Fritz Lambada (Simon Schneeberger) - Winterthur

Winterthur, immerhin die sechstgrösste Stadt der Schweiz, ist seit Jahren Brachland was die gehobene Gastronomie betrifft. Das war nicht immer so, doch in den vergangenen zehn Jahren wurden alle Restaurants mit Stern - oder der Ambition auf einen solchen - entweder geschlossen oder einem neuen Konzept unterworfen. Umso mehr habe ich mich über die Eröffnung des Fritz Lambada gewundert. Zuerst mal über den Namen. Der, wie mir der Chef später im Interview verrät, in einer feuchtfröhlichen Nacht entstanden ist. Dann über die Location. Der Rote Turm nahe des Hauptbahnhofs war bisher eher dafür bekannt, jedes Gastronomiekonzept das im 23. Stock des zweithöchsten Gebäudes der Stadt Fuss fassen wollte kurz anzukauen, um es dann schnell wieder auszuspucken. Dann über die Küche. Die Medien sehen im Fritz Lambada einen Verteter der "New Nordic Cuisine", weil Chef und Fritz Lambada-Vordenker Simon Schneeberger mal zwei Wochen im weltbekannte Noma stagierte. All das hat mich nicht nur verwundert, sondern auch so neugierig gemacht, dass ich mich nun an einem regnerischen und kalten Frühherbsttag in einem Lift befinde, der mich 90 Meter nach oben ins Fritz Lambada fährt. Der erste Eindruck ist schon mal sehr positiv, denn so chic und stylish hat es hier oben noch nie ausgesehen. Die Aussicht war zwar immer schon ganz nett, doch deswegen bin ich natürlich nicht hier. Mich interessiert die Küche von Simon Schneeberger, die heute in einem Carte Blanche Konzept serviert wird (mittlerweile ist es auch möglich, die Karte vorher einzusehen). Ohne weitere Umschweife geht's los...

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Den Start macht ein Oxtail-Schwartenmagen. Eine richtige Wuchtbrumme, intensiv fleischig und hocharomatisch, die nach lang gekochter Suppeneinlage schmeckt. Die Kapern bringen etwas benötigte Säure ins Spiel. Geschmacklich ist der Snack top, jedoch etwas gross geraten und zu kühl serviert.

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Es folgt ein Nüsslisalat-Pinsel mit Pilz-Vinaigrette. Man zieht den Pinsel durch die Vinaigrette, beisst ab, und saut sich und den Tisch dabei ein bisschen voll. Ein süsser Spass, der komplett überzeugt. Hauptsächlich dank dieses unglaublich guten Pilzelixiers, von dem ich auch noch den letzten Tropfen direkt aus der Schüssel trinke.

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Nicht weniger gelungen ist die wilde Wattensee-Auster im Sepia-Tempurateig mit Bergamotte. Die riesige Auster schmeckt nach den peitschenden, kühlen Nordseegewässern, nur dezent jodig und ist richtig fleischig. Ein grossartiges Exemplar, das sehr zart eingefasst ist und so seine Vorzüge voll zur Geltung bringen kann. Klasse.

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Baked Potato mit Saucisson Vaudoise und Bohnen bringt Spass durch seine Reminiszenz an diese klassische Schweizer Herbst-Winterkombination, ist jedoch um einiges feiner und eleganter, als wenn man sich selbst an den Herd stellt um sowas zuzubereiten. Sehr gelungen.

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Ein Käse-Crisp mit Etivaz-Crème und Americano-Chutney folgt. Grossartig wie die Küche hier die beiden geschmacklichen Komponenten ausgearbeitet hat und dann zusammenführt. Knusprig, intensiv "käsig", fruchtig - da könnte ich gut und gerne noch ein paar Stück davon verdrücken, so gut sind die kleinen Dinger.

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Den Abschluss der Snack-Armada macht ein Sauerteigtoast mit Pilzragout und gesalzenem Eigelb. Einmal mehr zeigt sich hier das feine Gespür der Küche für die Proportionen und die Würzung eines Gerichts. Fantastisch.

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Auf keinen Fall entgehen lassen will ich mir das Sauerteigbrot. Schneeberger hat ein halbes Jahr getüftelt, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Seine Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt, denn so ein fantastisches Sauerteigbrot muss man in der Schweiz suchen. Es ist so verdammt gut, dass ich mir noch einen Laib für zuhause mitnehme (was übrigens alle Brotnerds machen können, da es u.a. direkt im Restaurant gekauft werden kann).

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Herbstlich wird's beim ersten Gang. Die Kürbisrolle besteht aus einer Hülle von gepickletem Kürbis, die mit grilliertem Kürbispüree, Kürbiskernen und dehydriertem Kürbis gefüllt ist. Dazu wird ein Kürbisfond angegossen sowie etwas Kürbis-Öl und Kürbiskern-Öl. Ich bin ein grosser Freund von solchen Deklinationen, weil es unheimlich spannend ist, ein Produkt vollumfänglich zu erkunden und sein gesamtes Geschmacksprofil kennenzulernen. In diesem Fall gesellen sich zur typischen Süsse eine kräftige Grillnote, die Nussigkeit der Kerne und um das Ganze auszugleichen die Säure des eingelegten Exemplars. Daneben überzeugt dieser Gang auch texturell, da von knackig über cremig bis crunchy alles dabei ist. Ein grandiose Menüeröffnung.

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Sogar noch etwas besser sind die Muscheln mit Fenchel. In der Schale befindet sich Muschelschaum, Sous-Vide gegarter Fenchel, Fenchelpüree und Dill-Tapioka-Perlen. Der Schaum hat eine unglaubliche Tiefe und Eleganz, vermittelt trotz der bescheidenen, aber eben qualitativ sehr hochwertigen Zutaten ein Gefühl von Luxus. Schneeberger zeigt hier erneut sein Talent wenn es um Saucen, Schäume und weitere flüssige Elixiere geht. Zum Reinlegen gut. Daneben werden noch einwandfreie, saftig-knusprige Muschelkroketten serviert sowie ein für meinen Geschmack etwas zu salzig geratener Tapioka-Crisp mit Dill-Mayo. Ich hätte mich auch gut nur mit dem fabelhaften Inhalt der Schüssel beschäftigen können und hätte die Beilagen gar nicht gebraucht.

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Schon beim Hauptgang angelangt? Ich hätte rein gar nichts gegen den einen oder anderen Zusatzgang einzuwenden. Wer würde es mir verdenken beim bisher Gezeigten. Nun steht Alpenlamm, Sellerie und Apfel auf dem Programm. Das am Knochen gereifte Lamm kombiniert man mit geröstetem Sellerie, Sellerie-Rollen, fermentiertem Apfel, Olivenkraut, Apfelpüree und einer Lammjus mit grillierten Äpfeln und Olivenkraut. Die Einfassung des fantastischen Lamms (dieses unglaubliche Fett!) fällt relativ klassisch aus, doch keineswegs simpel oder gar langweilig. Die erdige Knolle und der angenehm saure Apfel ergänzen das umwerfende Fleisch optimal und bringen neben ihren geschmacklichen Attributen auch texturelle Abwechslung auf den Teller. Das Highlight ist jedoch erneut die flüssige Beigabe. Eine brillante Lammjus, die nur so strotzt vor tagelang eingeköchelter Komplexität und Intensität, bringt alle Komponenten zusammen. Mann, ist das gut!

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Die Überleitung in den süssen Teil des Abends macht ein klassischer Schlorzifladen. Gepimpt wird der Rahmkuchen mit angenehm säuerlicher Quitte, die viel von der sonst so üblichen Schwere nimmt, und einem Eis, das mit einigen Crumbles unterlegt ist. Ein mundfüllender und dennoch erfrischender Genuss.

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Das erste Dessert hingegen weiss nicht ganz so zu begeistern. Das grillierte Mais-Glacé mit karamellisiertem Popcorn, Popcorn-Porridge und Cassis-Reduktion ist an und für sich eine stimmige Idee, jedoch fehlt es hier etwas an Balance. Insgesamt ist das Gericht zu dumpf und man vermisst ein bisschen Zucker. Anders gesagt, es isst sich etwas fad. Kein Beinbruch und nichts, was man mit ein bisschen Feintuning nicht beheben könnte.

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Ähnlich verhält es sich beim zweiten Dessert Zwetschge und Sonnenblumenkerne. Das Rosengewächs wird hier durchdekliniert und landet als Granité, pochiert, dehydriert und als Madeleine mit Sonnenblumenkernen auf dem Teller. Begleitet wird das Ganze von einem Sonnenblumenkernpüree. Der Gedanke, einem oft unterschätzten Obst wie der Zwetschge mal den Platz im Rampenlicht zu gewähren ist lobenswert, jedoch funktioniert es hier leider nur bedingt. Der Gesamteindruck ist zu sauer und vor allem auch zu kalt. Man merkt, dass das Zusammenspiel der beiden Komponenten eigentlich spannend wäre, doch in der Umsetzung und auch der Qualität der Pflaume haperts dann doch ein wenig. Schade.

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Ganz anders nun die Friandises. Einmal wäre da eine fantastische, den Winter ankündigende Tannen-Praliné, die toll gearbeitet ist und den ätherischen Duft eines regennassen Waldes im Herbst und frischem Tannenharz am Gaumen verströmt. Sogar noch besser ist eine Schokolade mit geräuchertem Markbein-Toffee, Fenchel und getrockneten Äpfeln. Was im ersten Moment etwas gar wild klingt, entpuppt sich als ein perfekt abgestimmter Abschluss und Tüpfelchen auf dem "i" eines in grossen Teilen fantastischen Dinners.

Vor meinem Besuch wusste ich nicht so recht, was mich im Fritz Lambada erwarten würde. Immer wieder las man von Schneebergers Wurzeln in der "New Nordic Cuisine", als ob dies der Ausrichtung seines eigenen Kochstils entspricht. Ich kann diese Analogie nur bedingt nachvollziehen, aber es verkauft sich wohl gut sowas zu schreiben. Schneebergers Küche als New Nordic abzustempeln greift viel zu kurz und ist vor allen Dingen auch einfach nicht akkurat. Klar, man schmeckt und sieht gewisse skandinavische Einflüsse in den Gerichten, aber genauso Einflüsse aus Italien, bzw. der mediterranen Küche und natürlich der Schweiz. Etwas präzisiert ist die Küche des Fritz Lambada eine moderne, nachhaltige Regionalküche, die sich aber vor keinen Einflüssen verschliesst oder dich selbst dogmatisiert. Ich war sehr positiv angetan vom hochstehenden Handwerk, den fantastischen Produkten und vor allem von den fantastischen Saucen, die Schneeberger und sein Team kochen. Warum das Restaurant im 2018er Guide Michelin nicht mit einem Stern bedacht wurde, ist mir angesichts des heute gezeigten (minus der zwei Desserts) absolut unverständlich. Ohne Zweifel wird der Guide dies im nächsten Jahr korrigieren müssen und den verdienten Stern ins Fritz Lambada schicken. Ich für meinen Teil freue mich schon auf den nächsten Besuch.


Fritz Lambada
Theaterstrasse 17
8400 Winterthur
Schweiz
+41 (0)52 212 00 22
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