Christian Kuchler & Stefan Heilemann @ Ecco - Zürich
Köche, die den heimischen Herd für Promotionzwecke verlassen, sind in den vergangenen Jahren sehr "en vogue". Manche reisen (un-) freiwillig um die Welt, um mit Vorträgen und Gastkochauftritten in fremden Küchen ihr Stammhaus in einschlägigen Listen und Rankings möglichst weit vorne zu platzieren und so die internationale Foodie-Szene und andere potente Essinteressierte in ihre Restaurants zu locken. Natürlich hat nicht jedes Lokal ein Hotel als Träger oder verfügt über wohlhabende Sponsoren, die ein Esstempel zu betreiben als Hobby betrachten. Durch die Reiserei steigt die Bekanntheit, die Hoffnung auf volle Reservationsbücher steigt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass gerade das Kochen auf unbekanntem Terrain, oftmals ohne eigenes Team vor Ort, mit Zutaten, die nicht dem gewohnten Standard entsprechen oder sogar ausgetauscht werden müssen, weil 'das Original' vor Ort einfach nicht zu bekommen sind, selten ein durchschlagender Erfolg sind. Zumindest aus kulinarischer Sicht. Deshalb verzichte ich mittlerweile grösstenteils auf die Teilnahme an solchen Events. Schliesslich geht es bei meinen Restaurantbesuchen nicht darum, ein Foto mit irgendeinem Koch zu schiessen, sondern ums Essen.
Wenn Stefan Heilemann für die Ecco-All-Stars Reihe Gäste zu sich ins Ecco holt, dann kann man davon ausgehen, dass das eine ganz andere Art von Veranstaltung wird. Eine, bei der das Essen im Mittelpunkt steht. Dieses Jahr hat er sich in Moses Ceylan und Sebastian Zier aus dem Einstein Gourmet in St. Gallen, Paul Ivic aus dem Tian in Wien und Christian Kuchler aus der Taverne zum Schäfli in Wigoltingen Freunde nach Zürich eingeladen, um gemeinsam mit ihnen zu kochen. Keiner der Gastköche muss dafür um die halbe Welt reisen. Alle Produkte die im eigenen Restaurant Verwendung finden, können auch im Ecco problemlos besorgt werden oder werden von den Chefs selbst mitgebracht. Jeder dieser drei Abende steht eher für ein "Essen unter Freunden" als dass die riesige PR-Trommel gerührt werden würde. So zumindest der nach aussen transportierte Eindruck. Ich habe das Vergnügen, das 4-Hands-Dinner mit Christian Kuchler besuchen zu können. Der ebenfalls zweifach besternte Chef aus Wigoltingen und Stefan Heilemann haben schon öfters zusammen gekocht. Beste Grundvoraussetzungen also, um auf ein hochstehendes Dinner hoffen zu können.
Bei frühsommerlich heissem Wetter geht's auf der schattigen Terrasse mit diversen Snacks los, die nach und nach vom Service unter die Leute gebracht werden. Mit dabei sind ein Steamed Bun sowie Lachsforelle mit Gurke und Yuzu vom Ecco Team sowie ein Vitello Tonnato aus der Taverne zum Schäfli (1. Bild). Ein asiatisch gewürtzer Schweinebauch von Christian Kuchler (2. Bild). Eine Foie Gras Kreation (3. Bild) sowie Krabbe mit Gemüse (letztes Bild) von Heilemann. Ein überaus überzeugender Auftakt der beiden Ausnahmekönner, der die Vorfreude nochmals mächtig steigert. Es waren sogar noch ein, zwei mehr Snacks im Umlauf, allerdings habe ich diese leider verpasst.
Im klimatisierten Restaurant eröffnet Christian Kuchler das Menü mit einem Gericht, das mich bei meinem letzten Besuch in der Taverne zum Schäfli bereits begeistert hat: Jakosbmuschel, Haselnuss, Ananas und Algen. Auch die heutige Inkarnation weiss zu überzeugen. Die Nussigkeit der St. Jacques wird durch die Haselnüsse toll akzentuiert, zusätzlich sorgen die Kerne für einen schönen Crunch. Die süssliche, maritim-frische Seite der Muschel hingegen wird von der Säure der Ananas schön konterkariert und bringt eine stramme Lebendigkeit ins Spiel. Die Algen unterstreichen die jodige Natur des Meeresbewohners, halten sich aber ansonsten eher dezent im Hintergrund. Ein grandioser Auftakt, der ein exzellentes Produkt in den Mittelpunkt stellt, sehr fein ausbalanciert ist, ohne dabei auf Ecken und Kanten zu verzichten. Ebenfalls wie in Wigoltingen wird dieser Gang durch eine à part gereichte Kombination vervollständigt. Die Zutaten wurden mittlerweile leicht variiert und bestehen nun aus gebratener Muschel mit Ananas, Limette, Koriandersalat und Beurre Noisette. Wenngleich diese 'Beilage' eleganter daherkommt als die Ursprungsversion im Stammhaus, erschliesst sich mir die Notwendigkeit aufgrund des überwältigend guten Haupttellers nicht wirklich.
Der Gastkoch aus Wigoltingen ist auch gleich für den nächsten Gang zuständig. Der Kaisergranat mit Karotte, Kaffir Limette und Yuzu ist ebenfalls ein alter Bekannter und weiss wie der erste Teller zu erfreuen. Dieses Prachtexemplar einer Langoustine ist fast schon furchteinflössend gross, natürlich perfekt glasig gegart und zeigt seine allersüsseste Seite. Da braucht es kein grosses Brimborium drumherum. Deshalb arbeitet Kuchler die Süsse des Granats durch die Karotten lediglich ein wenig stärker heraus und setzt diesen beiden Elementen dann einer prägnanten, herb-exotische Säure entgegen, die diesen Gang trägt. Ein puristisches Vergnügen höchster Güteklasse.
Nun darf auch der Gastgeber mal einen Gang schicken. Da Kuchler sehr stark vorgelegt hat, lassen sich Heilemann und Team natürlich nicht lumpen und zeigen sich beim Thunfischbauch, Gillardeau Auster, Zwiebel, Wacholder, Oscietra Kaviar sofort auf Betriebstemperatur. Durch das Fett des Otoro wird der Gaumen von einer riesigen Aromenwelle geflutet, alle Rezeptoren leiten auf Hochtouren die gewaltige Masse an Eindrücken weiter, die sich zu einem fast schon an Überforderung grenzenden Ganzen zusammenschliessen. Eine volle Ladung Meer entlädt sich, durch die Kraft der bescheidenen Zwiebel superb konterkariert, während der Wacholder nur ganz hintergründig, aber durchaus wahrnehmbar, eine feine Würze beisteuert. Wuchtig und vor allem ganz exzellent!
Vor dem Hauptgang darf nochmals Kuchler ran und schickt mit Wildfang Steinbutt, Prince de Bretagne, Spinat und Vin Jaune eine weitere Schönheit. Der Fisch hat eine superbe Qualität und profitiert von den leckeren Röstaromen, die ihm helfen geschmacklich gegen die bitteren Artischocken und die säurebetonte Sauce zu bestehen. Dieser wunderbare Dreiklang muss einem zwangsläufig ein Grinsen aufs Gesicht zaubern, so lecker ist das. Und diese fast schon süchtigmachende Sauce - eine Passion die Kuchler und Heilemann eint - will bis zum letzten Tropfen vom Teller geleckt werden. Mhhh....
Die Ecco Mannschaft beschliesst den herzhaften Teil des Abends mit Miéral Perlhuhn, weissem Spargel, Morcheln und Périgord Trüffel. Bereits bei der Annoncierung ist klar, dass das einfach nur grandios werden kann (wie so vieles heute). Supersaftiges Geflügel, bissfeste und intensive Spargeln, richtig Kraft durch die Pilze und dann noch diese ultratiefe Sauce. Muss man hierzu wirklich mehr sagen als grandios? Ich glaube nicht. Also: grandios!
Das erste Dessert dreht sich um die Thurgauer Erdbeere, die mit Gin Sul und Basilikum kombiniert wird, und stammt aus der Küche der Taverne zum Schäfli. Die fruchtige Intensität der Erdbeeren ist bemerkenswert und wird durch die unterschiedlichen Präparationen des Rosengewächses zusätzlich gesteigert. Der Gin bewegt sich aromatisch eher im Hintergrund und ist als würzendes Element wahrzunehmen, wohingegen der Basilikum - der bekanntlich exzellent mit Erdbeeren harmoniert - mit seiner typisch kräuterig-sommerlichen Note diesen Teller optimal abrundet. Im Nu ist das weggelöffelt.
Von Pâtissier André Siedl aus der Ecco Küche stammt die Felchlin ‘Cru Cuba’ Schokolade mit Sauerampfer und Apfel. Ein Dessert, wie es nicht typsicher sein könnte für dieses erstklassige Restaurant. Der eindringlichen Schokolade wird mit dem Sauerampfer ein säuerlich-herber Mitspieler entgegengestellt, der einerseits für ungeschulte Gaumen in gewisser Weise sicher fordernd ist, andererseits aber so gut passt, dass es einfach nur eine wahre Freude ist, eine solche Kombination kennenzulernen. Um das Triumvirat zu vervollständigen, setzt Siedl mit dem Apfel auf eine frisch-fruchtige Komponente, die das oft zitierte Pünktchen auf dem i ist.
Obwohl es eigentlich an der Anzahl der Gänge gemessen kein sehr üppiges Mahl war, hatten es die einzelnen Teller portionstechnisch durchaus in sich. Deshalb bin ich eigentlich bereits pappsatt, als die Petits Fours serviert werden. Da ich jedoch um die Qualität dieser abschliessenden Snacks weiss, werden auch diese noch bis zum letzten Krümel vertilgt.
Ein Abend wie der heutige zeigt, dass Köche auch in fremden Küchen durchaus Höchtleistungen zu bringen im Stande sind. Dafür muss aber der Rahmen stimmen, und das war im Ecco ganz klar der Fall. Bei Kuchler und Heilemann hat das gemeinsame Kochen zusätzlich den Vorteil, dass sich ihre Küchen nicht am jeweils anderen Ende des Kochuniversums befinden. Man findet durchaus Überschneidungen bei den Vorlieben der beiden Chefs, auch bei der kulinarischen Sozialisation und der grundsätzlichen Ausrichtung ihrer Kochstile. Das sorgt dafür, dass das Menü einen guten Fluss hat und wie ein gemeinsam erdachter Effort wirkt. Nicht einfach eine Abfolge von alternierend servierten Gerichten. Das ist natürlich keine Grundvoraussetzung für ein gelungenes Dinner, doch ein roter Faden ist sicher nichts verkehrtes. Wenn alle Gastkochauftritte und 4-Hands-Dinner so exzellent wären, würde ich mit Sicherheit wieder öfters der Neugier folgen und die Skepsis beiseite schieben. Bei der nächsten Aufführung der Ecco-All-Stars werde ich auf jeden Fall versuchen mehr als einen Event zu besuchen.
Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Informationen zu unserem Umgang mit Pressekonditionen findest du in den FAQ.