Jacobs Restaurant (Thomas Martin) - Hamburg
Jacobs Restaurant (Thomas Martin) - Hamburg
Mein erstes Mal in Hamburg und Deutschlands zweitgrösste Stadt zeigt sich gleich von ihrer ungemütlichsten Seite. Der Empfang ist geprägt vom anscheinend typisch norddeutschen "Schietwetter". Es regnet, es schneit, der eiskalte Wind pfeifft mir um die Ohren, alles ist grau, nass und kalt. Trotz des sehr bescheidenen Wetters bleibt mir der Charme der Stadt nicht verborgen und wirkt auch auf der S-Bahn-Fahrt von der Stadtmitte in Richtung des noblen Elbvorortes Nienstedten weiter. Mein Ziel ist das altehrwürdige Fünf-Sterne-Hotel Louis C. Jacob, das eines der renommiertesten Restaurants der Stadt beherbergt, das zweifach besternte Jacobs. Einmal angekommen werde ich sofort von der gemütlichen, behaglichen Atmosphäre des Hotels in Beschlag genommen. Alte Teppiche säumen den Holzboden, vieles sieht auf positive Weise etwas in die Jahre gekommen aus. Man fühlt sich nicht wie in einem typischen Fünf-Sterne-Hotel, sondern eher als ob man bei einem wohlhabenden nordischen Aristokraten zu Besuch ist. Das Jacobs bietet durch die deckenhohen Fenster einen herrlichen Blick auf die Elbe und strahlt mit seinem alten Holzfussboden, der zurückhaltenden Farbgestaltung und den beiden riesigen Kronleuchtern eine leicht angestaubte, aber höchst charmante Grandezza aus.
Chef am Herd des Jacobs ist der gebürtige Mannheimer Thomas Martin, den es nach Stationen bei Lothar Eiermann in Friedrichsruhe und in Eckart Witzigmanns Aubergine 1997 in die Elbstadt verschlagen hat, wo er seither für die kulinarischen Geschicke des Flaggschiffrestaurants verantwortlich ist.
Nachdem ich bei einem Glas Krug Rosé etwas in der Karte gestöbert habe, entscheide ich mich für das grosse Menü und erweitere es um einen Gang. Das Jacobs gefällt mir jetzt schon. Geräumig, gemütlich, unaufgeregt. Sogar das Wetter draussen ist plötzlich seltsam passend, wenn man es sich mit Blick auf den langsam treibenden Fluss von der warmen Stube aus anschauen kann. So weit, so gut. Mein Magenknurren erinnert mich daran, dass ich nicht wegen der Aussicht hier bin. Der kulinarische Teil des Mittags kann beginnen.
Als Amuse Gueule schickt die Küche Forellenkaviar mit Rettich, Chips und Sour Cream. Kühl, cremig, knusprig, knackig - eigentlich sind alle Zutaten für einen gelungenen Einstieg da, doch ein Funke will noch nicht so recht überspringen. Vielleicht trifft es in diesem Moment auch einfach nicht ganz meinen Geschmack, da ich mich eher nach etwas warmem sehne. Ich bin etwas unschlüssig, was ich davon halten soll. Das war's auch schon mit den Grüssen aus der Küche.
Das Menü startet ganz klassisch mit einer Foie gras Komposition. Martin kombiniert ein Entenleberparfait mit Quitte, Rooibos, Macadamia und Honigbrot und schafft damit eines der gelungensten kühlen Leber-Gerichte, das ich in jüngerer Vergangenheit gegessen habe. Die gehaltvolle Foie wird durch die süss-säuerliche Quitte sowie die Nüsse und das Honigbrot relativ konventionell eingefasst, erhält aber durch den Roiboos einen gelungenen Twist. Der bringt nämlich eine willkommene Bitterkeit sowie eine leicht mystische Note ins Spiel und macht so aus einem tadellosen, aber eher biederen Allerweltsgericht, einen richtig guten Gang.
Dem französischen Auftakt folgt ein Exkurs nach Japan. Mild geräucherter Hamachi mit Reisessig, Dashi und Algentapioka ist ein Gericht, wie man es heutzutage auf so vielen Speisekarten findet - und das oft enttäuscht. Nicht so im Jacobs, denn die Küche hier weiss offensichtlich, was sie macht und vermeidet jegliche Stolperfallen. Der Fisch ist von guter Qualität, akkurat geschnitten, nur sehr zurückhaltend geräuchert und optimal temperiert (nicht kalt!). Die Begleiter sind sehr dezent und ausschliesslich dazu da, die Gelbschwanzmakrele zu akzentuieren. Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere Gast hier gerne zum Salztöpfchen greifen würde. Doch genau in dieser zurückhaltenden Würzung liegt die Spannung dieses Gerichts. Es will vorsichtig erkundet werden und man soll sich ohne Ablenkung an der gebotenen Qualität erfreuen. Sehr schön!
Nun folgt mit der Französischen Zwiebelsuppe der von mir gewünschte, zusätzliche Gang. Zur Suppe gesellt sich eine Schmelzzwiebel, ein Crouton sowie Gruyère. Nur schon der Duft, der vom Teller aufsteigt, rechtfertigt den Einschub. Absolut betörend. Der Geschmack steht dem Duft in nichts nach. Diese Suppe, ein wahrhaftiges Elixier, hat eine unheimliche Dichte, ist dabei leicht, fast schon ätherisch und perfekt ausbalanciert zwischen zwieblieger Süsse und belebender Säure. Wow! Ähnlich wie beim Gang zuvor haben die Mitspieler auch in diesem Fall nur eine Aufgabe: den Star im Rampenlicht glänzen zu lassen. Und genau das tun sie auch. Ein grandioses Gericht, für das ich jederzeit wieder nach Hamburg reisen würde.
Kalbskopf und Flusskrebse mit Krustentierschaum, Gurke und Meerrettich kann da nicht mithalten. Irgendwie lässt die gedrungene Präsentation bereits erahnen, dass das Ganze nicht so rund daher kommt, wie es wünschenswert wäre. Zwar sind alle Komponenten handwerklich gut gemacht, jedoch will sich auch nach mehreren Gabeln und verschiedenen Zusammenstellungsversuchen kein richtig harmonisches Bild ergeben. Mal dominiert der Kalbskopf zu stark, dann kommt die etwas überdimensionierte Gurke einem sensorischen Einklang in die Quere. Auch die Krebse können sich eigentlich gar nie wirklich hervortun. Die Proportionen der einzelnen Elemente lassen ein genussvolles Schlemmen einfach nicht zu. Schade um die an und für sich stimmige Idee.
Stimmig komponiert und ausgezeichnet umgesetzt ist das Filet vom Nordsee-Steinbutt mit Champagner-Beurre blanc, überbackenem Lauch und Kartoffelschnee. Die ansehnliche Tranche des Butts ist von guter Qualität, akkurat gegart und profitiert aromatisch von den präsenten Röstaromen. Diese schlagen die Brücke zum Lauch und den Kartoffeln, die einen Hauch Süsse und Substanz auf den Teller bringen. Der eigentlich Star hier ist aber eindeutig die Beurre blanc. Beim ersten Probieren irritiert sie noch ein wenig durch die sehr harsch wirkende Säure, doch die legt sich bereits beim zweiten Bissen. So ist die Sauce für sich genommen bereits ausgezeichnet, in Kombination mit Fisch und Gemüse entfaltet sie jedoch erst ihre gesamte Pracht. Puristisch, klassisch, dabei leicht und vor allem ausgezeichnet.
Weiter geht's mit Charolais-Ochenschulter mit Cipolle und Risotto Milanese. Risotto sieht man mittlerweile nur noch sehr, sehr selten auf den Speisekarten von besternten Etablissements. Zu schwer, zu altbacken ist wohl oft das Verdikt. Dass das nicht so sein muss, zeigt Martin eindrücklich. Das Risotto als fluffig zu bezeichnen würde etwas zu weit gehen, doch es ist so leicht, wie ein Risotto nur sein kann. Die mundfüllende Umami-Opulenz ist trotz der Leichtigkeit da, der Reis hat einen perfekten Biss. Ein beeindruckend gutes Risotto. Das butterzarte Fleisch passt dazu wie die Faust aufs Auge, die tiefe Jus bringt zusätzliche Wucht und willkommende Komplexität ins Spiel. Klasse. Sogar die etwas verloren aussehenden Zwiebeln, das Mark und die Tomate möchte ich nicht missen, da sie das Gericht sinnvoll erweitern. Grosse Klasse!
Die kann man dem Hauptgang rosa gebratener Rehrücken mit Waldpilzen, Birne, Rosenkohl und Pinienkernpüree nicht attestieren. Der arme Rehrücken ging durch eine Sous-vide Behandlung, die dem Fleisch nicht gut bekommen ist. Es hat eine pampige Textur, ist unangenehm weich und wird am Gaumen zu einem Mus. Doch damit nicht genug. Denn in der Mitte der Birne befindet sich eine geräucherte Crème, die man nicht anders als penetrant bezeichnen kann. Nur eine Messerspitze davon legt sich so unangenehm intensiv über alle sensorischen Kanäle, dass an ein weiteressen nicht mehr zu denken ist. Grundsätzlich bin ich kein Freund von drastischen Worten bei der Beschreibung eines Gerichts, doch in diesem Fall bleibt mir leider nicht anderes übrig, als es als kompletten Reinfall und schlicht ungeniessbar zu bezeichnen.
Da kommt der stylische Christofle Käsewagen, bestückt mit dem Besten was mein Lieblings-Affineur Bernard Antony zu bieten hat, genau richtig. Ausgezeichnete Produkte, die Nase und Gaumen gleichermassen erfreuen und mich den Hauptgang fast augenblicklich vergessen lassen.
Nun wird eine dampfend heisse, karamellisierte Altländer Apfeltarte an meinen Tisch gerollt, deren süsslich-molliger Geruch mich sofort einlullt. Ein Stückchen davon landet zusammen mit einer Crème Chantilly sowie einem Apfeleis auf einem Teller. Die Tarte ist in meinen Augen absolut perfekt. Krachend-knuspriger Teig, die fruchtige, süss-säuerliche Füllung, zarte, leicht karamellisierte Apfelstücke. Dazu die süsse, reichhaltige Crème und das kühlende Eis. Verdammt, ist das gut! Einen gelungeneren Menüabschluss kann ich mir in diesem Moment nicht vorstellen.
Im selben Look wie der Käsewagen kommt auch der üppig bestückte Dessertwagen daher. So hübsch präsentiert lasse ich mir doch gerne noch zwei, drei der ausgezeichneten und sehr liebevoll gearbeiteten Petits Fours empfehlen.
Was war das für ein entspannter, schöner Mittag. Thomas Martins Kreationen punkten vor allem dann, wenn die klassische Schule erkenn- und schmeckbar ist. Der Steinbutt, das Risotto oder die umwerfende Suppe zeigen, warum über dem Restaurant zwei Sterne leuchten. Den Hauptgang würde ich an dieser Stelle einfach mal als einen Unfall taxieren, der es eigentlich nicht auf den Tisch hätte schaffen dürfen, doch abgesehen davon war es ein in grossen Teilen exzellentes Menü mit mindestens einem veritablen Höhepunkt.
Die Atmosphäre im Jacobs ist gemütlich, der Service unaufgeregt und charmant. Zum guten Gelingen trägt auch die exquisite Weinbegleitung von Torsten Junker bei. Alles in allem bieten sich mehr als genug Gründe ins Jacobs einzukehren um einige genussreiche Stunden zu verbringen. Ich werde mit Sicherheit wiederkommen.
Jacobs Restaurant
im Hotel Louis C. Jacob
Elbchaussee 401-403
22609 Hamburg
Deutschland
+49 04 822 550
Website
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