Lampart's (Reto Lampart) - Hägendorf

Es regnet. Das Navi lotst mich die letzten Kilometer durch das industriell wirkende Hägendorf. Die viel befahrene Hauptstrasse wirkt trist an diesem dunklen Mittag. Dass eines der schönsten und besten Restaurants der Schweiz sich in unmittelbarer Nähe befinden soll, lässt sich nicht erahnen. Meine Vorfreude auf das Kommende wird durch diesen unwirtlichen Tag zusätzlich gesteigert. Ich sehne mich nach gutem Essen, Gemütlichkeit, Gastfreundschaft. Meine Gedanken schweifen ab. Als ich endlich auf den Parkplatz des Lampart's einbiege, werde ich unweigerlich zurück in die Realität geholt. Auf dem kurzen Fussweg vom Parkplatz zum Restaurant wähne ich mich trotz lärmender Hauptstrasse und kalt-nassem Wetter auf dem Weg zu einem Landsitz irgendwo am Mittelmeer. Helles Kies knirscht unter meinen regennassen Schuhen. Ein Pavillon säumt den Weg zum stattlichen Anwesen. Als ich dann eintrete, sehe ich (noch) nicht das, worauf der Weg mein inneres Auge vorbereitet hat. Dafür muss ich zuerst noch einige Stufen nach oben steigen, in den Speisesaal. Nun fühle ich mich wieder in meinen mediterranen Film versetzt. Das Restaurant ist elegant, luftig und warm. Normalerweise interessiert mich das Interieur eines Restaurants eher weniger. Wenn man sich jedoch wohl fühlt, sobald man einen Raum betritt, ist das natürlich äusserst angenehm. Bei einem Glas der Cuvée Prestige von Ca del Bosco lasse ich meinen Blick über den Raum schweifen und studiere nebenbei die Speisekarte. Obwohl noch ein Termin ansteht und die Zeit etwas drängt, entscheide ich mich für das grosse Menu "Sinfonie Plaisir". Ich bin hungrig und gespannt darauf, wie mir die Küche den Mittag versüssen wird.

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Kalbszunge, Linsen, Rüebli, Röstzwiebeln
Los geht's mit diesem hübsch präsentierten Amuse Bouche, welches einen betörenden Duft versprüht. Kalbszunge mausert sich immer mehr zu einer meiner Lieblingszutaten. Vor allem, wenn sie so gekonnt in Szene gesetzt wird wie hier. Das Fleisch ist äusserst zart und hat einen intensiven, vollen Geschmack. Umspielt wird die kühle Zunge unter anderem von grandiosen Röstzwiebeln. Das sind mit Sicherheit die besten ihrer Art, die ich jemals gegessen habe. Äusserst filigran gearbeitet, dezent in Duft und Aroma, ohne dabei ihre charakteristische Süsse sowie die Röstaromen zu verlieren. Zusammen mit den süss-sauren Karotten und den Linsen, die immer noch einen angenehmen Biss aufweisen, ergibt sich ein texturell abwechslungreiches Gericht, das perfekt austariert ist. Reto Lampart setzt gleich zu Beginn ein grosses Ausrufezeichen. Grandios.

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Jakobsmuschel von Mont Saint Michel, Buddhahand, Randen, Fichtensprossen, Erdnuss
Der erste Gang des Menüs ist den wunderbaren Coquilles aus der Normandie gewidmet. Diese Prachtexemplare aus den kalten Gewässern des Atlantiks werden roh aufgeschnitten serviert. Bei dieser Qualität nicht die schlechteste Wahl. Dennoch frage ich mich nach der zweiten Gabel, ob ihnen ein bisschen Hitze nicht gut getan hätte, um in diesem Ensemble etwas besser bestehen zu können. Die weiteren Mitspieler, allesamt hocharomatisch, machen den sehr guten St. Jacques nämlich den Platz an der Sonne ein bisschen streitig, überlagern deren Eigengeschmack teilweise. Das ist Kritik auf sehr hohem Niveau, aber auf diesem bewegt sich Lampart schliesslich auch. Abgesehen davon habe ich einen grossartigen Teller vor mir. Die Aromen harmonieren prächtig. Das Ensemble bietet einiges an Abwechslung. Vor allem die Fichtensprossen geben jeder Gabel ein gehörige Portion Eigenständigkeit und machen das Gericht um dieses kleine Quäntchen komplexer und somit interessanter. Sehr schön.

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Konfiertes Saiblingsfilet, Blumenkohl, Meerrettich, Petersilienfond
Das konfierte Filet besticht durch sehr gute Produktqualität. Neben dem Filet liegt ein Saiblingstartar auf einem Stück Bergkartoffel (auf dem Bild nicht zu erkennen), die den fein geschnittenen Fisch komplementiert. Die Kartoffel dient in meinen Augen hauptsächlich als Würzelement für das subtile Aroma des Saiblings und akzentuiert dieses optimal. Die verschiedenen Zubereitungen des Blumenkohls, unter anderem als Crème und gebraten, sorgen zusammen mit dem Petersilienfond für eine erdig-süsse Note, die dem Fisch jedoch zu keiner Sekunde die Show stiehlt, sondern ihn ideal begleitet. Der Meerrettich schimmert nur sehr dezent durch, bringt vor allem etwas Frische auf den Teller. Ein leises Gericht, welches wie die Gänge zuvor auf Harmonie bedacht ist. Lediglich die etwas zu harte, dicke Fischhaut sorgt für leichte Dissonanz im Mund. Darum lasse ich sie nach dem zweiten Versuch einfach weg.

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Hummer aus Maine, Bitterorange, Sellerie, wilder Brokkoli mit Pinienkernen, Hibiskusöl
Weiter geht's mit einer grosszügigen Portion Hummer. Das Schwanzfleisch ist perfekt gegart, wunderbar saftig, mit leichtem Biss. Begleitet werden das Schwanzstück sowie das ausgezeichnete Scherenfleisch von einem wild klingenden Sammelsurium von Zutaten. Durch den exzellenten Hummerschaum finden die verschiedenen Elemente grösstenteils sehr gut zusammen. Für Spannung und Abwechslung ist jedenfalls gesorgt. Bei dieser Vielfalt muss ich festhalten, dass nicht jeder Bissen gleich gut schmeckt. Um ein durchweg grossartiges Esserlebnis zu garantieren, hätte es meiner Meinung nach etwas mehr von dem wunderbaren Schaum benötigt. Dennoch ein ausgezeichnetes Gericht.

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Mangalitza Wollschweinfüessli, weisses Bohnenpüree, Rosenkohlblätter, Belperknolle, Lardo
Wie beim Hummer zuvor ist schon optisch klar, wer auf dem Teller der Hauptdarsteller ist. Das Beinfleisch ist so zart, dass es keines Messers bedarf, um es zu "schneiden". Nur schon für sich genommen ein Hochgenuss. Dass dieses Gericht ausschliesslich auf Wohlgeschmack ausgerichtet ist, erkennt man auch an den Beilagen. Das sowieso schon süffige Fleisch noch mit etwas Lardo zu veredeln, gleicht einem Geniestreich. Im bescheidensten Sinne luxuriös. Die weiteren Elemente sind sorgfältig gewählt und portioniert, sodass jeder Bissen einer Reise ins kulinarische Schlaraffenland gleicht. Mundfüllende Opulenz, die trotzdem nicht ermüdened wirkt. Umwerfend lecker. Neben der Kalbszunge sicherlich das Highlight dieses Mittagessens.

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Freiland Ribelmais Poularde aus Mörschwil, Perigord Trüffel, Nudelschnecke, Winterspinat, Schwarzwurzel
Schon bevor der Teller meinen Tisch erreicht, strömt mir der wundervolle Trüffelduft in die Nase. Kein Wunder. Im Lampart's wird nicht an den falschen Stellen gespart. Zusätzlich zum frisch gehobelten schwarzen Gold wurde die Brust der Poularde noch mit einigen dicken, dunklen Scheiben gefüllt. Was die Optik verspricht, hält der Geschmack voll und ganz. Das Huhn überzeugt durch ein ungewöhnlich delikates Eigenaroma. Es überrascht nicht, dass man das Federvieh aus der Ostschweiz momentan bei so einigen Schweizer Spitzenköchen auf der Karte findet. Auch beim Hauptgang ist Reto Lampart's immerwährende Suche nach Harmonie offensichtlich. Die einzelnen Komponenten ergänzen einander bestmöglich. Eigentlich braucht man keine zusätzlichen Worte über dieses Gericht zu verlieren, es schmeckt einfach süffig und verdammt lecker. So lecker, dass ich trotz langsam einsetzendem Sättigungsgefühl auch die Nudelschnecke komplett verputze.

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Flüssige Schokoladenpraline
Da ich schon etwas am kämpfen bin und leider bald der nächste Termin ansteht, verzichte ich heute auf den Käsegang. Obwohl der "Stilton in Portwein mit Original Appenzeller Schlorziflade" sehr verführerisch klingt (was ich verpasst habe, kann man bei den Sternefressern nachlesen). Den Einstieg in den süssen Teil des Menüs macht nun ein gekühlte Schokoladenpraline mit flüssigem Kern. So einfach, so gut.

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Passionsfruchtkuchen, Exotiksorbet, Sauerrahm
Die Pâtisserie schickt vor dem eigentlichen Dessert noch einen kleines Pré-Dessert. Luftig-leicht, fruchtig, erfrischend, cremig. Das ideale Dessert zu diesem Zeitpunkt. Meine Essensgeister werden vor allem durch die prägnante Säure nochmals geweckt und freuen sich auf das Hauptdessert.

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Karotte, Haselnuss, Schokolade, Grand Marnier, Orangen-Joghurt Glace
Ein Abschluss ganz nach meinem Geschmack. Vor allem die kleinen Stücke Rüeblikuchen sind sensationell. Sicher die besten ihrer Art, die ich jemals verkostet habe. Doch natürlich überzeugen nicht nur die Küchlein. Auch das Gesamtbild ist äusserst stimmig. Jede Gabel sorgt für etwas Abwechslung. Mal durch den Crunch der Haselnüsse, dann durch die leichte Süsse des Eis oder durch die dezenten Bitternoten der Schokolade. Hier passt einfach alles. Ausgezeichnet.

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Friandises
Ganz vorbei ist es natürlich noch nicht. Zum Espresso werden noch einige Friandises gereicht. Man merkt auch bei diesen kleinen Happen, dass man sich hier auf die Pâtisserie versteht. Mich mit jedem einzelnen Dessert zu überzeugen ist nicht so einfach. Die Lampart's und ihr Küchenteam schaffen es scheinbar mühelos.

Selten wurde ich von einem Essen so positiv überrascht. Im Lampart's treffen tolle Produkte auf beeindruckendes Handwerk. Was mich jedoch am meisten fasziniert, ist dieses unbedingte Streben nach Harmonie auf dem Teller. Wie Reto Lampart diese Harmonie über das gesamte Menü aufrecht erhält, ohne dabei in Langeweile oder gar Beliebigkeit abzudriften, zeugt von grossem Können. Zusammen mit der wunderbaren Atmosphäre und dem relaxten, unaufdringlichen Service bietet sich dem Gast ein überaus gelungenes kulinarisches Gesamterlebnis. Bei meinem nächsten Besuch wird mich das Navi sicher nicht mehr lotsen müssen. Das Lampart's ist nun auf meiner kulinarischen Landkarte verankert.


Lampart's
Oltnerstrasse 19
4614 Hägendorf
+41 (0)62 209 70 60
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