Bianc (Matteo Ferrantino) - Hamburg

Bianc (Matteo Ferrantino) - Hamburg

Kurz nachdem ich in der zweifach besternten Vila Joya ein fantastisches Mahl genossenhabe (zum Bericht), lese ich, dass sich der ehemalige Küchenchef Matteo Ferrantino mit Hilfe eines Investors in Hamburg selbständig macht. Da trifft es sich natürlich super, dass ich gerade meinen ersten Trip in die Hansestadt plane und mir kurz nach der Eröffnung des 'Bianc' genannten Restaunts beim Lunch ein Bild der Küche des aus Apulien stammenden Chefs machen kann.
Deshalb schwinge ich mich bei trübem Sonntagsregenwetter samt Gepäck ins Taxi, damit ich vor dem anstehenden Heimflug nach Zürich in der Hamburger HafenCity noch ein bisschen kulinarische Sonne abbekomme. Sobald man durch die unscheinbare Glastüre eingetreten ist, sieht und fühlt man, dass sich hier jemand viele Gedanken gemacht hat. Warmes Holz, ein intelligentes Lichtkonzept, ein fast deckenhoher Olivenbaum, alles wirkt stimmig und wertig. Ein Ort, an dem man es sich definitiv für einige Stunden gutgehen lassen kann. Genau das ist mein Plan. Deshalb geht's auch ohne weitere Umschweife los.

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Los geht's mit einer säurebetonten und herrlich erfrischenden Granny-Smith-Gazpacho und etwas geschmacksarmen Radieschen mit Büffelbutter.

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Es folgt ein Quartett von Snacks. Zuerst widme ich mich dem Rindertatar mit Aioli, das schön abgeschmeckt und optimal temperiert ist. Das Hähnchen Piri-Piri ist für meinen Geschmack etwas zu lasch, trotz der eigentlich scharfen Würze, und ich frage mich, warum man diesen Happen kalt serviert. Ungleich besser ist Macaron von Entenleber und Mango. Perfekte Proportionen und sehr delikat gearbeitet. Der geräucherter Aal mit Reis und Brokkoli weiss ebenfalls zu überzeugen und sorgt für eine Ladung mundfüllendes Umami. Ausgezeichnet!

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Lirio, Blumenkohl und Salzzitrone gibt nun den Startschuss ins eigentliche Menü. Der Fisch, auch Augenstreifen-Bernsteinmakrele genannt, ist von exzellenter Qualität, genau richtig geschnitten (nicht zu dünn) und schafft es so, sich trotz der übermächtig erscheinenden Begleiter geschmacklich zu behaupten. Denn die Salzzitrone und auch die unterschiedlichen Kohlzubereitungen bringen ordentlich Wucht mit. Dabei erweist sich gerade die Zitrone als tragendes und zusammenführendes Element, das angenehm intensiv ist, ohne dabei alles andere zu überlagern. Ein starker Auftakt.

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Ebenfalls ausgezeichnet ist der Thunfisch mit Artischocke, grünen Oliven, Anchovis und Kapern. Die kräftigen Bitternoten des Korbblütlers und der Oliven - die hier als wahrlich betörende Essenz zum Einsatz kommen, die mir fast den Atem verschlägt -, gepaart mit der belebenden Säure der Kapern und der prägnanten Salzigkeit der Sardellen fungieren als kräftige Unterlage für den Thunfisch. Ähnlich wie beim Gang zuvor scheint die Einfassung im ersten Augenblick zu ausdrucksstark für den delikaten Fisch zu sein, doch abermals zeigt sich das Geschick der Küche beim Schnitt, der neben der exzellenten Produktqualität zum guten Gelingen beiträgt. So langsam aber sicher bin ich richtig beeindruckt und noch gespannter als zuvor, was die kommenden Gänge bringen werden.

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Weiter geht's mit Kabeljau mit mediterraner Minestrone und Koriander. Dieses Gericht kommt mir sehr bekannt vor, da ich einige Monate zuvor  eine 'portugiesische Version' davon - an Ferrantinos vormaliger Wirkungsstätte - in der Algarve gegessen habe. Dort war die Suppe eine 'Caldeirada' statt der hier verwendeten Minestore, ansonsten ist das Gericht zum Verwechseln ähnlich. Doch im Gegensatz zur Version in der Algarve, weiss die italienisch inspirierte Interpretation nicht so zu überzeugen. Die Würzung ist etwas zu schlapp ausgefallen, der Minestrone fehlt es an Komplexität, um den Teller tragen zu können. Das schmeckt zwar immer noch gut, ist jedoch nicht in denselben hohen Regionen anzusiedeln, wie die bisherigen Gerichte.

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Das kann man vom Spanferkel mit Chorizo und Oktopus nicht behaupten, denn dieses unscheinbare Ensemble bläst mich fast vom Stuhl. Und das weniger wegen des saftig-knusprigen Schweinebauchs oder des tollen (wenn auch zu lange gegarten) Tintenfischs, nein, hier ist die Chorizo der absolute Star. Ferrantino macht daraus einen sinnebenebelnden Sud, der so unglaublich komplex ist und eine füllige Tiefe hat, die einem den Atem verschlägt. Doch damit nicht genug, denn auch die unscheinbaren zwei Scheiben der Wurst auf einem Stück knusprigem Brot sind so unglaublich gut, dass ich mich alleine dafür jederzeit zu Fuss auf die Reise nach Hamburg machen würde. So simpel und so köstlich. Wow!

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Während ich immer noch der Chorizo nachträume, was ich anscheinend eine ganz Weile getan habe, wird der Hauptgang serviert. Moment. Hauptgang? Jetzt? Ich habe noch Lust auf mehr! Bevor ich überhaupt anfange das Kalb mit Sellerie, Linsen und schwarzem Trüffel zu vertilgen, frage ich nach, ob man vor dem Dessert nicht noch einen zusätzlichen Gang einschieben könnte. Sehr zu meiner Freude kann man. So isst es sich gleich viel gemütlicher, wenn der Nachschub gesichert ist. Aber zurück zum Wesentlichen, dem tadellosen ersten Hauptgang. Der bewegt sich nicht in den Sphären anderer Highlights dieses Lunchs, ist aber gut zubereitet und weiss trotz nicht allerfrischester Trüffeln zu gefallen. Insgeheim hoffe ich aber, dass die Mannschaft mit dem Überraschungsgang noch mächtig einen drauflegt...

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... und das tut sie mit der Ente mit geräucherter Aal, Linsen und Lardo in der Tat! Und zwar mit einem zweiten Hauptgang, der sich stark vom bisher gezeigten unterscheidet. Denn diese Kombination ist im besten Sinne deftig und kommt irgendwie ungeschliffen daher. Eine richtige Geschmacksbombe, die sich nicht lange mit den Feinheiten des Lebens aufhält (obwohl es technisch absolut tadellos gekocht ist), sondern einfach nur in grossen Bissen vertilgt werden will. Umami, Umami und noch mehr Umami ist hier das Stichwort. Dass die Sauce und die Linsen dieselben sind wie zuvor, geschenkt. Es schmeckt einfach viel zu gut, als dass man auf sowas noch rumreiten könnte. Das ist Soulfood höchster Güteklasse.

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Ziegenjoghurt mit Pflaume und Foie Gras ist ein würziges, erfrischendes Pré-Dessert, das zeigt, dass man hier durchaus nicht nur die mediterrane Schiene fährt, sondern auch in andere Regionen schielt. Sehr lecker.

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Noch ein ganzes Stück besser ist die Schokolade mit Mascarpone, Birne und Erdnuss. Bei der Kombination von Schokolade und Erdnuss kommt einem natürlich als erstes ein weltbekannter Snackriegel in den Sinn, in dessen Werbeclips schon Aretha Franklin und 80er Jahre TV-Ikone Mr. T auftauchten. Pâtissier Tiago Almeida vermeidet aber gekonnt die klebrige Süsse und die Schwere des Vorbilds. Das gelingt einerseits durch den Einsatz der Mascarpone, die zwar über viel Substanz verfügt, aber dennoch relativ leicht wirkt und durch die Birne, die mit ihrer Fruchtigkeit einen wichtigen Kontrapunkt setzt und dieses Dessert perfekt komplettiert.

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Die Petits Fours bestehen aus drei Pralinen: Tarte Tatin, Salzkaramell und Mandel. Abgesehen von der Tarte Tatin weiss keine dieser schokoüberzogenen Kleinigkeiten zu überzeugen. Wie ich später herausfinde, handelt es sich bei diesen um fertig eingekaufte Stücke der Firma Valrhona, die aber mittlerweile durch hausgemachte Friandises ersetzt wurden (mein Besuch war in der Woche nach der Eröffnung.)

Es ist mit das Schönste, wenn mich ein Essen zu überraschen vermag. Positiv zu überraschen natürlich. Genau das haben Matteo Ferrantino und sein Team heute auf beeindruckende Art und Weise geschafft. Die Küche des Bianc ist grösstenteils intensiv und kräftig, mehr modern als klassisch, die Geschmäcker oftmals vertraut und doch auch neu, meistens leicht aber auch mal etwas derber. Das Handwerk ist fast immer makellos, die Produkte ebenfalls von exzellenter Qualität (ausser die Radieschen und die Trüffeln) und die Kompositionen stimmig, teilsweise sogar begeisternd. Nach diesem Besuch so kurz nach der Eröffnung und dem sehr hohen Niveau, muss man damit rechnen, dass sich das Bianc sehr schnell in die Elite Hamburgs kochen kann und wird. Was dem Restaurant neben der hohen Qualität zusätzlich zugute kommt: niemand im Norden kocht diese Art von Küche auf vergleichbarem Niveau. Das alleine sollte für volle Tische sorgen. Ich werde bei meinem nächsten Trip in die Hansestadt hoffentlich wieder hier einkehren können um ein weiteres Mal begeistert zu werden.


Bianc
Am Sandtorkai 50
20457 Hamburg
Deutschland
+49 40 18119797
Website


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