Maison Manesse (Fabian Spiquel) - Zürich

Maison Manesse (Fabian Spiquel) - Zürich

Ja, ich gebe es zu: ich konnte den Hype um das Maison Manesse nicht verstehen. Kurz nachdem Fabian Spiquel und sein Team das begehrte Macaron des Michelin erhielten (gut sechs Monate nach Eröffnung), bin ich zum ersten Mal in das Bistro-ähnliche Hipsterlokal in Zürich Wiedikon eingekehrt. Die Küche hat mich nicht überzeugt. Zuviele Gimmicks - eigentlich zuviel von allem - nur den uneingeschränkten Wohlgeschmack, den suchte man oftmals vergeblich. Bei einem Besuch Ende 2016 (ohne Bericht) dachte ich zum ersten Mal, dass sich die Küche hier langsam aber sicher positiv entwickelt. Im vergangenen Jahr dann hat sich Spiquel eine mehrmonatige Auszeit gegönnt, um danach mit frischen Ideen eine Mini-Relaunch des Maison Manesse zu wagen. Nach seiner Rückkehr gab es fortan nicht mehr nur ein Menü, es wurden auch à la carte Gelüste befriedigt. Ein so simpler wie cleverer Schachzug, um auch eine nicht ausschliesslich nach Michelin-Weihen dürstende Klientel ins Lokal zu bringen. Zusätzlich hat man sich mit Christian Gujan einen der kompetentesten und charmantesten Restaurantleiter ins Maison Manesse geholt, der den Neustart etwas verspätet endgültig eingeläutet hat. Als ich an diesem sonnig-warmen Frühlingsabend im Restaurant eintreffe, brummt der Laden bereits, obwohl es noch relativ früh ist. Auf der kleinen Terrasse, unter den schattenspendenden Weinranken, beginnt das Dinner mit einigen Snacks...

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Die erste Kleinigkeit ist eine gepuffte Achillessehne vom Rind mit Petersilie und Kantabrischen Sardellen. Knusprig, salzig, fantastisch. Genau das Richtige zum Schaumwein.

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Noch besser ist die Miso-Schwarzwurzel mit gepickelten Totentrompeten und Meertrauben. Trotz des vorherrschenden, kräftigen Umami spielt dieser Happen einmal die sensorische Klaviatur hoch und runter. Süss, sauer, knackig, frisch, „funky“. Ein absolut grossartiger Snack, den ich gerne nochmal und dann nochmal verspeisen möchte. Spannend ist auch das Wachtelei mit Bärlauch und geräuchertem Fischpulver. Die dezente, aber präsente Knoblauchnote und das kräftig-salzige des Pulvers, das nur einen Hauch von Meer beisteuert, akzentuieren des delikate Ei perfekt. Sehr schön.

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Natürlich dürfen auch die obligaten Sechuan Buttons als Papillen-Kitzler nicht fehlen.

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Leicht gebeizter Saibling mit Erdbeeren und grünen Bohnen vom letzten Jahr, Saiblingskaviar und gepickelten Korianderblüten klingt bereits bei der Annoncierung faszinierend und weiss dann auch auf ganzer Linie zu überzeugen. Die Textur des Saiblings ist zuerst angenehm fest, am Gaumen schmilzt der Fisch dann aber förmlich dahin und geht mit seinen Begleitern eine umwerfende Marriage ein. Die Erdbeeren und die Bohnen bringen durch ihren Biss ein willkommenes, belebendes Texturelement ins Spiel und ein feines Säurespiel. Dazu die herzhaft-kühlen, aufplatzenden Rogen und die florale Komplexität der Blüten, die dem Gericht den letzten Schliff geben. Ein unfassbar wohlschmeckender Gang, der mit seinem grandios abgestimmten Aromenspiel absolut begeistert und es mühelos in meine imaginäre Hall of Fame schafft. Wow!

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Weiter geht's mit dem DIY Rindsfilet-Tartar. Das ist zwar nichts, was man noch nie gesehen haben könnte, doch die Umsetzung von Spiquel ist nicht nur optisch gelungen und bereitet Spass bei der 'Zubereitung', es schmeckt vor allem ausgezeichnet. Regelmässige Leser werden wissen, dass ich überhaupt kein Tartar Fan bin, mich aber auch immer wieder mal von tollen Versionen überzeugen lasse. Genau wie von dieser hier. Der Chef legt ein Kärtchen bei, in dem alle Komponenten benannt werden und die in Zusammensetzung sein liebstes Tartar ergeben. Doch dank DIY ist man natürlich selbst Herr über sein perfekt geschnittenes (nicht zu klein) und temperiertes (nicht zu kalt) Rind. Ich folge der Anweisung lose, mache meinen Teller aber mit Paprika- sowie Jalapeño-Öl deutlich schärfer und gebe auch noch ein paar Spritzer mehr des Whiskeys drauf. Das ergibt ein für mich zutiefst befriedigendes Konglomerat, das man so wohl nicht besser machen kann. Und ich habe sogar das Gefühl, dass ich selber zu einem sehr kleinen Teil zum guten Gelingen beigetragen habe. Solche Do-it-yourself-Sachen können gerne mal nach hinten losgehen. Doch die Mannschafft des Maison Manesse versteht es mittlerweile ausgezeichnet Spass, eine DIY-Attitüde und richtig tollen Geschmack geschickt zu vereinen. Absolut köstlich und unbedingt wiederholenswert.

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Es folgt ein 63° Ei mit Erbsen, geräucherten Pilzen und Bärlauch. Zugegebenermassen müsste hier schon relativ viel schief laufen, damit das nicht schmecken würde, schliesslich ist das eine erprobte Gewinnerkombination. Dass es dann aber so gut schmecken wird, noch dazu ohne einen Anflug von Langeweile zu versprühen, ist alles andere als selbstverständlich. Das verdankt man vor allem dem Bärlauch, der dieses herzhaft-süssliche Ensemble um eine frisch-würzige Note bereichert. Die gibt genau den letzten Kick, den es braucht, um aus einem guten einen exzellenten Gang zu machen. Wenn das so weitergeht, wird sich mein Bild des Maison Manesse bald um 180° Grad gedreht haben...

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Als kleine Erfrischung wird eine 'Rhabarberluft' serviert. Obwohl sich der Inhalt des Einweckglases bei Gaumenkontakt fast augenblicklich in Luft auflöst, schaffen es die Moleküle problemlos die Papillen zu beleben und auf den Schlussspurt frisch zu machen.

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Nach dem kleinen Intermezzo folgt nun Zander mit grilliertem Mönchsbart, Rhabarber und Dill. Ich hege die leise Befürchtung, dass der delikate Fisch von den intensiven Begleitern zu erschlagen werden droht. Aber glücklicherweise liege ich damit komplett daneben. Dadurch, dass der Fisch kräftig angebraten wurde, kann er dem Ansturm der Aromen standhalten. Der salzige, angenehm bittere und von kräftigen Röstaromen geprägte Mönchsbart fungiert gemeinsam mit dem hocharomatischen Dill als herb-erdige Unterlage für den Zander. Der Rhabarber auf der anderen Seite stellt sich der Wuchtigkeit durch seine prägnanten Säurespitzen standhaft entgegen und bringt die dringend benötigte Auflockerung auf den Teller. Es kann so einfach sein. Vier Elemente für ein Hallelujah!

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Als Hauptgang serviert Fabian Spiquel eine 45 Stunden gegarte Kalbsschulter mit Cima di Rapa, Taggiasca-Oliven, Basilikumöl, fermentiertem Stangensellerie, Kalbsmilken und Kalbsjus. Wie das nur schon duftet! Butterzartes Fleisch, das überraschend aromatisch ist, und dessen Geschmack durch die herrlich tiefe, klebrige Jus und die Milken zusätzlich verstärkt wird. Vor allem letztere erweisen sich als clevere Beigabe. Da das Bries sehr klein geschnitten und dann gebraten wird, bekommt man die ultimative Knusprigkeit geboten, die man von diesem fantastischen Produkt haben möchte. Der Fleischeslust wird ein Trio von herb-bitteren Elementen entgegengestellt, das dem Gericht eine gewisse Leichtigkeit verleiht und eine knackig-frische Textur auf den Teller bringt. Abgerundet wird das Ganze durch einige Tropfen des sehr potenten Öls, dessen Einsatz das Geschmacksspektrum unerwartet passend erweitert. Verblüffend gut.

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Trotz bereits beträchtlichem Sättigungsgrad kann ich auf die Schweizer Käseplatte mit Chutneys nicht verzichten. Was für Homer Simpson der Donut ist, ist für mich eine Käseauswahl. Mhhh....

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Etwas ungewöhnlich mutet im ersten Moment das Minze-Granité mit Sojajoghurtschaum an. Doch das oftmals 'muffige', das Sojajoghurt hierzulande kennzuzeichnen scheint, ist hier nur entfernt schmeckbar. Vielmehr erweist sich die etwas vollere Cremigkeit gegenüber einem regulären Joghurt und die leicht dumpfe Note als perfekter Partner für das die Nüstern durchpustende Granité.

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Eine weitere wirklich süsse Idee wird als Hauptdessert präsentiert: ein Coupe Maison für 2 Personen. Das erinnert an erste Dates und den Beginn eigener und geteilter kulinarischer Erfahrungen. Spiquels Version des Dessertklassikers besteht aus Weisser Schokolade-Kokosnuss-Glacé, Caipirinha-Sorbet, kandierter Yuzu, Zitronenmeringues, Buttercrumble, Mandel-Kokosnus-Kuchen und einer Dillmilch. Die Zusammenstellung klingt zwar ein bisschen wild, ist aber absolut schlüssig und vor allem köstlich. Die üppige, mundfüllende Reichhaltigkeit des Glacé und der hohe Zuckerlevel werden vom Sorbet und der Yuzu schön ausgeglichen, so dass eine perfekte Balance herrscht. Als i-Tüpfelchen sorgt der Dill für einen unerwarteten und gelungenen Twist. Sehr gelungen.

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Kurz vor Schluss landet ein flammenzüngelnder Teller auf den Tisch, der einen alten Bekannten mitbringt: den DIY Marshmallow. Immer wieder ein Spass ein bisschen im Maison Manesse zu grillen.

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Auch ein Petit Four darf natürlich an diesem Abend nicht fehlen.

Wie eingangs erwähnt, hat sich bei einem Essen im Maison Manesse vor etwa eineinhalb Jahren bereits angedeutet, dass sich Spiquel und seine Mannschafft in die richtige Richtung bewegen. Nach seiner Auszeit und der Konzeptänderung hat die Küche hier nun endgültig in die Spur gefunden und liefert durchgehend ab. Die Gerichte sind teilweise immer noch ungewöhnlicher als andernorts, auch auf den für das Haus enorm wichtigten Spassfaktor wird nicht verzichtet, jedoch nicht mehr auf Kosten des Wohlgeschmacks. Die Gerichte des heutigen Menüs waren alle durchdacht, kamen relativ reduziert daher und aromatisch geradlinig. Es scheint, als habe sich Spiquel genug ausgetobt und als ob er nun voll fokussiert darauf ist, den Gästen das bestmögliche Esserlebnis zu bieten. Das schaffen sein Team und er nun teilweise auf begeisternde Art und Weise. Als letztes Mosaiksteinchen konnte Gastgeber Christian Gujan gewonnen werden. Seine kompetente, dabei stets lockere und lustige Art passt hervorragend zum Stil des Hauses und ist die finale tolle Bereicherung, die das Erlebnis Maison Manesse komplettiert. Und dank der Möglichkeit nun auch à la carte speisen zu können, ist das Publikum noch bunter gemischt als es sowieso schon immer war. Wer möchte schon nicht hier einkehren, wenn man sich zum Beispiel drei Mal hintereinander den fantastischen Saibling bestellen und dabei gemütlich ein, zwei Gläschen trinken kann? Egal ob weitgereister Foodie oder interessierter Nachbar, für das Maison Manesse gilt eine Besuchspflicht. Denn so gut wie im Moment konnte man hier noch nie essen.


Maison Manesse
Hopfenstrasse 2
8045 Zürich
Schweiz
+41 (0)44 462 01 01
Website


Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Informationen zu unserem Umgang mit Pressekonditionen findest du in den FAQ.