Alma (Henrique Sá Pessoa) - Lissabon

Alma (Henrique Sá Pessoa) - Lissabon

Lissabon hat sich in den letzen Jahren zu einem absoluten Touristen-Hotspot entwickelt. Kein Wunder, ist Portugals Hauptstadt doch eine der sehenswertesten Städte Europas. Sei es Architektur, Musik, Geschichte, Fussball, das Meer, gutes Wetter, tolles Essen, exzellente Weine - die grösste Stadt des Landes bietet all das und noch viel mehr. Auch der Guide Michelin scheint Portugal für sich entdeckt zu haben und so konnten sich in jüngerer Vergangenheit immer mehr Restaurants über einen Stern freuen. Dazu gehört seit der 2017er Ausgabe des Spanien & Portugal Guides auch das 'Alma' im zentral gelegenen Stadtteil Chiado. Mastermind hinter der Alma-Küche ist der in Portugal, aufgrund seiner TV-Shows und Kochbücher, äusserst populäre Henrique Sá Pessoa. Der umtriebige Chef hat unter anderem in der Küche von Santi Santamarias Evo, im ehemals "besten Restaurant der Welt" El Celler de Can Roca in Girona und auch im Tippling Club in Singapur den Köchlöffel geschwungen, bevor er 2009 sein erstes eigenes Restaurant eröffnete. 2015 erfolgte der Umzug an die heutige Location. Um Einlass in das unscheinbare Gebäude mit den vergitterten Fenster zu erhalten, muss man, wie in Lissabon durchaus üblich, zuerst klingeln. Einmal drin bietet sich ein ganz anderes Bild, als man es von aussen erwarten würde. Hohe Decken, alte Gemäuer, gepaart mit warmem Holz, ein riesiges mit Weinflaschen bestücktes Regal und zahlreichen weiteren gelungen "Accessoires". Fürs Auge wird schon mal ordentlich was geboten. Mein Tisch befindet sich in einem Nebenraum, der einem langen Schlauch gleicht. Auch wenn die Tische eher wie einem Bistro zusammengepfärcht sind, hat es Charme und ist gemütlich. Ich bekomme heute einen Einblick in zwei Menüs. Die Gerichte des "Costa a Costa" Menüs widmen sich dem Meer und seinen Schätzen, das Menü "Alma" beinhaltet die Lieblingsgerichte des Chefs. Noch kurz mit dem charmanten und kundigen Sommelier Gonçalo Patraquim eine passende Flasche auswählen, die den Abend begleiten soll (es wird der exzellente 'Branco Especial' von der Quinta Dos Carvalhais aus dem Dão), dann kann es losgehen.

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Den Start machen eine Austern-Tapioka-Chip mit Mayonnaise sowie eine Gazpacho. Vor allem der Chip ist fein gearbeitet und schmeckt erstaunlich intensiv nach Meer. Das kalte Süppchen erfrischt nach dem salzigen Chip.

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Ein Stück Kabeljau mit Koriander, Olivenöl und Tomate ist an und für sich stimmig umgesetzt, jedoch fehlt es dem Fisch an Geschmack. Nun ist der Kabeljau sicher nicht der geschmacksintensivste Fisch den es gibt, doch bessere Exemplare als dieses kann man durchaus bekommen. Viel besser ist das perfekt saftige und delikat-knusprige Paprika Tempura mit einem rauchigen, leicht scharfen Dip.

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Garnele mit Himbeere und Limette ringt mir ein kurzes Stirnrunzeln ab, funktioniert aber in Kombination erstaunlich gut. Leider leidet dieses Schälchen am selben Problem wie der Kabeljau zuvor, ein wirkliches Topprodukt ist der Hauptdarsteller nämlich nicht. Sehr ungewöhnlich in Portugal.

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Beim letzten Gruss aus der Küche, einer marinierten Jakobsmuschel mit Guacamole und Quinoa, fehlt der Muschel leider die typisch maritime Süsse, die die besten Exemplare auszeichnen. So geht die Molluske in der relativ säuerlich abgeschmeckten Guacamole unter. Der Quinoa soll hier wohl bestenfalls als Texturgeber fungieren, denn sensorisch kann sich das Fuchsschwanzgewächs nicht hervortun.

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Den Auftakt des 'Costa a Costa' Menüs machen Sardinen mit Aubergine, gerösteter Paprika, Brot Crisps und geräucherte Paprika Mayonnaise. Hier wird endlich mal die Fischqualität auf den Teller gebracht, für die Portugal so berühmt ist. Das wie ein Sandwich aufgebaute Gericht ist eine richtige Geschmacksbombe, die am Gaumen aber fast schon ein wenig überfordernd wirkt. Vor allem weil ein saurer Gegenpol zum vielen Umami und Fett fehlt. Insgesamt gesehen ist das dennoch schmackhaft, doch wirklich rund ist das nicht.

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Das Menü 'Alma' wird mit glasierten Karotten, Ziegenkäse, Bulgur mit Trockenfrüchten und Kümmelöl eröffnet. Sieht aus wie eine leicht gepimpte Version eines Taboulé, schmeckt aber leider ganz ordinär. Klar, das ist ordentlich gearbeitet, die einzelnen Elemente sind allesamt rauszuschmecken und der Gesamteindruck ist, wie bei den Sardinen zuvor, ganz in Ordnung. Doch im Gegensatz dazu ist hier kein wirklich exzellentes Produkt verarbeitet worden. Und mit einem Stern hat das erneut nicht viel zu tun.

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Weiter geht's mit Tintenfisch, Kichererbsen, konfierten Tomaten, Mangold und Tintenfischbrühe. Als erstes fällt auf, dass die Tintenfische in der Brühe sehr gummig sind und sehr wenig Geschmack besitzen. So langsam aber sicher wundere ich mich wirklich, wo Sà Pessoa wohl seine Produkte bezieht, denn solch neutral schmeckende Tintenfische sind mir auf meinen zahlreichen Reisen durch Portugal noch nie vorgesetzt worden. Zusätzlich zum Tintenfischproblem wird das Gericht komplett von den Kichererbsen dominiert und so ist von den allfällig schmeckbaren weiteren Aromen nichts mehr auszumachen.

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Dass es auch besser geht als bei den ersten drei Gängen zeigt ein Stück gebratene Foie Gras mit Apfel, Müsli, Mandel und Kaffee. Die Leber ist üppig portioniert, qualitativ ausgezeichnet, dazu perfekt gebraten und dadurch von wunderbarem Schmelz. Der süss-säuerliche Apfel ist eine logische Ergänzung zur Foie, genauso wie das knusprige Müsli und die subtil süssen Mandeln. Mit der Beigabe von etwas Kaffee bringt die Küche sogar einen Twist auf den Teller, der das Ensemble mit seinen kräftig-herben Noten äusserst spannend ergänzt und so aus einem guten ein ausgezeichnetes Gericht macht. Es geht doch!

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Gerösteter Oktopus mit Romesco Salsa, Kartoffelschale, Kapern und geräucherter Paprika liegt zumindest ansatzweise noch in den Sphären des Vorgängers und glücklicherweise weit über dem Niveau der ersten Teller. Der Oktopus ist von guter Qualität und relativ zart, wird von der würzigen, ganz dezent scharfen Romesco schön komplementiert. Die Kapern bringen die benötigte Säure auf den Teller, während die frittierten Kartoffelschalen einen schönen Crunch beisteuern. Lediglich die geräucherte Papika kann ich nicht ausmachen. Das ist sicher kein unvergessliches Gericht, aber nach dem holprigen Start nun das zweite mehr als annehmbare Gericht in Folge. Immerhin...

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Mit der Açorda mit roter Garnele, Meersalat und Zitronengras Bisque folgt einer der portugiesischen Küchenklassiker in abgewandelter und modernisierter Form. Die Açcorda, eigentlich eine gehaltvolle Brotsuppe und eines der Nationalgerichte Portugals, kann ich nicht wirklich rauschmecken. Neben den guten, wenn auch nicht exzellenten, Gambas nehme ich nur noch den entfernten Duft von Zitronengras wahr. In seiner reduzierten Art finde ich diesen Teller eigentlich sehr ansprechend, doch da erneut weder die Hauptdarsteller vollumfänglich überzeugen, noch die Begleitung wirkliche Akzente zu setzen vermag, bleibt es wieder nur beim guten Versuch.

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Ohne grosse Spielereien und relativ klassisch umgesetzt kommt der erste Hauptgang daher. Auch beim Spanferkel mit Süsskartoffelpüree, Pak Choi und Orange handelt es sich um ein ikonisches Gericht des Landes und scheinbar weiss Sá Pessoa, dass er zumindest hier nicht allzu sehr am Grundgerüst rütteln sollte. Oder vielleicht ist ihm auch einfach nichts dazu eingefallen. Wie dem auch sei, diese bewährte Kombination weiss zu überzeugen. Das Zusammenspiel von fettem Schwein mit knuspriger Schwarte und der süss-sauren Orange gefällt, das Grünzeug bringt etwas Bitterkeit ins Spiel und sorgt für ein kleines zusätzliches Texturspiel, während das Pürée sättigt. Nur für den Fall, dass jemand zu diesem Zeitpunkt wirklich noch hungrig sein sollte. Insgesamt ist das alles ganz gut, aber mit der Version eines José Avillez (zum Bericht) beispielsweise, kann das hier nicht mithalten.

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Der herzhafte Teil des Menüs wird mit gedämpftem Papageienfisch von den Azoren und Muschelreis „Bulhão Pato“ abgeschlossen. Auch hier greift die Küche wieder auf ein kulinarisches Nationalheiligtum zurück, benannt nach dem Poeten Raimundo António de Bulhão Pato, bei dem Venusmuscheln und jede Menge Koriander die Hauptrolle spielen. Ergänzt wird das intensive Gemisch durch den Papageienfisch sowie Reis, der im Bulhão Pato gekocht wurde. Eine stimmige Idee, die auch akkurat umgesetzt wurde und zu überzeugen vermag.

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Als kleiner Auffrischer vor den Dessert wird ein Basilikumsorbet mit Granny Smith und Limetten-Meringue serviert.

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Meeresaromen und Zitrusfrüchte macht mich, trotz meiner Vorliebe für nicht fruchtig-süsse Zutaten in Süssspeisen, bereits bei der Annoncierung nachdenklich. Meeresaromen im Dessert? Muss das das sein? Die Antwort: Nein, es muss nicht. Allerlei Algen und anderes Meeresgrün wird in diesem Fall mit Zitrusfrüchten in verschiedenen Texturen kombiniert. Bei aller Freude darüber, dass Köche und Pâtissiers neue Wege gehen wollen, dieses Experiment ging aber mal richtig in die Hose. Es schmeckt extrem artifiziell, medizinisch und ist für mich schlicht ungeniessbar.

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Sehr zu meiner Verwunderung fällt das Urteil über die karamellisierte Granny Smith Tarte mit Grapefruit und Vanillesorbet sehr ähnlich aus. Wenn auch aus anderen Gründen. Hier ist es die Tarte an sich, die nichts von einer saftigen, süss-säuerlichen Apfeltarte hat, sondern trocken ist und bitter. Nach zwei Bissen endet dieses Abenteuer für mich endültig.

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Die Petits Fours Pastel de Nata, Mango Profiterole und Schokoladentrüffel sind im Gegensatz zu den anderen Süssspeisen immerhin geniessbar.

Enttäuschungen gehören bekanntermassen zum Leben. Doch ein besterntes Restaurant aufgrund der Küchenleistung so unzufrieden zu verlassen, wie ich es heute tue, ist dennoch mehr als frustrierend. Ein wirklich guter Gang und einige annehmbare Teller rechtfertigen keinen Michelin Stern. Erst recht nicht, wenn man die teilweise ungeniessbaren Gerichte, die heute serviert wurden, mit in Betracht zieht. Das Restaurant selbst ist äusserst gemütlich, die Weinauswahl exzellent und auch der Service macht einen guten Job. Man fühlt sich wohl im Alma und kann hier in guter Gesellschaft durchaus einen schönen Abend verbringen. Nur trägt das Essen leider nicht sehr viel dazu bei...


Alma
R. Anchieta 15
1200-224 Lissabon
Portugal
+351 21 347 0650
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