Die Burg (Jason Grom) - Donaueschingen

Zwei Brüder eröffnen gemeinsam ein Restaurant. Soweit nichts ungewöhnliches. Doch als mir Niklas Grom an einem seiner letzten Arbeitstage im grandiosen, mittlerweile leider geschlossenen, Dreizehn Sinne erzählt, dass er und sein Bruder Jason ein gemeinsames Projekt planen, sind meine Ohren mehr als gespitzt. Niklas war damals Restaurantleiter des Dreizehn Sinne und gerade dabei seine Sommelierausbildung erfolgreich abzuschliessen. Davor hat er unter anderem im Prisma* in Vitznau oder im La Vetta* in Arosa gearbeitet. Jason, sein kochender Bruder, hat spannende Stationen wie das Steirereck** in Wien (zum Bericht) und die Paznauerstube in Ischgl hinter sich, war Souschef im Prisma* in Vitznau und hat Stages auf Schloss Schauenstein*** (zum Bericht) sowie im Le Moissonnier** in Köln in seiner Vita stehen. Dazwischen hat er seinem Kumpel Benjamin Just noch bei der Eröffnung des Regina Montium* (zum Bericht) geholfen.
Im vergangenen Sommer wurde dann publik, dass die beiden in die Heimat zurückkehren, um ein Hotel mit Restaurant zu betreiben. Gemeinsam mit einem Investor eröffneten sie im September 'die burg' in Aasen, einem Stadtteil von Donauscheschingen im Süden Deutschlands. Da trifft es sich gut, dass 'die burg' auf meinem Weg zur Schwarzwaldstube (zum Bericht) liegt.
Ich bekomme zum Samstagslunch die Möglichkeit, sowohl das reguläre als auch das vegetarische Menü zu verkosten. Zu einem Glas des Haussekts aus der Pfalz werden zwei Kleinigkeiten gereicht...

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... ein Apfelgranité mit Staudensellerie ist ein erfrischender Rachenputzer und changiert gekonnt zwischen Säure und Erdigkeit. Der geräucherte Schweinenacken mit Zwiebelschaum und Orange ist ein wuchtiger, herzhafter Happen, der durch den Einsatz der Orange einen ungewöhnlichen Twist erhält.

Die vegetarische Menüeröffnung Vulkanspargel mit Buchweizenmarinade, geräuchertem Ziegenricotta, Champignoncreme und Quittenkompott lässt mich beim Lesen der Karte etwas verdutzt zurück, da ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wo man im Spätherbst Spargel herbekommen soll. Wie sich herausstellt, handelt es sich beim Vulkanspargel um einen anderen Namen für Puntarelle. Man lernt nie aus. Insgesamt ist das eine feinsinnige, leise Kombination, die ein richtiges Hinschmecken erfordert. Im ersten Moment scheint es beispielsweise an Salz zu fehlen, doch mit jeder weiteren Gabel fügen sich die einzelnen Elemente zu einem gelungenen Ganzen zusammen. Schön.
Ähnlich verhält es sich bei der Schwarzwaldforelle mit Buttermilchkräutersud, mariniertem Knollen- und Staudensellerie, Apfel, Meerrettich und Forellenrogen. Sehr zurückhaltend gewürzt will der Teller vorsichtig erkundet werden. Erst nach und nach öffnet sich das Geschmacksspektrum vollständig. Die zurückhaltende Fleischigkeit des Fischs, die aufplatzenden, kühlen Rogen, die Säure des Suds und des Apfels, die Erdigkeit der Gemüse sowie die ganz dezente Schärfe des Meerrettichs. Sehr spannend und vor allem richtig gut.

Der fleischlose Zwischengang Ravioli mit Ziegenkäse und Topfen gefüllt, Blattspinat, Waldpilzrahmsoße und geröstete Haselnüsse punktet geschmacklich auf ganzer Linie. Herzhaft, cremig, voller Umami und durch die Nüsse mit einem knusprigen Akzent versehen ist der Teller im Nu verputzt. Einziger kleiner Kritikpunkt ist die Dicke des Pastateigs, der etwas dünner sein dürfte.
Im Weisswein geschmorte Schweinebäckle mit Schwarzwald-Miso-Sauce, Bohnen, Steinpilzen und Kartoffelschaum haut mich schier aus den Socken. Hier stimmt alles. Angefangen beim charaktervollen, ultrazarten Bäckchen, das ganz einfach perfekt ist. Damit das Gericht texturell nicht zu eindimensional ausfällt, setzt Grom dem am Gaumen förmlich zerfallenden Fleisch und dem leichten Schaum etwas Knackiges in Form der Bohnen entgegen. Die Pilze sorgen zusätzlich für etwas Abwechslung im Mund. Der eigentliche Clou ist aber die Misosauce, die alle Elemente kongenial zusammenbringt und der eine unheimliche Komplexität innewohnt. Grandios! Diesen Gang als Highlight des Lunchs zu toppen wird schwierig.

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Doch es folgt ein Überraschungsgang, der es ebenfalls in sich hat. Fischmaultasche gefüllt mit Zanderfarce und Saibling, Schinken-Beurre Blanc und Wirsing ist mal ganz locker die beste Maultasche, die ich jemals gegessen habe. Der hauchdünne Teig (warum nicht auch bei den Ravioli?) ist gefüllt mit einer Fischmasse, die eben nicht nur eine pampige Masse ist, sondern das verwendete Produkt noch erkennen lässt. Dazu ist sie schön kräftig, ohne dass der subtile Fischgeschmack untergeht. So muss das sein. Und erst diese Beurre blanc, deren belebende Säure das Gericht herrlich leicht wirken lässt und gleichzeitig für einen zusätzlichen salzigen Kick sorgt, der dem Schinken zu verdanken ist. In diesem Elixier möchte man baden. Was für ein unglaublich gutes Gericht. Lediglich das noch anstehende Programm verhindert, dass ich einen Nachschlag bestelle.

Anstatt den vegetarischen Hauptgang zu probieren, entscheide ich mich nach Rücksprache mit Niklas Grom dafür, den neuen, herbstlichen Fleischgang zu bestellen. Dabei handelt es sich um einen Hirschrücken mit gelber und roter Bete, Süsskartoffelschaum, Gewürzjus mit Fichtenwipfelöl. Tadelloses Handwerk paart sich hier mit einem tollen Hauptprodukt und auch die Einfassung ist grundsätzlich stimmig. Vor allem der Gewürzjus mit dem kräftigen Öl ist in Kombination mit dem Wild und den Beten ein Volltreffer. Einzig mit dem Süsskartoffelpüree schiesst man ein bisschen übers Ziel hinaus. Das Gericht ist durch die Rüben bereits mit genügend Süsse ausgestattet und droht deshalb durch den Schaum in eine zu liebliche Richtung zu kippen.
Den Abschluss des herzhaften Menüteils macht eine Barbarie Ente mit Rotkraut-Kimchi, geschmortem Keulenfleisch, Pflaumencrème, Federkohl und Kerbelwurzeln mit Trüffelcrème. Für mich persönlich ist die Brust einen Tick zu lange gebraten, was dem Geschmack freilich keinen Abbruch tut. Die Begleitung fällt hier deutlich kräftiger aus als bei den vorherigen Tellern, was hautpsächlich am Kimchi liegt. Diese unnachahmliche Kombination von fordernder Säure, Crunch und den komplexen Fermentationsnoten ist herrlich und passt wunderbar zur Ente. Der heimliche Favorit liegt jedoch im Schälchen neben dem Teller. Die an perfekte belgische Pommes erinnernden Kerbelwurzeln sind gefährlich gut. Aussen knusprig, innen fluffig und dank der Trüffelcrème nicht zu sehr ins Süsse abdriftend. 

Obwohl mich mein Gurt nun schmerzlich daran erinnert, dass ich eigentlich nicht mehr weiteressen sollte, kann ich mir die beiden Desserts natürlich nicht entgehen lassen. Ein pochierter Elstar Apfel mit Frischkäsecrème, Briochecrumble, Honig-Rapsölsud, Hefeeis und Blütenpollen bestätigt umgehend, dass sich diese Entscheidung gelohnt hat. Obwohl die Geschmackswelt natürlich eine gänzlich andere ist, als bei den Vorspeisen, ist der Geist derselbe. Zurückhaltend, sich langsam entfaltend und in Schichten aufbauend zu etwas, das man so eigentlich gar nicht erwartet. Sehr, sehr gut.
Etwas konventioneller, aber nicht weniger schmackhaft, ist das weisse Schokoladenparfait mit eingelegten Waldbeeren, Joghurt und Mohnkuchen. Nicht überbordend süss, mit angenehm erfrisched-säuerlicher Frucht und Nussigkeit durch den Mohn. Ein gelungener Abschluss.

Die Brüder Grom haben mich heute sehr positiv überrascht. Dass Niklas ein toller Gastgeber und ausgezeichneter Sommelier ist, wusste ich schon vorher. Zu was genau Jason Grom fähig ist, konnte ich bisher jedoch nur erahnen. Nach dem Lunch ist klar, er ist überaus begabt! Das Essen war durchgehend sehr gut, einige Gänge (Schweinebäckchen, Maultasche) wussten mich sogar absolut zu begeistern. Man erkennt bereits den Beginn einer eigenen Handschrift, was mich fast am meisten verblüfft hat. Ich bin mir sicher, dass man von den beiden in Zukunft noch viel hören wird und dass sie eher früher als später auch in den einschlägigen Guides zu finden sein werden. Mein nächster Besuch wird sicher nicht sehr lange auf sich warten lassen. Dann soll 'die burg' nicht nur ein Zwischenstopp, sondern das Ziel der sein.


die burg
Burgring 6
78166 Donaueschingen-Aasen
Deutschland
+49 (0)771 17 51 00 50
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