Belcanto (José Avillez) - Lissabon

José Avillez ist der Superstar der portugiesischen Küche. In den vergangenen Jahren hat er sich ein Imperium erschaffen, das mittlerweile ein gutes Dutzend Restaurants umfasst. Das Herzstück bildet das Belcanto, das mit zwei Michelin Sternen ausgezeichnet ist und auch auf der Liste der World's 50 Best Restaurants vertreten ist (auf Platz 85 zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels). Nachdem er bei Köchen wie Ferran Adrià oder Alain Ducasse gelernt hat, wurde Avillez 2008 erstmals Küchenchef und holte 2009 einen Stern ins Restaurant Tavares in Lissabon. 2011 entschloss er sich zum Weg in die Selbständigkeit und legte mit dem Belcanto den Grundstein für seinen Erfolg, der neben seinen Restaurants auch zahlreiche Bücher, Weine und TV-Shows beinhaltet.
Das Belcanto befindet sich im Herzen Lissabons, in der Nähe des Nationaltheaters São Carlos, und ist von aussen eher unscheinbar. Über eine Klingel wird dem Gast Einlass gewährt in das intime, geschmackvoll eingerichtete Reich des umtriebigen Chefs. Bei meinem letzten Besuch vor einigen Jahren hing noch ein eher altmodischer, dunkler Schleier über dem Interieur. Nach einer Renovation sieht nun alles viel freundlicher aus und das Ambiente passt auch besser zur modernen Küche des Hauses. Für einen Lunch an einem Wochentag ist das Restaurant gut besucht. Die Klientel ist international, unter anderem aus Singapur und den USA, oder wie ich aus der Schweiz. Von meinem Ecktisch aus beobachte ich für einen kurzen Moment das muntere Treiben. Zu einem Glas eines ausgezeichneten portugiesischen Schaumweins werden dann ziemlich flott die ersten Kleinigkeiten serviert.

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Der Auftakt kommt in flüssiger Form. Eine Abwandlung eines klassischen Martinis, hier "Holunderini" genannt. Der zusätzlich mit Holunder aromatisierte Cocktail stellt die Weichen für einen Lunch genau richtig.

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Weiter geht's mit einem Trio von Snacks. Die "essbaren Steine" sind kühl, knackig, cremig und fischig. Etwas zu fischig für meinen Geschmack. Ganz hervorragend ist die Sardine mit Kohle. Superbe Produktqualität, spannende Einfassung. Ebenfalls ausgezeichnet ist die Hühnerhaut mit Mais. Der delikate, ultraknusprige Chip ist neben dem Mais mit einer kräftigen Hühnerfarce belegt, die für ein prononciertes Geflügelaroma sorgt.

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Mitten in einem Blumenstrauss ist das letzte Amuse versteckt. In einem hauchdünnen Algen-Cornet befindet sich ein Thunfisch-Tataki, das erneut durch tolle Fischqualität überzeugt und angenehm zurückhaltend gewürzt ist, damit diese auch richtig zur Geltung kommt.

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Das Menü beginnt mit einem Gericht, das bereits als einer der Avillez-Klassiker bezeichnet werden darf. "Der Garten der Gans die goldene Eier legt" widmet sich einer der Lieblingsdisziplinen der gehobenen Küche, dem gekochten Ei. Erwartungsgemäss ist diese Version perfekt gegart, das Eisweiss gestockt, das Eigelb wunderbar schlotzig. Dazu gesellt sich knuspriges Brot und verschiedene Pilze, unter anderem auch Trüffel, die ebenfalls in Form eines Suds ihren Weg auf den Teller finden. Das schmeckt genauso wie es sich liest, süffig, herzhaft, voller Umami, einfach wunderbar. Lediglich das Namensgebende Blattgold ist wirklich antiquiert. Aber dem Geschmack schadet es ja glücklicherweise nicht...

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Es folgt ein "Sprung ins Meer". Ursprünglich hatte das Gericht einen anderen Namen, doch Gäste haben gegenüber Avillez immer wieder erwähnt, dass es sie an einen Sprung ins Meer erinnere. So bekam auch dieser Gang eine klangvollere Betitelung. Dahinter versteckt sich ein Stück Wolfsbarsch, verschiedene Muscheln sowie unterschiedliche Algenarten. Bereits nach dem ersten Bissen ist klar, warum die Gäste diesen Gang immer wieder so beschrieben haben. Es schmeckt nach Gischt, einer kühlen Meeresbrise, nach den Fischerkörben, die am Hafen mit frischester Ware präsentiert werden. Diese Assoziationen zu erwecken, schaffen nur die allerwenigsten Teller. Alles muss passen, vom Produkt, über das Handwerk, bis zur eigenen Stimmung. Hier und heute ist der "Sprung ins Meer" aufwühlend, er will mit geschlossenen Augen aufgesogen und genossen werden. Ein perfektes Gericht.

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Chefs wie Avillez haben es sich zur Aufgabe gemacht, Klassiker zu modernisieren, leichter zu machen und oftmals auch subtiler als ihre Vorbilder. Genau das gelingt beim eigentlich schweren, traditionellen "portugiesischen Pot-au-feu" meisterhaft. Die Grundlage dieses Tellers bildet eine unheimlich intensive, dabei extrem elegante Brühe aus Kalbsfüssen, die mit verschiedenen Fleisch- und Wurststücken aromatisiert wird (unter anderem Chorizo und Morcela, eine portugiesische Blutwurst) und zum Schluss mit etwas Minze aufgefrischt wird. Dieses Elixier ist zum reinlegen gut. Dazu gibt es lediglich bissfeste Möhren, Kohl und Rüben. Was so simpel klingt ist so unglaublich lecker, dass es mir beinahe die Sprache verschlägt. Unter ungläubigem Kopfschütteln löffle ich die Schale bis auf den letzten Tropfen aus.

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Zum Hauptgang wird das wohl beliebteste Fleisch des Landes serviert, ein Spanferkel. Begleitet wird es von Orange, Salat und Kartoffeln. Das Schwein ist perfekt zubereitet, saftiges Fleisch und ultrakrosse Haut, und sehr kräftig im Geschmack. Die schön fruchtige, dabei angenehm säurebetonte Orangensauce ist ein idealer Gegenpol zum fetten Schwein. Genauso wie der leicht angegrillte Salat, der mich mit seiner schieren Qualität auch für sich genommen begeistert. Daneben gibt es noch einige Kartoffelchips in einem durchsichtigen Beutel (nicht auf dem Foto), den man mitessen kann. Ein netter Gag. Vor allem aber intensivieren die Chips die Salzigkeit des Gerichts und bringen noch etwas mehr Crunch auf den Teller. Ein rundum gelungenes Ensemble.

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Der Übergang zum süssen Teil dieses Lunchs klingt, gelinde gesagt, exotisch. Abade de Priscos Pudding mit Schweineschwarte, Himbeere und Wasabi isst sich aber glücklicherweise viel besser als es klingt. Sehr viel besser sogar. Denn der traditionelle portugiesische Pudding, eigentlich eher ein Karamellflan, der vom Abt von Priscos erfunden wurde, wird mit Speck (!) zubereitet. So ist auch gleich die Brücke zur knusprigen Schwarte geschlagen. Die Himbeere hingegen bringt hier als Eis eine wohltuend säuerliche Kühle ins Spiel, der Wasabi sorgt für einen zarten Kick. Ein sehr überraschendes Dessert. Vor allem überraschend gut.

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Das zweite Süssspeise ist schlicht Mandarine betitelt. Sie besteht aus einer Mandarinenhülle, die gefüllt ist mit einem Mandarinenschaum. Daneben liegt ein Mandarinensorbet. Die volle Packung erfrischende Frucht, wunderbar leicht und von einer animierenden Säure getragen. Klasse. Lediglich die braune "Erde", eine aus Steinpilzen und weiteren Zutaten hergestellte Spielerei, will so gar nicht ins fruchtige Geschmacksbild passen. Wie fast immer, ist weniger mehr. Zum Glück kann man sich gut drum herum essen.

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Einige Petits Fours zum Espresso dürfen natürlich nicht fehlen.

Der heutige Lunch hat mich sehr positiv überrascht. Von meinem letzten Besuch hatte ich die Küche von José Avillez nicht auf einem so hohen Level in Erinnerung. Das ist natürlich schon ein paar Jährchen her und die Küche hat sich seither erfreulicherweise ein gutes Stück weiter entwickelt. Der Facelift scheint dem Restaurant und seinen Mitarbeitern gut getan zu haben. Alles wirkt frischer, präziser, moderner, einfach passender. Sei es auf dem Teller, im Glas oder an der Wand. Wenn ich das nächste Mal hier einkehre, dann hoffentlich mit genügend Zeit um das grosse Menü mit den neuen Kreationen zu probieren...


Belcanto
Largo de São Carlos, 10
1200-410 Lissabon
Portugal
+351 213 420 607
Website


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