Schloss Schauenstein (Andreas Caminada) - Fürstenau
Die Serpentinen von Vals, wo ich gestern Abend ein exzellentes Essen bei Sven Wassmer im Silver genossen habe (zum Bericht), in Richtung Tal, verlangen eigentlich meine volle Aufmerksamkeit. Doch meine Gedanken sind nicht bei der anspruchsvollen Fahrt, sondern schon längst bei meinem nächsten Ziel: Schloss Schauenstein. Jeder Besuch bei Andreas Caminada beginnt für mich eigentlich schon mit der Reservation. Ich fange an mich zu fragen, wie, und ob sich das Menü weiterentwickelt hat, ob es wirklich wieder so gut schmecken wird wie die letzten Male, ob die Esszimmer wieder um ein neues Designelement erweitert wurden, welche das Erlebnis Schauenstein noch schöner, noch angenehmer gestalten. Meine Vorfreude auf jeden Besuch in Fürstenau ist jeweils gewaltig. Eigentlich liegt mir nicht so viel an der Bezeichnung "das beste...", doch die Küche von Andreas Caminada und die Besuche auf dem Schloss haben meine kulinarische Laufbahn in vielerlei Hinsicht wie kein anderes Restaurant auf der Welt geprägt. Viele Superlative, an denen ich andere Küchen messe, wurden genau hier gesetzt. Die Erfahrungen sind also ebenso gross wie die Erwartungen an das heutige Erlebnis. Als ich auf die Strasse einbiege die mich zum Schauenstein führt weicht die freudige Antizipation einer beruhigenden Gewissheit, dass mich Andreas Caminada und sein Team auch heute nicht enttäuschen werden. Die letzten, feierlich anmutenden Schritte die altehrwürdige Treppe hinauf, das Lächeln von Oliver Friedrich als sich die Türe öffnet, geben mir die Gewissheit, dass mir auch heute Mittag ein kulinarisches Erlebnis der Extraklasse bevorsteht. Los geht's.
Pomme Soufflé, Estragon - Brick, Sauerampfer - Fenchel, Felchen
Drei Apéros erreichen meinen Tisch. Ein perfekt luftiges Pomme Soufflé überzeugt durch eine ultradünne Hülle und maximale Knusprigkeit sowie die subtile, aber tragende Note des Estragons. Crunchy geht's weiter mit einem Brickteigröllchen gefüllt mit Sauerampfer. Die Idee des vorherigen Happens wird hier konsequent weitergespinnt, doch beim Zylinder liegt der Fokus etwas mehr auf der herrlich duftenden, frischen Kräuterfüllung. Der letzte Happen schlägt mit seinen zwei Hauptelementen ebenfalls in die Kerbe des zugänglichen (aber nicht simplen) Fingerfood. Ein Tatar eines wunderbaren Felchen befindet sich auf etwas ätherisch-intensivem Fenchel. Eine tolle Kombination, bei der das Gemüse den Fisch nicht erschlägt, sondern dessen subtilen Eigengeschmack toll auffängt und transportiert. So darf es gerne weiter gehen.
Eine Batterie von weiteren Apéros wird serviert, die sich thematisch um die Foie Gras drehen. Ich beginne mit Entenleber und Mandel. Die Nuss wird mit einer Terrine von Entenleber umhüllt und dann mit Rote Bete Pulver bestäubt. Ein herrlich süffig-knuspriges Vergnügen, das ich mir auch gut am Abend auf der Couch zum knabbern vorstellen könnte. Als nächstes widme ich mich einer süssen kleinen Tartelette mit Geflügellebermousse, marinierten Trüffeln und Artischocken, deren Elemente so punktgenau austariert sind, dass es fast schon unheimlich ist. Ein Exkurs in Wohlgeschmack, Würzung und Textur auf wenigen Kubikzentimetern. Andreas Caminada hat einen nahegelegenen Gemüsebauern gebeten, für ihn Artischocken zu züchten. Diese schmackhaften Korbblütler dürfen unter anderem auch in Miniartischocke, Entenleberterrine, Trüffelmayo, Zuckerhippe und gehobelten Trüffeln wieder scheinen. Trotz der geschmacksintensiven Mitspieler kann sich die delikate Artischocke gut behaupten und sorgt mit ihrer grünen Bitterkeit für einen gelungenen Gegenpol zum Schmelz der Foie und der Mayonnaise sowie der Intensität des Tuber. Zur weiteren Abwechslung trägt eine ultradünne Zuckerhippe bei, die durch ihren Crunch zusätzliche Sommergartenfrische suggeriert. Sehr gut. Rote Bete Cornetto, Entenlebereis und Trüffel ist erneut ein formvollendetes Amuse Gueule, dessen überraschend vordergründiges Betearoma nicht nur als Vehikel für das brutal leckere Foie-Eis dient, sondern mit seiner süsslichen Erdigkeit auch die präsenten Nuancen der perfekt dosierten Trüffeln aufgreift. Absolute Perfektion. Den Abschluss dieses Apéroabschnitts macht eine klassisch anmutende Entenleberterrine mit Quitte. Caminada versteht es, einer vermeintlich langweiligen, ausgelutschten Kombination von Fettleber mit fruchtsüsser Begleitung eine ungeheure Eleganz zu verleihen und die Komponenten so perfekt miteinander zu verbinden, dass es nicht nur ausgezeichnet schmeckt, sondern auch noch spannend ist. Grosse Klasse. Ein typsich kleinteiliger Start in ein Mahl im Schloss Schauenstein, das vom ersten Bissen an klar Caminada ist. In meinen Augen schafft es niemand sonst, dass bereits die ersten Kleinigkeiten für ein ultimatives Esserlebnis sorgen, von dem man sich unweigerlich immer mehr wünscht.
Schinkentaco - Gerstenrisotto, Schinkenschaum
Die letzten beiden Apéros sind dem bescheidenen Schinken gewidmet. Ein Produkt, welches Andreas Caminada sehr nahe liegen muss, da ich es bei all meinen bisherigen Besuchen auf Schloss Schauenstein im Menü wiederfand. Heute gibt es eine Art Schinkentaco - ein knuspriges, zum Taco geformtes Brot, gefüllt mit Schinkenstreifen, Schinkenmayo sowie eingelegten Karotten und Lauch. Eine umwerfende Interpretation des mexikanischen Fast Food Klassikers, der gekonnt zwischen süffig, sauer und knusprig changiert und damit voll ins Schwarze trifft. Doch der zweite Teil dieses Duos übertrifft den Taco noch. Unter einem Schinkenspoom befindet sich ein mit Schalotten und Schinken aromatisiertes Gerstenrisotto von himmlischem Ausmass. Das Süssgras ist optimal gegart, mit leichtem Biss, und erinnert auch texturell wirklich an ein Risotto. Süssliche Schalotten und der abermals ungemein süffige Schinken (als Stückchen und als luftiger Spoom) machen aus diesem kleinen Schälchen bereits das nächste Highlight. Es ist so schön, endlich wieder hier zu sein.
Crudités von Grünem Gemüse
Vegetarisch geht's weiter mit einer sommerlich frischen, grünen Gemüseauswahl. Das aus dem Pratval stammenden Grünzeug strotzt vor Frische und ist abwechslungsreich in Szene gesetzt. Cremige Avocado trifft auf ultraknackige Gurken, Erbsen und Kohlrabi. Obenauf liegt ein in Tempurateig ausgebackener Zwiebelring, der das bei den Apéros allgegenwärtige Thema "Crunch" formvollendet verkörpert. Zusammengebracht werden die grünen Kleinigkeiten von einem toll abgeschmeckten Kopfsalatdressing mit Spinat und etwas Limettenzeste, die das Gericht mit ihrer exotischen Agrumenfrische noch sommerlicher erscheinen lässt. Der Inhalt dieser Schale könnte mit Sicherheit auch den fanatischsten Karnivoren zum Gemüsejünger konvertieren lassen.
Rote Bete Gazpacho, Sauerrahm
Eine geschickte Beschreibung eines Gerichts kann von seinen Ursprüngen ablenken, nicht? Hier führt mich das Wort Gazpacho in die Irre, obwohl es sich beim folgenden Gang eigentlich um eine Adaption des osteuropäischen Borschtsch handelt und nicht um eine Abwandlung der berühmten spanischen Kaltschale. Und was für eine Adaption das ist! Ich liebe Borschtsch und kann mühelos sagen, dass dies die beste Betesuppe ist, die ich jemals gegessen habe (alle Leser aus den Osteuropäischen Ländern mögen mir diese Aussage nachsehen). Der Geschmack der roten Rübe ist so pur, dass es mir beinahe die Sprache verschlägt. Die kühle Säure des gefrorenen Sauerrahmcrumbles ergänzt den Geschmack der Rande optimal und einige sauer marinierte, knackige Betescheiben unterstreichen die Leichtigkeit dieses Gerichts ebenso wie etwas Randengel. Ein äusserst gelungener Papillenreset vor dem eigentlichen Menüstart.
Val Lumnezia Huhn, Champignon, Nussbutter
Der erste offizielle Gang ist dann gleich ein Kracher. Ein kleines Stück gepökelte, geräucherte und dann Sous-Vide gegarte Keule eines Huhns von Curdin Capeder ist herrlich fleischig und von beeindruckender Qualität. Mit im Schälchen befindet sich ein Geflügellebereis, Champignonjulienne sowie eine gelierte Hühneressenz. Eine volle Breitseite des gesamten Federviehs quasi, das in Sachen Intensität seinesgleichen sucht. Die Aromen sind dabei jedoch schön ausbalanciert, so dass auch die Pilze zur Geltung kommen, welche das Gericht nicht nur durch ihre knackige Textur sinnvoll erweitern. Delikat. Daneben befindet sich ein Hühnerbeignet, hergestellt aus einer aromatischen Hühnerfarce und nicht minder schmackhaftem, geschmortem Schenkelfleisch, das anschliessend in einem Hefeteig luftig ausgebacken wird. Ein vollmundiges Vergnügen, das genau wie der andere Teller eine volle Packung Huhn bietet, dabei naturgemäss nicht so delikat daher kommt, sondern richtig Wucht hat, die durch die gehaltvolle Nussbuttermayo noch potenziert wird. Es ist beeindruckend zu sehen, wie Caminada scheinbar mühelos zwischen raffiniert und kraftvoll wechselt. Am aussergewöhnlichsten dabei ist, dass es dem raffinierten Schaleninhalt nicht an geschmacklicher Wucht fehlt und dem kraftvollen Beignet nicht an gefühlvoller Raffinesse. Wow!
Tomate, Ricotta
Reduziert und fokussiert geht's weiter. Ein Gazpacho-ähnlicher Sud wird durch die Bearbeitung mit flüssigem Stickstoff zu zwei Halbkugeln gefroren, die anschliessend mit einem Ricottaspoom gefüllt und dann zusammengesetzt werden. Unter der kalten Sphäre befindet sich mit getrockneten Tomaten, konfierten Kirschtomaten und einer weissen Tomatenmousse eine Caminada-typische Deklination des Nachtschattengewächses. Dazu gesellt sich der klassische Begleiter Basilikum (in Form eines Öls) sowie eine Mojo (eine aus gerösteten Tomaten, Kräutern, Brot und Olivenöl hergestellte Sauce). Das schmeckt ingesamt sehr gut und trotz der eigentlich nur zwei geschmacksgebenden Komponenten schön abwechslungsreich, und fängt die Essenz des Sommer prächtig ein. Der einzige minimale Kritikpunkt ist, dass neben der naturgemäss sehr kalten Tomaten-Ricotta-Kugel auch die restlichen Komponenten zu kalt serviert werden.
Zander mariniert, Kohlrabiravioli und Eis, Radieschen
Mit sommerlicher Leichtigkeit fährt das Menü fort. Der Zander aus dem Vierwaldstättersee wird in Essig, Salz und Wasser eingelegt und auf diese Art gegart. Sobald der gewünschte Gargrad erreicht ist, wird er kurz angebraten um danach portioniert und wieder erkühlt zum Gast zu gelangen. Daneben befindet sich ein delikates Tatar des Süsswasserfischs in einem Raviolo aus ultradünnem Kohlrabi. Die Knolle wiederum kommt in einigen marinierten Scheiben sowie als wunderbares Eis auf den Teller. Dazu gesellt sich eine Tigermilch aus Zwiebeln, Geflügelbrühe, Kräutern und diversen Gewürzen, die durch etwas Schnittlauchöl und Schnittlauchcreme ergänzt wird. Obwohl der Gang auf leisen Sohlen daherkommt, fehlt es ihm nicht an aromatischer Durchschlagskraft. Dies liegt vor allem an der Qualität der einzelnen Produkte, die über jeden Zweifel erhaben ist, und der abermals punktgenauen Austarierung beim Würzen und Portionieren. Eine perfekte Symbiose von delikatem Fisch, der frisch-knackigen Kühle des Kohlrabis sowie der angenehmen Schärfe der Radieschen, das zum munteren Erkunden einlädt. Sehr schön.
Kartoffel Crème Brûlée, Schwarzer Trüffel
Ein Wohlfühlgang klassischer Provenienz folgt quasi als Kontrastprogramm. Die luftige Crème Brûlée, in Tat und Wahrheit wohl eher eine Kartoffelespuma, überzeugt durch ihre buttrige Vollmundigkeit und einen erstaunlich tiefen Erdapfelgeschmack. Dazu gibt es eine sehr grosszügige Portion schwarze Trüffel, die nicht aus dem Périgord stammen, sondern von einem Bekannten Caminada's namens Mischa und dessen Hund Duke in der nahegelegenen Bündner Herrschaft gesucht und gefunden werden. Eigentlich bedarf es hier keiner zusätzlichen Worte mehr, ausser: Das schmeckt genau so köstlich wie es klingt.
Langoustine poeliert und als Tatar, Bouillon, Karotte eingelegt und als Püree
Die Küche von Andreas Caminada hat sich seit meinem ersten Besuch vor etwa neun Jahren gewandelt. Mittlerweile finden fast ausschliesslich Schweizer Produkte den Weg in die Küche des Schlosses Schauenstein. Früher hingegen fand sich durchaus auch immer wieder das eine oder andere klassische Luxusprodukt auf der Karte, wie beispielsweise eine Langoustine aus Südafrika. Eine Hommage an diese vergangenen Tage findet in Form eines "Klassikers von 2008" den Weg ins Menü. Ein Prachtexemplar des Edelkrebses wird kurz poeliert, mit Noilly Prat abgelöscht, und erreicht den Tisch perfekt glasig. Daneben befindet sich ein äusserst delikates Tatar der Langoustine, das die oftmals eher schleimige Textur von rohem Krustentier gekonnt vermeidet. Mit im Teller befinden sich ein Karottenpüree sowie einige eingelegte Karotten, die den Kaisergranat mit ihrem süss-sauren Charme schön einfassen. Der Star ist aber der unfassbar tiefe Krustentierfond, der mit reichlich Butter abgebunden ist und ein richtiges sensorisches Feuerwerk entfacht. Zum Reinlegen gut. À part wird ein Shot des wunderbaren Krustentierelixers serviert, auf dem ein Chip aus Langoustine und Jakobsmuschel thront, der jede noch so elaborierte Kroepoek-Interpretation alt aussehen lässt. In vielerlei Hinsicht ein Gericht zum Schwelgen. Für mich heute vor allem deswegen, weil es mich an die ersten Besuche hier im Schloss erinnert. Die Erinnerungen an diese Tage und die Gewissheit, dass ich hier auch in Zukunft die Gelegenheit haben werde, mich kulinarisch verzaubern zu lassen, treiben mir die Tränen in die Augen. Oliver Friedrich, der das Schloss Schauenstein nach einer gefühlten Ewigkeit ab März in Richtung Park Hotel Vitznau verlässt, bemerkt meine aufgewühlte Freude und wirft mir beim Abräumen einen wissenden Blick mit einem zufriedenem Lächeln zu. Auch solche Momente machen das Schloss Schauenstein einzigartig.
Forelle aus dem Walensee, Zwiebel, Estragon
Wie in diesem Hause so üblich, folgt auf ein absolutes Highlight kein Einbruch, es wird einfach scheinbar mühelos der nächste Höhepunkt aus dem Ärmel geschüttelt. Eine für ein paar Minuten in leicht erhitztem Olivenöl gegarte Forelle aus dem Walensee haut mich mit ihrer schieren Qualität bereits beim ersten Bissen komplett aus den Socken. Ich kann es kaum glauben und muss gleich nochmals einen kleinen Solohappen zur Bestätigung probieren, bevor ich mich den weiteren Komponenten widmen kann. Ist das gut! Doch es wird noch besser, denn die bescheidenen Begleiter spielen ebenfalls gross auf. Zuerst wäre da ein simpler Kartoffel-Buttermilch-Stampf, der mich mit seinem betörenden Erdapfelaroma (schon wieder diese Superkartoffeln) komplett einnimmt. Kombiniert mit etwas Fisch und der gigantischen Beurre Blanc werden meine Papillen und meine Nüstern in Ekstase versetzt. Sogar die verschiedenen Lauchzubereitungen überzeugen mich komplett, obwohl ich zwiebeligen Elementen in der gehobenen Küche leider eher selten etwas abgewinnen kann. Mit traumwandlerischer Sicherheit schafft es das Küchenteam einen Höhepunkt nach dem anderen ins Menü einzubetten. Gigantisch!
Lamm, Sanddorn, Harissa, Topinambur, Aubergine
Caminada setzt beim Hauptgang, sehr zu meiner Freude, seit jeher gerne auf Lamm. Das Tier stammt von Alberto Sterns aus Lostello im Bündnerland, direkt an der Italienischen Grenze, und kommt in zwei Variationen auf den Teller. Einmal gibt es den gebratenen Rücken, perfekt rosa natürlich, sowie einen gepökelten und geräucherten Lammbauch, der bei niedriger Temperatur für drei Stunden im Ofen gegart wird. An diesem wunderbaren Produkt muss man einfach seine Freude haben. Das Fleisch ist von einer kernigen Intensität und schmeckt intensiv nach Wiese und Frühling. Schauenstein-klassisch begleitet wird das Lämmchen von relativ scharfer Harissa, die so manchem Gast wohl einen Tacken zu heftig sein könnte, mir jedoch sehr gut gefällt und dem Gang eine orientalische Note verpasst. Ein paar knusprig-knackige Elemente sowie etwas Artischockenpüree komplettieren diesen puristischen Hauptgang, der auf ganzer Linie überzeugt. Und auch Dank der überschaubaren Menge an Begleitern sowie der erneut perfekten Portionierung ist er selbst nach einem üppigen Mahl wie diesem im Nu verdrückt.
Schweizer Käse, Kartoffeln aus dem Albulatal, Trockenfleisch von verschiedenen Bauern, Maluns
Beim Hauptgang stand der dezente Purismus im Vordergrund, beim Käse fährt die Küche dafür nochmals so richtig dick auf. Neben der Auswahl von ausgezeichnet gereiften Schweizer Käse (u.a. von Willi Schmid, der zur Zeit sehr "en vogue" zu sein scheint) gibt es warme Kartoffeln aus dem Albulatal, eine Auswahl von exzellentem, regionalem Trockenfleisch, diverse Chutneys, sowie eine traditionelle Bündner Bauernspezialität namens "Maluns", die aus geriebenen Kartoffeln, Mehl und Butter hergestellt wird. Wer bis zum Käsegang noch nicht satt geworden ist, der wird wohl spätestens jetzt an seine Kapazitätsgrenzen gebracht werden. So auch ich. Doch alles schmeckt so unglaublich gut, dass ich es einfach nicht lassen kann, mich bei fast allen Komponenten bis zum Ende durchzuessen.
Gebrannte Crème nach Grossmutter's Art: Karamelcrème, Dulce de Leche, geschlagene Sahne, gepoppte Cerealien, Karamelmalto, Apfelgranité, Apfelbeignets
Ungewöhnlich in der Präsentation wirkt das erste Dessert. Sobald der Service jedoch annonciert, ergibt das anachronistische Geschirr und die eher rustikale Optik Sinn. Als Inspiration diente hier nämlich Caminada's Urgrossmutter Marie. So lasse ich mich in Zeiten, in denen es von Gemüse und Kräutern in Desserts nur so wimmelt (was ich persönlich auch sehr schätze), mit grosser Lust auf diese Zeitreise ein. Natürlich ist es geschmacklich nicht im entferntesten so rustikal, wie der erste Eindruck vermuten lässt. Trotz meines vollen Bauchs stürze ich mich regelrecht über dieses Dessert, das eine kindliche Seite in mir zum Vorschein bringt, die ich selten sehe. Genussvoll wird auch noch das letzte bisschen der gebrannten Crème verputzt, um mich dann mit einem zufriedenen Lächeln zurückzulehnen, und Andreas Caminada in Gedanken zu dieser Idee zu gratulieren. Dieses Dessert bricht eigentlich mit vielem, wofür die Küche des Schauenstein steht, und doch macht es nach dieser Vielzahl an teilweise komplexen Gängen einfach solchen Spass der Simplizität zu fröhnen und das alles zu verputzen.
Quarksoufflée, Himbeercrème und Gelée, Holunderblütengranité sowie Baiser und Sud, Kräutersalat
Optisch reduziert und geschmacklich komplex steht das zweite Dessert als krasser Gegensatz zur vorherigen Zuckerbombe auf dem Tisch. Eine schier unendliche Zahl von Komponenten und Zubereitungen befindet sich in diesem Schälchen und will erschmeckt werden: frische Himbeeren, Zitronen- und Himbeercrème, eine Joghurtkugel gefüllt mit Holundergranité, Joghurteiscrème, Sablé, Himbergelée und ein Cannelloni mit Litschi-Holunderblüten-Füllung. Eine Schicht nach der anderen legt mein Gaumen frei, um auf ein fruchtiges, blumiges, dezent saures, wunderbar leichtes und vielschichtiges Geschmacksbild zu stossen. Alternierend kombiniert mit dem Kräutersalat, der sich unter einem Joghurtkrokant versteckt, und einem luftigen Vanillesoufflée, ergibt dies ein sehr erfrischendes und abwechslungsreiches Dessert, das keine Wünsche offen lässt. Sehr gelungen.
Fruchtgelées, Pralinen, Lollies (Himbeere und Joghurt-Limette), Kaffeeschnitte, Apfelmacaron, Kirsch-Mandel-Financier, Sanddorn Shot Kugel, Schokoladenganache
Vor dem Nachhauseweg setze ich mich noch auf die wunderschöne Terrasse und geniesse bei einem ausgezeichneten Espresso die äusserst schmackhaften und auch zahlreichen Petits Fours. Allesamt hochfein gearbeitet und geschmacksintensiv, treffen sie auf der Dessertklaviatur von Frucht bis Schokolade jede Note perfekt. Sogar die Friandises sind hier ein Highlight.
Ein weiteres, ausserordentliches Mahl auf Schloss Schauenstein lässt mich einmal mehr verblüfft zurück. Hier stimmt einfach alles. Das Essen ist modern, leicht, abwechslungsreich, geprägt von tollen lokalen Produkten und exzellentem Handwerk. Der elegante, freundliche und umsichtige Service sorgt für eine konstante familiäre Wohlfühlatmosphäre. À propos Atmosphäre, davon hat's auf Schloss Schauenstein reichlich. Die alten Gemäuer sind sehr geschmackvoll eingerichtet, der gesamte Fokus in den Gasträumen liegt dabei auf dem Essen und jedes Mal, wenn ich hierher zurückkehre, wurde wieder eine kleinere (oder grössere) Verbesserung vorgenommen, die das Erlebnis Schauenstein in ein noch besseres Licht rückt. Der nächste Besuch hat bereits begonnen...
Schloss Schauenstein
Schlossgass 77
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