht hilft. Die beiden Menus, einmal 5 Gänge, einmal 8 Gänge, lesen sich beide interessant. Da ich heute keine weiteren Pläne mehr habe, entscheide ich mich nach einiger Überlegung für 8 Gänge. Mir ist nach ausschweifender Schlemmerei zumute. Darum bestelle ich auch gleich die Weinbegleitung. Ich bin voller Vorfreude auf die kommenden Stunden.

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Hühnerhautchip - Innereiencrème
Der erste Snack gibt gekonnt die Richtung vor. Er vereint Filigranität und Raffinesse mit kraftvollen Aromen und ausgezeichneten Produkten. Sehr schön.

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Kartoffelzylinder - Sauerrahm - Röstzwiebeln
Der ultradünne Kartoffelzylinder kracht beim draufbeissen, erfreut dabei meinen Gaumen sowie meine Ohren und weckt wohlige Assoziationen an gemütliche Abende. Ich empfinde die Kombination mit Sauerrahm und den intensiven Röstzwiebebeln als angenehm Rustikal. Macht Lust auf mehr.

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Rinderroulade
Die Roulade verströmt in meinem Mund eine angenehme Rauchnote. Texturell changiert dieser Happen gekonnt zwischen einer mundfüllenden Opulenz und einem angenehmen Crunch.

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Schwertmuschel - Bouchotmuschel
Die Schwertmuschel wird roh serviert und kann, wie die Bouchotmuschel auch, mit der Schale gegessen werden. Ich liebe Muscheln. Diese beiden Exemplare sind von prächtiger Qualität, so dass sie beinahe au naturel serviert werden. Eine frische Meeresbrise mitten in der Schweiz. Beeindruckendes Kopfkino mit einfachsten Mitteln.

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Kingfish geflämmt - Kingfish-Tatare
Das letzte Amuse. Die Makrele ist von makelloser Qualität. Das geflämmte Stück beinahe fleischig im Biss. Knackige, eingelegte Radieschen ergänzen die beiden Fischpräparationen um eine leicht säuerliche, "aufhellende" Komponente. Das beeindruckendste an diesem Gericht ist aber die am Tisch angegossene Kräutervinaigrette. Sie ist leicht und erfrischend. Gleichzeitig jedoch komplex und "tief" im Geschmack. Dass Stefan Heilemann lange Jahre bei Harald Wohlfahrt in der dreifach besternten Schwarzwaldstube gekocht hat merkt man dieser Vinaigrette mit jedem Tropfen an. Klassisches Handwerk in Perfektion. Ich bin begeistert.

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Malzbrot
Die Küche ist offensichtlich vom hausgemachten Malzbrot überzeugt. Viel zu selten wird nämlich in einem Restaurant dieser Klasse nur eine, dafür nahezu perfekte, Brotsorte aufgetischt. Im Ecco ist das der Fall. Das Brot ist grandios. Knusprig, aromatisch und in Kombination mit der geräucherten, aufgeschlagenen Butter ein Traum. Ich muss mich im Hinblick auf das noch nicht mal gestartete Menu zügeln, damit ich nicht alles vertilge.

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Brüggli Lachsforelle – Gurke – Austernemulsion
Der erste Gang des Menus. Lachsforelle mausert sich immer mehr zu einem meiner Lieblingsfische (siehe hier und hier). Wie bereits zuvor, muss ich auch bei diesem Gang zuerst die Qualität des Fisches erwähnen. Sushi-Grade, sozusagen. Das Product-Sourcing funktioniert im Ecco ohne Zweifel ausgezeichnet. Ich bin in diesem Moment nur schon deswegen sehr glücklich. Aber, gute Küche hört ja sehr zu meiner Freude nicht bereits beim Produkt auf. Die nur leicht gegarte Lachsforelle wird durch die erdigen, knackigen Gurken sowie der Austernemulsion in Perlenform optimal akzentuiert, steht jedoch klar im verdienten Mittelpunkt dieses Gangs. Begleitet wird dieses Ensemble übrigens von einem mir unbekannten Wein aus dem Kanton Genf: Grand'Cour Blanc der Domaine Grand'Cour, einer Cuvée aus der eher selten gesehenen Rebsorte "Kerner" sowie Sauvignon Blanc.

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Jakobsmuschel – Kohlrabi – Haselnuss
Ich liebe die Kombination von Jakobsmuschel und Haselnuss. Vor allem wenn sie so gekonnt in Szene gesetzt wird wie hier. Die Jakobsmuschel ist von hierzulande selten gesehener Güte. Zart-süsslich, mit leichten Röstaromen. Die Haselnuss ist in meinen Augen ein perfekter Begleiter. Sie hebt das delikate Aroma der Muschel durch die ebenfalls vorhandene Nussigkeit und Süsse, verhilft ihr aber ebenfalls zu mehr Komplexität. Der Kohlrabi erdet das Ganze und steuert eine angenehm knackige Textur zu diesem eher "weichen" Ensemble bei.

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Bio Eigelb „Carbonara“
Bei der Wahl meines Menus wurde ich gefragt, ob ich zu diesem Gang gerne weisse Trüffel serviert bekommen würde. Ich verzichtete. Hätte ich doch besser mal nicht darauf verzichtet. Die Aromatik dieses Gerichts ist nämlich eher zurückhaltend und etwas plump. Es fehlt an Rafinesse. Zu allem Überfluss ist das Eigelb, welches ich eigentlich "schlotzig" erwartet habe, fast durchgehend fest. Der Aggregatszustand des Eigelbs wurde freilich weder im Menu kommuniziert und auch nicht vom Service. Für mich hätte es jedoch zwingend flüssig/schlotzig sein müssen, damit dieses Gericht hätte funktionieren können. So bleiben es einfach verschiedene Zutaten auf einem Teller vereint. Schade, aber zu diesem Zeitpunkt nicht weiter tragisch.

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Atlantik Rotbarbe – Artischocke – Seeigel
Auf diesen Gang freue ich mich besonders. Als er dann endlich vor mir abgestellt wird, und zu meiner leisen Verwunderung eine Art Seeigel-Sauce angegossen wird, welche meine Nüstern in stille Extase versetzt, denk ich nur: Wir nehmen wieder fahrt auf. Und wie! Die von mir sehr geschätzte Rotbarbe ist butterzart. Die Artischocke? Knackig, angenehm bitter, dezent sauer, erdig. Die Sauce? Perfekt. Flüssiges Gold mit diskreter Süsse, das einen dazu verleitet die Augen zu schliessen und zu schwelgen. Eine aussergewöhnlich gelungene Kombination. Reduziert, intensiv, unvergesslich.

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Tiroler Rehrücken – Topinambur – Rotkohljus
Wie gut Saucen schmecken können, wurde mir schon lange nicht mehr so vor Augen geführt, wie von Stefan Heilemann und Rolf Fliegauf. Auf jedem Teller befindet sich ein wahrhaftiges Elixir. So auch hier. Der Rotkohljus (die Bezeichnung grenzt an die kulinarische Untertreibung des Jahres!) schmeckt intensiv, fruchtig, erdig, fleischig, himmlisch! Ich kann jedem Saucenfetischisten nur empfehlen, umgehend einen Tisch im Ecco zu reservieren. Die Begleiter der Sauce (so muss man den Rest des Tellers bei dieser grandiosen Flüssigkeit einfach sehen), sind ebenfalls perfekt. Der kernige, saftige Rehrücken (sowie ein Dim Sum von Reh, welches auf dem Foto nicht zu sehen ist) zeugen wiederum von nahezu perfekter Produktqualität und ausserordentlich präzisem Handwerk. Ideal umspielt werden Reh und Sauce von erdig-süssem Topinambur in verschiedenen Texturen. Die Chips sind etwas salzig geraten, was jedoch nicht auffällt, wenn man sie sich gemeinsam mit den anderen Komponenten zu Gemüte führt. Ich war schon lange nicht mehr so überzeugt von einem Hauptgang. Fabelhaft.

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Marinierte Entenleber – Grüner Apfel – Cerealien
Nach so viel Grossartigkeit, ist mir noch nicht danach zumute, den salzigen Teil des Menus bereits mit dem Käse enden zu lassen. Kurzerhand entscheide ich mich daher, noch einen zusätzlichen Gang aus dem anderen Menu zu bestellen. Ein Entscheid gegen die Vernunft und für den Genuss, der sich auszahlt. Die Entenleber-Terrine ist delikat. Das Foie-Glacé gehört zu den besseren seiner Gattung und überzeugt wie die Terrine mit feinem Leberaroma. Eingefasst sind die beiden Leberzubereitungen relativ klassisch, jedoch nicht zu süss. Der Apfel besitzt genügend Säure, um nicht in die Beliebigkeit abzudriften. Erweitert wird mein Zusatzgang durch knusprige Cerealien. Insgesamt sind die Aromen sehr gut austariert, die Texturen erzeugen ein spannendes und abwechslungsreiches Mundgefühl. Nicht der stärkste Gang an diesem Mittag, jedoch immer noch auf sehr hohem Niveau.

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Käse aus dem „JUMI versum“
Langsam beschleicht mich das unausweichliche Völlegefühl. Kein Wunder. Ob es dadurch verstärkt wird, dass mich der Käse nicht vollends überzeugt? Oder bin ich bereits zu gesättigt, um den Käse noch richtig würdigen zu können? Eher ersteres. Bis auf den Blauschimmelkäse (inklusive Blauschimmelkäse-Glacé), sowie den Cracker mit Ziegenkäse, kann ich dem Käsegang nicht viel abgewinnen.

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Joghurt - Spekulatius - Ingwer
Vor den im Menu aufgeführten Süssspreisen, schickt die Küche zuerst noch ein erfrischendes Pré-Dessert. Zu diesem Zeitpunkt ist dieses leichte und erfrischende Intermezzo genau das Richtige. Sehr gelungen.

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„Cheesecake“ – Pistazie – Sanddorn
Als sich beim ersten Löffel der Cheesecake-Eiscrème das Halbgefrorene langsam verflüssigt, legt sich ein breites und beruhigtes Grinsen auf mein Gesicht. Ich weiss, dass dieses Eis zusammen mit den nussig-erdigen Pistazien und dem erfrischend-säuerlichen Sanddorn ein grandioses Zusammenspiel entwickeln wird. Und so kommt es auch. Ein in seiner Einfachheit wirklich bestechend gutes Dessert, das keine Wünsche offen lässt.

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Mandarine – Kaffeeschokolade – Sauerklee
Mein Gaumen wird mit dem das Menu abschliessenden Dessert nochmals ein bisschen mehr gefordert. Durch den Kaffee ist die dunkle Schokolade etwas bitterer, "dunkler" und wirkt komplexer. Da die Mandarine auch eher säuerlich daher kommt und der Sauerklee grüne und vegetabile Noten ins Spiel bringt, ergibt sich in Summe kein typisch süss-fruchtiges Dessert. Es ist durchaus interessant und tadellos ausgeführt, jedoch in meinen Augen nicht ganz so auf puren Wohlgeschmack ausgerichtet, wie die restlichen Gerichte des Menus. Dennoch ein sehr gutes Dessert.

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Cassis - Quinoa - Baiser
Zum Schluss werde ich nach dem umfangreichen Menu plus Zusatzgang noch mit vier weiteren Petitessen beglückt. Als erstes widme ich mich dem Schälchen mit der eher ungewöhnlichen Zutat für eine Süssspeise, dem Quinoa. Eine sehr saure Note vom Cassis beherrscht das ganze Schälchen. Das Baiser ist zu klein portioniert, um dieser Säure entgegen wirken zu können. Eher enttäuschend und ein Anachronismus zum vorherrschenden Wohlgeschmack im Ecco.

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Bratapfel - Nussbutter - Brioche
Zurück in die Spur geführt werde ich mit Bratapfel-Nussbutter-Brioche. Hier zeigt die Brigade um Stefan Heilemann nochmals alle ihre Stärken. Süffig, süss, buttrig, crunchy, leicht, perfekt.

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Passionsfrucht Praline
Im Gegensatz zum ersten Schälchen des Friandises-Reigens, ist die Säure der Passionsfrucht in der weissen Schokopraline gut integriert. Simpel und schmackhaft.

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Trüffel
Um allen interessierten Gästen nicht auch noch die letzte Überraschung zu nehmen, schweige ich mich an dieser Stelle über den Trüffel aus...

Nach etwas mehr als drei Stunden ist mein Lunch im Ecco vorbei. Stefan Heilemann, Rolf Fliegauf und ihr Team haben mir eines der köstlichsten Menus des Jahres aufgetischt. Wie abgeklärt hier bereits in der Woche der Eröffnung gekocht wird ist eindrücklich. Die Produkte, das Handwerk, der Wohlgeschmack, alles ist von höchster Güteklasse. Mehr kann man sich als Gast eigentlich nicht wünschen. Zürich kann einen Küchenchef, der offensichtlich nach höchsten Weihen strebt, sehr gut gebrauchen. Das Ecco katapultiert sich direkt von null auf den geteilten Platz eins in der Stadt, das es sich mit Heiko Nieder's The Restaurant teilt. Ich bin beeindruckt und komme so schnell wie möglich wieder.


Ecco Zürich
Döltschiweg 234
8055 Zürich
+41 (0)44 456 55 33
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