Maison Manesse (Fabian Spiquel) - Zürich
Das Maison Manesse flog für längere Zeit unter meinem kulinarischen Radar hindurch. Klar, ich habe mal gehört, dass das Essen sehr gut sein soll. Von Freunden, die meinen Hang zum Fine Dining eigentlich nicht teilen. Aber auch von Leuten, die sich fast ausschliesslich in besternten Etablissements herumtreiben. Das buzzende, gehypte Maison Manesse als Konses-Verköstigungsstation für eingefleischte Sternejäger und eigentlich-lieber-Pizza-Besteller? Das wäre eine richtige Seltenheit. Ich bin gespannt.
Als ich das Lokal betrete, erinnert mich das Interieur eher an ein hippes Bistro als an ein Fine Dining Etablissement. Gefällt mir gut. Die Begrüssung im noch beinahe leeren Restaurant ist einladend und herzlich. Ich wähne mich sofort in guten Händen. Bis jetzt ein Lokal ganz nach meinem Geschmack. Der Vergleich hinkt zwar, dennoch fühle ich mich an mein neues Zürcher Lieblingslokal, das Equi-Table, erinnert. Sollte das Essen heute auch so gut sein wie im ebenfalls einfach besternten Restaurant im Sankt Meinrad, könnte ich mich auch problemlos mit zwei neuen Lieblingslokalen arrangieren. Ein bisschen Abwechslung muss ja bekanntlich sein.
Kurz nachdem ich mich gesetzt habe und von Miguel Ledesma, dem charmanten und ansteckend fröhlichen Herrn des Hauses, das Menu gereicht bekomme, steigt das Maison Manesse nochmals weiter in meiner Gunst. "she's. lost. control" als Menu-Name? Weckt wohlige Assoziationen und muss natürlich nur schon deswegen meine Wahl sein. Dass es sich dabei um das grosse Menu handelt trifft sich umso besser. Schliesslich ist es Samstagabend und ich habe vor voll und ganz in die kulinarische Welt von Fabian Spiquel einzutauchen. Es kann los gehen.
Sechuan Buttons
Ein kleiner Muntermacher zu Beginn. Die Sechuan Buttons sorgen zuerst für ein kleines Kribbeln im Mund sowie auf den Lippen und stossen dann den Speichelfluss an. Eine nette Idee, die bei mir wirklich die Lust auf das kommende Mahl weckt. Auch wenn ich konstatieren muss, dass der geschmackliche Nachhall der Blüten etwas zu langanhaltend ist.
Saibling, Apfel, Salz-Ananas, Fenchelpollen
Das erste (und einzige) Amuse Bouche wird serviert. Der Saibling überzeugt durch gute Produktqualität und einen angenehmen Biss. Die Salzananas steuert eine ungewohnte, exotisch-süss-salzige Note bei. Durchaus interessant. Insgesamt ist mir dieser kleine Happen allerdings etwas zu süss geraten. Dennoch ein gelungener und schmackhafter Start.
Schwarzer Seehecht, Wasabi, Shiso
Der erste offizielle Gang wirkt äusserst ansprechend auf das Auge. Glücklicherweise wird die erste Gabel der optischen Verheissung mehr als gerecht. Vor allem das Zusammenspiel der knackigen, erdigen Gurken und der minzigen Frische des Shiso lässt mich mit einem Lächeln entspannt kauend in den Stuhl zurücklehnen. Der Seehecht sorgt zusätzlich für einen fleischig-fülligen Kontrast und ergänzt eher als dass er dominiert. So darf es gerne weitergehen.
Luma Schwein, Kimchi, Aprikose
Schweinetatar? Das ist mal eine Ansage! Ich freue mich auf dieses für mich neue Vergnügen. Vom ersten Bissen bin ich jedoch etwas enttäuscht. Dem Fleisch fehlt es an Intensität und Kernigkeit. Intensiv schmeckt vor allem das Kimchi, dessen fein-säuerliche Eleganz für sich genommen äusserst delikat ist. Die Aprikose kommt in Form einer an ein Eigelb erinnernden Sphäre, die nach dem anstechen ein leider etwas zu sauer geratenes Inneres freigibt. Der Chicharrón macht sowohl texturell als auch geschmacklick Sinn, dürfte jedoch gerne etwas salziger sein, um diesen Teller perfekt zu ergänzen. Die Kombination der einzelnen Elemente ist durchaus spannend, wirkt jedoch nicht sehr ausgewogen. Mit etwas Feinjustierung bei der Würzung sowie der Portionierung könnte es ein richtig gutes Gericht sein.
63° Ei, Blumenkohl, Erdmandel, Johannis
Kein Restaurant das etwas auf sich hält, kommt ohne einen Ei-Gang aus. Fabian Spiquel geht das Thema Ei eher modern an und serviert ein Onsen-Ei. Die Mitspieler des wachsweich gegarten Eis bringen zusätzliche Süffigkeit (Blumenkohl) und Crunch (Erdmandel) sowie eine ungewohnte Säure (Johannis) ins Spiel. Den Einsatz von Säure heisse ich eigentlich fast immer willkommen, nur hier will der Funke nicht so recht überspringen. Wenn man den Johannis weglässt, ist es ein richtiger Wohlfühl-Teller.
Steinpilz, Chuño, Aji Morado, Tomate
Weiter gehts mit Steinpilzen. Zu den Pilzen gesellen sich, unter anderem, zwei mir unbekannte Zutaten; Chuño und Aji Morado. Chuño ist eine Zubereitungsart für Kartoffeln aus dem Andenraum, bei welcher eine Masse aus gefrorenen, gestampften, wieder gefrorenen und dann sonnengetrockneten Erdäpfeln hergestellt wird. Bei der zweiten mir unbekannten Zutat, der Aji Morado, handelt es sich um eine Chilisorte aus Peru, wie ich später herausfinden werde. Ich taste mich langsam an das Gericht heran. Die Pilze sind für sich genommen schmackhaft, kommen jedoch nicht voll zur Geltung, da das Geschmacksbild klar von den Tomaten dominiert wird. Auch die weiteren Elemente sind aufgrund des intensiven Tomatenaromas nur schwer auszumachen. Es schmeckt im Prinzip nicht schlecht, allerdings etwas eindimensional.
Lamm, Krautstiel, Chorizo, Thun
Dieser Teller spricht mich optisch total an. Minimalistisch und puristisch. Schon beim ersten Bissen merke ich, das ist das Gericht des Abends! Das Lamm ist unheimlich zart. Dabei kräftig und voll im Geschmack. Ein perfektes Produkt, das perfekt zubereitet und perfekt gewürzt serviert wird. Das Lamm ist so gut, dass ich gerne einen Nachschlag bestellen möchte. Die minimalistischen Beigaben ergänzen das Fleisch gekonnt. Vor allem der Krautstiel bringt durch seinen Biss und die Frische eine willkommene Abwechslung auf den Teller. Dazu erweitert er das Spektrum um eine leicht herbe, bittere Note. Wunderbar. Dieser Teller zeigt eindrücklich, wozu Fabian Spiquel und seine Crew fähig sind. Exzellent.
Kammmuschel, Mais, Shitake, Algen
Auf das Highlight folgt die Enttäuschung des Abends. Dieser Teller funktioniert für mich überhaupt nicht. Angefangen bei der eher bescheidenen Qualität der Jakobsmuschel, welche die typische Süsse und den Duft nach Meer vermissen lässt. Was der Muschel an Süsse fehlt, versucht der Mais wohl zu kompensieren und gerät dadurch viel zu süss. Auch die Algen liefern nicht die gewohnte Portion Umami, die diesem Teller so gut stehen würde, sondern irritieren durch einen öligen, alles überlagernden Goût. Ein einsamer Shitakepilz verhilft dem Gericht mit seiner weichen Textur sowie dem sehr dezenten Aroma auch nicht zu höheren Weihen. Schade.
Süsses Nichts
Der Dramaturgie der vorhergehenden Gänge folgend, bekomme ich nun das süsse Ausrufezeichen des Abends serviert. Das süsse Nichts besteht aus einem weissen Schokoladenschaum, Passionsfrucht sowie Kardamom und lenkt das Menu wieder in die richtigen Bahnen. Das ist einfach süss-sauer-süffig-gut. Äusserst gelungen.
Apfel, Aronia, Kiefernharz, Roggen
Das eigentliche Dessert überzeugt dann wieder nicht voll und ganz. Der hübsch angerichtete Halbkreis trifft meinen Geschmack eigentlich ganz gut. Nicht zu süss, eine erquickende Säure durch die Aronia (Apfelbeeren), ergänzt durch einen angenehmen Crunch. Die Aufgabe des "Bratlings" erschliesst sich mir aber nicht wirklich. Zum Abschluss eines mehrgängingen Menus benötigt man meiner Meinung nach keine Sättigungsbeilage mehr. Lässt man diese weg, hat man ein einfaches, leichtes und ausgewogenes Dessert vor sich.
Mignardises
Einen schönen Abschluss findet die Küche mit den Mignardises. Wann kriegt man in einem Restaurant schon mal Marshallows zum selber grillen serviert? Eine charmante Idee, die durch gekonnte Umsetzung und geschmacklich einwandfreie Marshmallows überzeugt. Auch die weiteren süssen Kleinigkeiten wissen zu gefallen.
Obwohl mich das Maison Manesse kulinarisch nicht durchgängig überzeugen konnte, hatte ich dennoch einen wunderbaren Abend. Fabian Spiquel ist ein talentierter Koch. Das hat er beispielsweise beim sensationellen Lamm unter Beweis gestellt. Dass bei einem leichten Hang zu kulinarischen Experimenten auch mal ein oder zwei Gänge übers Ziel hinaus schiessen, finde ich nicht weiter schlimm. Ein gewisser Wagemut hat in der Küche schliesslich noch selten jemandem geschadet. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich Fabian Spiquel kulinarisch entwickeln wird. Zusammen mit seinem Partner Miguel Ledesma wird er Zürich hoffentlich noch für längere Zeit bereichern. Denn Zürich kann sich glücklich schätzen ein Restaurant zu haben, in dem die Freude am Essen und an der Gastlichkeit noch so (aus)gelebt wird. À bientôt, Maison Manesse.
Maison Manesse
Hopfenstrasse 2
8045 Zürich
Schweiz
+41 (0)44 462 01 01
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