Wirtschaft zum Wiesengrund (Hans-Peter Hussong) - Uetikon am See

Die Wirtschaft zum Wiesengrund ist eine Institution am Schweizer Sternehimmel. Hans-Peter Hussong kocht bereits seit 1990 im malerischen Uetikon am See in der Nähe von Zürich. Seit 1997 leuchten durchgehend 2* Michelin Sterne über dem Restaurant. Einige der besten Köche der Schweiz, wie beispielsweise Andreas Caminada vom Schloss Schauenstein (3* Michelin Sterne) oder auch der aktuelle Gault Millau Koch des Jahres Nenad Mlinarevic vom Restaurant Focus (2* Michelin Sterne), kochten in der Vergangenheit in der 3-Mann-Brigade von Hans-Peter Hussong. Wer solche Köche aus- und weiterbildet, der muss selber auch einiges auf dem Kasten haben. Ich freue mich darauf herauszufinden, wieviel Hussong möglicherweise in den ehemaligen Mitarbeitern stecken könnte.

An diesem sonnigen Samstagmittag bringe ich viel Zeit und Lust mit, um die Küche des Meisters kennenzulernen. Darum fällt meine Wahl unweigerlich auf das grosse Menu, obwohl einige der à la carte Gerichte verführerisch klingen. Kurz nachdem ich meine Wahl getroffen habe, werden einige Grüsse aus der Küche serviert.

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Ich starte mit der Linsensuppe. Der erste Eindruck wird vor allem von Pfeffer dominiert. Das ändert sich auch nicht mehr. Weiter zur Speck Quiche mit Sauerrahm. Mit einer guten Quiche kann man bei mir wenig falsch machen. So ganz überzeugt mich diese Interpretation allerdings nicht. Geschmacklich erinnert mich die kleine Tarte eher an einen Flammkuchen. Die typische, mundfüllende Süffigkeit einer guten Quiche fehlt. Als letztes widme ich mich dem Kichererbsenball. Es fehlt an Würze. Das Frittierfett dominiert die olfaktorische Wahrnehmung. Kein Beinbruch, aber dennoch enttäuschend auf diesem Niveau. Ich erwarte in einem klassisch ausgerichteten Restaurant kein Feuerwerk bei den Grüssen aus der Küche. Jedoch erwarte ich Qualität. Davon war bei den drei Amuse-Gueules leider noch nichts zu schmecken.

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Nach einer kurzen Pause folgen drei Amuse Bouches. Der Fisch beim Thunfisch Tatar ist von ordentlicher Qualität, das Tatar gut abgeschmeckt. Kein Grund in Jubelstürme auszubrechen, aber es geht immerhin aufwärts. Der gebeizte Lachs aus Schottland wird von einem Saucenklecks begleitet, der wohl Meerrettich beinhaltet, allerdings hauptsächlich nach Mayonnaise schmeckt. Obwohl die Qualität des Fischs wiederum ganz ok ist, ist das Interessanteste an diesem Happen das Ratespiel um das neben dem Lachs liegende Kraut. Ich vermute, es handelt sich um Schafgarbe. Kürbis mit Olivenkrokant ist ganz ordentlich, auch wenn die Proportionen nicht ganz stimmig sind und der Gesamteindruck zu stark ins Süsse driftet. Das ziemlich abgehalftert aussehende Blatt Kapuzinerkresse hätte es hier aber nicht gebraucht.

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Tarte von der Entenleber mit Passionsfrucht
Das Menu startet dann ultra-klassisch mit einer Entenlebertarte. Bis auf die gräuliche Leber schaut das ganz hübsch aus. Doch leider sieht die Foie nicht nur grau aus, sie schmeckt auch irgendwie so. Ein leicht unangenehmer, metallischer Geschmack bleibt am Gaumen haften. Obwohl die Passionsfrucht die Tarte eigentlich dominiert, schlägt wie bereits zuvor bei der Linsensuppe wieder ein ziemlich übertriebener Pfeffergeschmack durch. Hinter der "dekorativen" Blumenblüte versteckt sich noch ein Stück getrockneter Apfel (nicht im Bild sichtbar), der keinen schmeckbaren Beitrag zu diesem Gericht leistet, sondern lediglich etwas pappige Textur beisteuert. Kein gelungener Auftakt ins Menu.

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Kabeljaurückenfilet in der Meerrettichkruste auf Randenvinaigrette
Ich muss gestehen, dass ich diese Art von Anrichten mittlerweile so selten sehe und mich darum zumindest bei diesem Teller darüber freue. Und siehe da, Hussong überzeugt nun nicht nur optisch. Der Fisch ist zwar wiederum nicht von allerbester Qualität, jedoch fällt dies hier nicht so sehr ins Gewicht. Ein Rädchen greift nämlich ins andere. Die Meerrettichkruste versprüht am Gaumen nur einen ganz sanften Meerrettichduft, beinahe zahm, könnte man sagen. Sie sorgt vor allem für eine gewisse Mundfülle. Die Randenvinaigrette spielt die Süsse des Fuchsschwanzgewächses voll aus, die Säure ist sorgfältig dosiert. Durch die Rote Bete Stücke wird das Gericht texturell sinnvoll erweitert. Ein wohlschmeckender Gang, der durch das harmonische Zusammenspiel der einzelnen Elemente überzeugt.

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Roulade von Langustinen auf Schmorgurken und Hummercoulis
Mein potenzieller Lieblingsgang wird serviert. Obwohl ich mir beim lesen bezüglich der Schmorgurken nicht ganz sicher bin. Das Problem bei diesem Gericht liegt dann aber an einem ganz anderen Ort. Die Langustinen sind von unterdurchschnittlicher Qualität. Leider fällt auch das Hummercoulis vergleichsweise wenig aromatisch aus. Obwohl das dunkle Braun der Sauce eigentlich eine hohe Intensität suggeriert. Zu allem Überfluss werde ich nach dem ersten Bissen der Kartoffelchips den Fettgeschmack nicht mehr los, der fortan alle weiteren Gabeln überlagert. Das einzig wirklich Gute an diesem Gang sind die Schmorgurken, die immerhin noch angenehm erdig-frisch schmecken. Auch so kann man überrascht werden.

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Hirschkalbrücken mit Selleriemousseline und Steinpilzen
Ich freue mich selten auf den Hauptgang. Heute schon. Nach dem grösstenteils durchschnittlichen Meeresgetier hoffe ich auf ein anständiges, gehaltvolles Stück Fleisch. Genau das bekomme ich auch. Die grosszügige Tranche überzeugt durch kerniges Wildaroma und einen gut getroffenen Garpunkt. Dazu gesellt sich eine gefällige Selleriemousseline, deren Selleriearoma jedoch durchaus etwas intensiver hätte ausfallen dürfen. Vervollständigt wird der Teller durch die klassischen Begleiter Rosenkohl, Marone und Steinpilz. Vor allem die Rosenkohlblätter steuern eine willkommene bittere Note bei, die das ansonsten schwere Gericht etwas leichter wirken lässt. Zu diesem Zeitpunkt ist dies genau der Hauptgang, den ich mir gewünscht habe. Auch wenn es mir ganz gut schmeckt, muss ich konstatieren, dass es der Sauce an Tiefe fehlt. Von einer Sauce in einem 2-Sterne-Restaurant mit Fokus auf klassische Küche erwarte ich hier deutlich mehr.

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Schokoladenkuchen auf Zwetschgenkompott mit Mandeleis
Das lieblos angerichtete Dessert wartet mit einem geschmacklich guten Schokoladenkuchen auf, der jedoch etwas zu trocken geraten ist. Dazu gesellt sich ein viel zu stark parfümiertes Mandeleis, welches nur nach Bittermandel schmeckt. Schade um das handwerklich gut gemachte Eis. Am besten gefallen mir die eingelegten Pflaumen. Die Steinobsthälften sind wunderbar reif, saftig und passen gut zum Küchlein.

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Zum Espresso gibt es noch einen Teller voller Friandises, die mich nur bedingt überzeugen. Auch hier sind viele der Gebäcke etwas zu trocken geraten. Ein leider passender Abschluss zu einem unbefriedigenden Essen.

Wie viele andere Essverrückte auch, stütze ich mich bei meiner Suche nach interessanten Restaurants, unter anderem, auf das Urteil des Guide Michelin. Die Bewertung der roten Bibel schürt Erwartungen. Im Fall der Wirtschaft zum Wiesengrund werden diese durch die 18 Punkte des in der Schweiz relativ beliebten Gault Millau zusätzlich verstärkt. Wie diese beiden Guides das Wiesengrund so hoch bewerten können, ist mir ein Rätsel. Wenn ich in ein 2-Sterne-Restaurant einkehre, erwarte ich einen hohen Standard was Produktqualität, Handwerk und vor allem Geschmack auf dem Teller betrifft. Leider wurden meine Erwartungen an diese Standards heute nicht erfüllt. Dass mich die Küche enttäuscht hat ist eine Seite der Medaille. Es sollte zwar auf diesem Niveau nicht vorkommen, passiert jedoch leider immer wieder mal. Viel schwerer wiegt in meinen Augen die Enttäuschung, die durch die grossen Guides verursacht wird. Schlussendlich kommt man als Gast natürlich nicht umher, sich selbst ein Bild eines Restaurants zu machen, um dessen Qualität beurteilen zu können. Wenn jedoch eine solche Diskrepanz zwischen der durch die Medien kolportierten Qualität eines Restaurants und dem in Realität aufgetischten Essen herrscht, kann der Gast fast nur enttäuscht werden.

Die Wirtschaft zum Wiesengrund wurde dauerhaft geschlossen.


Wirtschaft zum Wiesengrund
Kleindorfstr. 61
8707 Uetikon am See
+41 (0)44 920 63 60
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