Nenad meets Equi-Table (Nenad Mlinarevic & Fabian Fuchs) - Zürich
Der Gault Millau Koch des Jahres Nenad Mlinarevic geht auf Tour. Eine nicht gänzlich ungewöhnliche Sache heutzutage, in der Schweiz wohl jedoch in dieser Art ein Novum. Seine Reise führt ihn unter anderem zu ehemaligen Gault Millau Köchen des Jahres wie Tanja Grandits und Andreas Caminada. Glücklicherweise führt der Weg auch nach Zürich ins Equi-Table zu Fabian Fuchs und seinem Team. Dies ist zwar kein offizieller Tour-Stop, folgt jedoch demselben Konzept.
Auf das heutige 4-Hands-Dinner bin ich sehr gespannt. Vor allem da mein Besuch im Restaurant Focus im letzten August einen teilweise zwiespältigen Eindruck bei mir hinterliess. Gerichte der absoluten Spitzenklasse wechselten sich mit dem einen oder anderen Fehlschuss ab. Einige Wochen nach meinem Besuch im Focus kehrte ich zum ersten Mal im Equi-Table ein, das sogleich zu meinem neuen Lieblingsrestaurant in Zürich wurde. Beide Restaurants setzen ihren Fokus auf Regionalität. Sowohl in Vitznau als auch in Zürich wird mit Schweizer Produkten gekocht. Keine Foie Gras aus Frankreich oder Spargel aus Peru. Eine Ausrichtung, die ich sehr schätze. Aufgrund des Konzepts und weil ich weiss, wozu die beiden in der Küche fähig sind, bin ich äusserst gespannt was die beiden alten Weggefährten am heutigen Abend servieren werden.
Sellerie. Essenz. Tacco.
Das heutige No-Choice-Menu beginnt Equi-Table-typisch mit einem Reagenzglas. Das Glas beinhaltet eine Sellerieessenz sowie Haselnussöl. Desweiteren gibt es einen Sellerietaco, gefüllt mit Feta und Apfel. Die Essenz im Glas verdient ihren Namen. Am Gaumen entfaltet sich die komplette Bandbreite dieses oft unterschätzten Gemüses. Die Kombination mit dem Haselnussöl ist stimmig und erfreut durch unverfälschten Wohlgeschmack. Sehr gut. Der Sellerietaco fällt optisch ein bisschen dunkler aus als bei meinen vorherigen Besuchen und ist texturell auch etwas fester als gewohnt. Diese kleinen Veränderungen wirken sich jedoch in keinster Weise negativ aus. Das Zusammenspiel mit dem erfrischenden Apfel und dem dezent eingesetzten Feta erinnert an Sommer im Januar. Ein schmackhafter Start.
Bergkartoffel. Blini. Fermentiert. Felchen. Geräuchert. Kaviar.
Weiter geht's mit einer Abwandlung des bekannten Blini-Kaviar Themas. Die Blinis bestehen aus fermentierten Kartoffeln, die ein dezent nussiges Aroma und einen leichten "Funk" aufweisen. Bestrichen mit einer grossen Portion des Felchenrogens ergibt sich ein wunderbar saftig-süffig-herzhaftes Geschmacksbild. Der auf einem Stein präsentierte, kalt geräucherte Felchen besticht durch ausserordentliche Qualität sowie einer perfekten Balance zwischen Räucheraromen und Eigengeschmack des Fisches. Bis jetzt ein sehr gelunges Joint-Venture. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Butter. Crispyskin. Huhn.
Ich liebe knusprige Hühnerhaut. Butter mit Hühnerhaut ist noch besser als nur Hühnerhaut, oder?. Damit kann man zum ausgezeichneten Sauerteigbrot bei mir nichts falsch machen. Einfach nur zum reinlegen gut.
Kalb. Kabis. Rettich. Radisli.
So ähnlich stand das Kalb schon einmal auf der Karte des Equi-Table. Damals wurde es als gelungenes Tatar serviert. Ich bin neugierig, ob heute etwas ähnliches serviert wird. Die Antwort folgt bereits kurz nach meinem gedanklichen Intermezzo in Form einer Sous-Vide gegarten Kalbszunge, hauchdünn aufgeschnitten und als Röllchen getarnt. Flankiert wird die zarte Zunge von knackigem Gemüse, welches das Gericht in Richtung eines erfrischenden Salats lenkt. Mir gefällt das Zusammenspiel der erfrischenden, teilweise leicht säuerlichen Gemüsekomponenten mit der mundfüllenden Opulenz des Kalbs unheimlich gut. Ein Salat total nach meinem Geschmack. Bitte weiter so.
Zander. Schwarzwurzel. Champignon.
Auf diesem Teller sind zwei meiner momentanen Lieblingszutaten vereint, Schwarzwurzeln und Champignons. Trotz meiner Vorliebe für diese Produkte bin ich nach der ersten Gabel überrascht, wie sehr mich dieses Ensemble umhaut. Vor allem der confierte Zander bringt meinen Gaumen in Wallung. Nicht mal zwingend wegen der zweifellos ausgezeichneten Qualität dieses Exemplars, sondern hauptsächlich wegen der Textur. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Fisch mit einer derart faszinierenden Textur gegessen zu haben. Einerseits zart, doch bissfest. Saftig, am Gaumen nicht zerfallend sondern sich langsam auflösend. Umwerfend. Untermalt wird der Süsswasserfisch durch die erdigen, süssen Noten der gegrillten Schwarzwurzel sowie dem typischen Champignonaroma, das dem Gericht das Tüpfelchen aufsetzt. Perfektion auf dem Teller. Definitiv Anwärter auf einen Platz in den Top 10 Gerichten des Jahres. Und das im Januar. Beeindruckend.
Urdinkel. Sonnenblumenkern. Zwiebel. Kaper.
Fortgesetzt wird das Menu vegetarisch, mit einer Art Urdinkel-Risotto. Auch an diesem Gericht ist nahezu alles perfekt. Der Urdinkel ist auf den Punkt gegart, weist einen überraschend aromatischen Eigengeschmack auf, der von den weiteren Mitspielern optimal komplementiert wird. Die Kapern bringen eine willkommene Säure, die das üppige Gericht leichter wirken lässt. Die Zwiebel erweitert das Tellerspektrum um zusätzliche aromatische Tiefe sowie ein leichte Schärfe. Auch die Sonnenblumenkerne sind nicht nur des Crunches wegen auf dem Teller. Sie steuern eine nussige Note bei, die für mehr Komplexität sorgt und das Gericht ideal abrundet. Es ist erstaunlich, wie diese einfachen Zutaten ein äusserst homogenes Ganzes ergeben, jedes Element jedoch immer noch zu erschmecken ist und seinen Teil zum gelingen beiträgt. Das ist ganz grosse Küche.
Rind. Blumenkohl. Mandel.
Die Grossartigkeit hört zum Glück auch beim Hauptgang nicht auf. Beim servierten Stück handelt es sich um den Bauchlappen des Rinds, welcher Sous-Vide gegart und dann gegrillt wurde. Das Ergebnis ist ein an aromatischer Intensität kaum zu überbietendes Stück Fleisch, das durch die Marmorierung wunderbar saftig ist, intensiv nach Rind schmeckt und betörende Grillaromen aufweist. Nur schon der Duft lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mit Sicherheit eines des besten Stücke Rind, das ich jemals geniessen durfte. In diesem Moment bin ich im siebten Fleischhimmel. Blumenkohl und Mandeln sind gut gewählte geschmackliche Ergänzungen, die dem Hauptdarsteller jedoch seinen Platz im Scheinwerferlicht nicht streitig machen. Ein ausgezeichneter Hauptgang.
Jersey Blue. Endivie. Cashew. Fenchselsamen.
Ähnlich wie beim Kalb einige Gänge zuvor, erinnerte mich die Lektüre dieses Gangs an ein schon mal hier gegessenes Gericht. Eines, dass ich nicht in allzu bester Erinnerung behalten habe. Generell bin ich kein Freund von Käsegängen, die etwas anderes als ein (oder mehrere) Stücke Käse und ein Stück Brot beinhalten. In diesem Moment kann ich mich an kein "konstruiertes" Käseplättchen erinnern, welches mir wirklich geschmeckt hat. Wie dem auch sei, ich werde heute eines besseren belehrt. Ja, ein Käsegang mit Komponenten ausser Käse und Brot kann tatsächlich schmecken. Durch den intensiv-schmelzigen Blauschimmelkäse schneidet die bittere Note der Endivie. Eine ätherische Note der Fenchselsamen sorgt einerseits für eine angenehme Frische sowie eine willkommene zusätzliche Geschmacksdimension. Für etwas knuspriges ist durch die Cashewnüsse ebenfalls gesorgt. Überaus gelungen und in gewisser Weise eine kleine Bekehrung für mich.
Topinambur. Birne. Baumnuss.
Von Zutaten, die man in einem Dessert nicht unbedingt erwarten würde, wie in diesem diesem Fall dem Topinambur, bin ich grosser Fan. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Dessert nicht zu süss gerät (und somit meine Vorliebe für nicht allzu süsse Desserts reflektiert) ist mit solchen Ingredienzen um ein vielfaches grösser. Logischerweise, möchte man sagen. Die Süsse ist da, natürlich, aber eben nicht das alles beherrschende Element auf diesem Teller. Dieser zusätzliche geschmackliche Spielraum, den Gemüse in Süssspeisen mit sich bringt, bescherte mir schon einige der beeindruckendsten kulinarischen Momente. So auch hier. Es stimmt einfach alles. Fruchtige, an Kompott erinnernde Süsse, nussige Aromen mit einem ganz leicht bitteren Touch, den man von der Baumnuss kennt, erdig-süsslicher Schmelz vom Topinambur-Glacé. Das ist für mich ein perfektes Dessert. Bravo.
Zum Abschluss werden noch einige fein gearbeitete, geschmacklich exzellente Mignardises serviert. Ein würdiger Abschluss eines grossartigen Menus.
Grundsätzlich stehe ich solchen Events wie Focus on Tour eher skeptisch gegenüber. Oftmals wird einfach der prominente Name des Kochs "verliehen" und einige seiner Gerichte werden den neugierigen und oftmals unwissenden Gästen (von einem fremden Team zubereitet) serviert. Nicht so hier. Auf Nachfrage wurde mir erklärt, dass die beiden Herren rund 3 Wochen vor der Veranstaltung alle Gerichte gemeinsam erdacht haben. Offensichtlich hatten Nenad Mlinarevic und sein Gastgeber Fabian Fuchs dabei grossen Spass. Denn was heute Abend serviert wurde, war durchgehend grosse Klasse. Jeder Teller wirkte schlüssig komponiert. Vor allem aber schmeckten alle Gerichte hervorragend und waren handwerklich perfekt zubereitet. Dieser Abend eröffnete das Jahr 2016 kulinarisch mit einem grossen Ausrufezeichen. Sollte es jemals wieder eine gemeinsame Veranstaltung dieser beiden Ausnahmekönner geben, werde ich mit Sicherheit einen Tisch reservieren.
(Wer diese einmalige Veranstaltung verpasst hat, dem kann ich nur empfehlen, baldmöglichst in beide Restaurants einzukehren. Nenad Mlinarevic kocht im Focus in Vitznau und ist mit 2* Michelin Sternen ausgezeichnet. Den Bericht über mein Dinner im Focus gibt es hier. Fabian Fuchs kocht im Equi-Table in Zürich und ist mit 1* Michelin Stern ausgezeichnet. Den Bericht über eines meiner Abendessen gibt es hier.)
Equi-Table
Stauffacherstrasse 163
8004 Zürich
+41 (0)43 534 82 77
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