Mesa (Sebastian Rösch) - Zürich

Ein veganer Abend im Sternerestaurant als PR-Gag? Könnte man meinen. Doch dass im Mesa jeweils mittwochs ein Menü komplett ohne tierische Produkte serviert wird, hat einen rein praktischen Grund. Denn eines Abends standen zwei Gäste kurz vor Serviceschluss ohne Reservation im Restaurant. Christian Gujan, seines Zeichens Restaurantleiter, hat kurz mit Sebastian Rösch, dem Küchenchef, abgeklärt, ob die beiden noch verköstigt werden könnten. Sie konnten. Was die beiden zu diesem Zeitpunkt jedoch verschwiegen hatten war: sie sind Veganer. Anstatt die beiden unangekündigten Spätesser wieder wegzuschicken, schüttelte Rösch mit seinem Team kurzerhand ein veganes Menü aus dem Ärmel. Sehr zur Zufriedenheit seiner neuen Gäste. Um in Zukunft nicht mehr in die Bredouille zu geraten, wenn plötzlich vegane Gäste im Restaurant auftauchen - und vor allem auch um ihnen den gleich hohen Essensstandard zu ermöglichen, wie allen anderen Besuchern - entschied sich Rösch, ein veganes Menü zu konzipieren. Mit seiner Idee hat der Chef voll ins Schwarze getroffen. Als ich an einem Mittwochabend Ende Oktober im Mesa einkehre, ist das Restaurant brechend voll. Bei einem Schluck Champagner schaue und höre ich etwas umher, und zu meiner Freude wird fast überall das vegane Menü bestellt. In dessen Genuss komme auch ich heute. Ich bin sehr gespannt, was die kommenden Stunden bringen werden.

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Los geht's mit drei Snacks. Ein Dim Sum mit Apfel und roter Zwiebel ist erfrischend, dabei herzhaft, mit animierender Säure. Sehr gut. Gurke, Seefenchel und Kapuzinerkresse überzeugt durch knackige Frische und eine dezent mystische, exotische Note, die vom Meerfenchel herrührt. Der Brokkoli mit Cashewnüssen, Miso und Sesam ist ein mundfüllender Happen, dem eine schier unheimliche Komplexität innewohnt. Trotz der überschaubaren Anzahl von Elementen. Alle drei Kleinigkeiten wecken in mir den Wunsch, sie sofort wieder essen zu wollen. Und das am liebsten in rauen Mengen. Ein fulminanter Einstieg!

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Bevor das Menü offiziell eingeläutet wird, schickt Rösch noch einen Gruss aus der Küche. Rosenkohl, Datteln, Oliven und Gewürzbrot haut mich fast vom Sitz. Das perfekte Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ist ganz einfach meisterhaft umgesetzt und spannend noch dazu. Viel wichtiger als der Geschmack sind dabei eigentlich die Assoziationen und Gefühle, die dieses Gericht auslöst. Es ist zutiefst befriedigend, spannend, abwechslungsreich, angenehm fordernd und überraschend. Ganz, ganz grosse Küche. Rösch hat die Messlatte bereits vor dem eigentlichen Menüstart so hoch gelegt, dass ich etwas besorgt bin, ob es überhaupt so grandios weitergehen kann.

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Es kann. Mit Rande, Brombeere, Chicorée und Leinsamen haut die Küche gleich den nächsten Kracher raus. Der wunderhübsche Teller lässt absolut keine Wünsche offen. Der erdigen Süsse der Rande wird einerseits die belebende, süss-saure Beerenfrucht des Rosengewächses entgegengestellt, sowie die präsente, aber nicht überbordende Bitterkeit der Salatzichorie. Das funktioniert schon ganz prächtig, wird jedoch durch die Zugabe der Leinsamen noch besser. Das nussige und an getoastetes Brot erinnernde Aroma gibt dem Gericht den letzten Kick und sorgt so für das nächste Highlight. Wow!

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Weiter geht's mit Schwarzwurzel, Quitte, Eierschwämmli und PX-Essig. Die milde, nussige Aromatik des Korbblütlers wird einerseits durch die Zugabe des Essigs schön hervorgehoben und profitiert andererseits zusätzlich vom Umami der Pilze. Um einen Gegenpol zu haben, setzt die Küche neben dem Essig auf die prononcierte Fruchtsäure der Quitte, die mit ihren zitrussigen Noten auch reichlich Frische auf den Teller bringt. Das ist ingesamt sehr stimmig und schmackhaft, jedoch nicht ganz auf dem Niveau der bisherigen Gänge.

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Auf die Gemüsebouillon mit Shiitake, Navette und Edamame ist die Vorfreude besonders gross. Suppen, Brühen und dergleichen finden in der modernen Spitzengastronomie leider zu selten den Weg auf den Tisch. Warum das ein Fehler ist, zeigt dieser Gang eindrücklich. Die geschmackliche Tiefe und Komplexität der Bouillon ist umwerfend. Der Pilz fungiert hier wieder als Geschmäcksverstärker und gibt dem Gericht eine etwas voluminösere Unterlage, während die Navette sowie die Sojabohnen vor allem texturell in Erscheinung treten, indem sie für etwas Biss und Knackigkeit sorgen. Ein absoluter Wohlfühlteller.

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Anapurna Curry mit Okra und Zerbinati Kürbis zeigt schön, dass auch ein Curry im Kontext der gehobenen Küche funktionieren kann. Dabei wagt sich Rösch hier gleich doppelt auf dünnes Eis. Zum Einen mit dem Curry an sich, das oftmals dazu neigt alle anderen Komponenten zu überlagern und in diesem Fall sogar noch eine durchaus pikante Schärfe aufweist. Zum Anderen mit den Okras, die bekannterweise nicht jedermanns Sache sind, da sie oft "schleimig" wirken. Diese Schleimigkeit besitzen auch diese Exemplare, sie ist für mich jedoch kein bisschen störend. Ihr prägnanter Eigengeschmack passt blendend zum Curry und der Kürbis steuert zur Auflockerung noch etwas Süsse sowie Crunch bei. Die essbaren Blüten sorgen für etwas Bitterkeit. Eine gelungene Exkursion in den Orient.

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Zum Hauptgang wird's auch in einem veganen Menü etwas deftiger. Die Betonung liegt hier auf etwas. Kartoffel, Wirsing und Trüffel bleibt nämlich trotz kräftig-intensivem Geschmack angenehm leicht. Die Sauce, die mit Trüffeln aromatisiert wurde, muss sich vor einer klassischen, mit einer tierischen Jus zubereiteten Sauce in Sachen Vielschichtigkeit nicht verstecken. Dass sich frische Trüffeln und Kartoffeln, die als "al dente" gegarte "Spaghetti" den Weg auf den Teller finden, prächtig verstehen, ist kein Geheimnis. Dazu noch etwas knackiger Wirsing und fertig ist ein winterlich anmutender veganer Gang, der mir abermals ein dickes, zufriedenes Lächeln aufs Gesicht zaubert.

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Als kleines Pré-Dessert schickt Rösch ein Schokosorbet mit Schwarzdorngranité. Die Simplizität dieses Gaumenschmeichlers ist augenscheinlich, dennoch kommt keine Spur von Langeweile auf. Eine herrliche Kombination.

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Mit Fellenberger Zwetschgen, Luftschokolade und Haselnuss gelingt der Küche ein ganz starker Abschluss. Dieses Dessert ist durch die fehlende Butter oder Sahne bereits so wunderbar leicht, dass es eine richtige Wonne ist, nochmals richtig zuzuschlagen. Dieser leichte Eindruck wird von der "Luftschokolade", einer Art luftiger, gefrorener Mousse, zusätzlich verstärkt. Die saftigen, intensiven Zwetschgen bringen eine perfekt passende, süss-saure Frucht ins Spiel, während die Haselnuss neben ihrem typischen Aroma für etwas Substanz und Crunch sorgt. Ausgezeichnet!

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Um den Abend in aller Ruhe gebührend ausklingen zu lassen dürfen einige Petits Fours natürlich nicht fehlen: Schokolade, Petersilie und Banane - Kokos und Kokoscrème sowie Schokolade und Macadamia beschliessen dieses exzellente Mahl.

Das vegane Menü von Sebastian Rösch und seinem Team hat mich begeistert. Über alle Massen sogar. Die Gerichte sind allesamt exzellent konzeptioniert - es herrscht immerwährende Spannung und Abwechslung auf allen Tellern. Sie sind geprägt von ausgezeichneten Produkten und werden handwerklich perfekt umgesetzt. Und das Wichtigste, es macht einfach unglaulichen Spass in jeden dieser Gänge einzutauchen, Geschmackswelten zu erkunden, die man in dieser Art selten bis nie vor sich auf dem Tisch hat. Um es auf den Punkt zu bringen, das ist das beste vegane Menü, das ich jemals gegessen habe. Nein, nicht nur das. Es ist auch eines der besten Menüs, das mir jemals auf Schweizer Boden serviert wurde. Denn das vegane Dinner im Mesa lässt absolut gar nichts vermissen und zeigt, dass man als Veganer nicht immer den schlecht gemachten und überteuerten (Convenience-)Food der grossen und bekannten Vegi-Restaurants der Stadt in sich reinschaufeln muss, sondern sich im Mesa auf allerhöchstem kulinarischen Niveau tierlos verköstigen lassen kann. Das gilt selbstverständlich auch für alle interessierten Omnivoren. Traut euch, ihr werdet nichts vermissen!


Restaurant Mesa
Weinbergstrasse 75
8006 Zürich
Schweiz
+41 (0)43 321 75 75
Website


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