Die Burg (Jason Grom) - Donaueschingen

Die Burg (Jason Grom) - Donaueschingen

Stern in Wartestellung

Kann ein fast immer ausgebuchtes Restaurant noch als Geheimtipp gelten? Wenn schon nicht das Lokal selbst, dann doch vielleicht Teilaspekte davon. Es gibt einige gut besuchte Restaurants, in die man nur des Essens wegen nicht unbedingt einkehren würde, die jedoch mit einer grandiosen Weinkarte aufwarten können und deshalb einen Besuch rechtfertigen. Oder Lokale, die einen malerischen, ruhigen Innenhof haben, den fast niemand kennt, und der zum gemütlichen Verweilen einlädt.
Ganz ähnlich verhält es sich mit Die Burg im Donaueschinger Stadtteil Aasen, das eigentlich drei Restaurants in einem beherbergt. Im Untergeschoss bekommt man unkompliziertes Barfood - und natürlich passende Flüssignahrung. Im Obergeschoss dagegen gibt es lokale Klassiker, wegen derer viele Gäste den Weg hierher finden. Daneben gibt es aber eben auch noch ein hochklassiges Menü. Letzteres läuft für einige Interessierte vielleicht immer noch etwas unter dem Radar, lockt aber immer mehr Gourmets und auch die einschlägigen Guides an. Kein Wunder, hat Chef Jason Grom doch in diversen Sternerestaurants gearbeitet (u.a. im Wiener Steirereck, im Prisma in Vitznau und im Schauenstein), bevor er 2017 gemeinsam mit seinem Bruder Niklas, der als Sommelier und Gastgeber fungiert, Die Burg eröffnete.
Bereits bei meinem ersten Besuch kurz nach der Eröffnung zeigte Jason, dass man sich seinen Namen besser merken sollte (zum Bericht). Ansätze einer lokal verwurzelten Autorenküche waren bereits klar auszumachen. Das Hauptaugenmerk lag und liegt auf den verwendeten Produkten, was sich unter anderem auch auf der Speisekarte niederschlägt, auf der die Produzenten vor dem eigentlichen Menü aufgelistet sind. Man spürt, wo Grom die Schwerpunkte seiner Küche sieht und setzt. Unnötig zu erwähnen, dass ein neuerlicher Besuch längst überfällig war. Heute mit Übernachtung im zugehörigen Hotel, damit ich auch in den Genuss der Weinbegleitung von Niklas kommen kann, der mich im mittlerweile leider geschlossenen Dreizehn Sinne erstmals mit seiner önophilen Passion begeistern konnte.
Los geht’s mit einem kurzen Apéro an der Bar, bevor es nach oben an den Tisch geht, wo die Eröffnung nicht lange auf sich warten lässt.

burg_aasen_jason_grom_suppe

Wenn ein Chef sein Menü in der heutigen Zeit mit einer Suppe eröffnet, zeugt das von einer gehörigen Portion Vertrauen ins eigene Handwerk sowie einem gesunden Selbstbewusstsein. Noch dazu hat man bei mir direkt einen Stein im Brett, wenn sie denn gut gemacht ist. Und das ist diese simple Apfel-Sellerie-Suppe. Gehaltvoll, durch die knackige Säure des Apfels jedoch angenehm leicht, fein ausbalanciert und noch dazu richtig heiss. Ein angenehm unprätentiöser und exzellenter Auftakt.

burg_aasen_jason_grom_poltinger_lammbauch

Das zweite Amuse Poltinger Lammbauch, Mispel-Paprika-Kompott und Buchweizen setzt nach der tollen Suppe direkt ein frühes Ausrufezeichen. Saftiger, zarter, hocharomatischer Lammbauch, der seinesgleichen sucht. Ein veritables Produkthighlight, das dank der kongenialen Mitspieler ins perfekte Licht gerückt wird. Eine fruchtige Süsse macht sich bemerkbar, der eine herbe Säure gegenübersteht. Dazu eine rauchige Aromatik, eine erdige Nussigkeit und zu guter Letzt eine grandiose Jus, die alle Elemente perfekt zusammenführt. Wow! Besser geht es nicht. Würde man Michelinsterne für einzelne Teller vergeben, dieser würde locker zwei bekommen. Unfassbar lecker und eine Schande, dass es so schnell vorbei ist. Niklas Grom eröffnet mir angesichts meiner offensichtlichen Begeisterung, dass diese Kreation im vorangegangenen Menü als Gang und nicht nur als Gruss aus der Küche serviert wurde. Wie gerne hätte ich hiervon eine richtig grosse Portion gegessen.

burg_aasen_jason_grom_stoer

Leicht geräuchertes Filet vom Stör, fermentierter Spargel, Haselnuss, Johannisbeere und Radicchio sind die Protagonisten des ersten offiziellen Gangs des Abends. Zu den genannten Ingredienzien gesellt sich noch ein wenig Kaviar. Warum denn auch nicht? Die Räucherung des festfleischigen Fischs ist sehr subtil. Letzteres zeichnet Groms Küche generell aus, ist sie doch keine der lauten Töne, sondern eher leise und auf Harmonie bedacht. Doch zurück zum Teller, auf dem ziemlich viel los ist, was aber dank der gelungenen Feinabstimmung nicht in einer Kakophonie endet, sondern in nahezu perfektem Einklang, um die musikalische Analogie abzuschliessen. Spannend ist vor allem der Einsatz der Johannisbeere, die jeden Bissen mit ihrer spitzen Säure trägt und für einen durchaus aparten Eindruck sorgt. Einziger Minuspunkt ist die Temperierung des Fischs. Weshalb man sich entschieden hat, den Fisch nicht warm bzw. heiss, sondern tiède zu verwenden, erschliesst sich mir nicht. Mit warmem Fleisch würden die gelungenen Kontraste meiner Meinung nach noch stärker akzentuiert, für mehr Abwechslung am Gaumen und für optimale Abrundung sorgen.

burg_aasen_jason_grom_ochsenherztomate

Weiter geht’s vegetarisch mit einer Ochsenherztomate, die mit Tomaten-Ponzu, mariniertem Butternusskürbis und geräuchertem Tofu kombiniert wird. Klingt beim Annoncieren erstmal sehr gewöhnungsbedürftig, erweist sich jedoch bereits bei der ersten Gabel als unerwartetes Glanzstück. Die Tomate fungiert hier quasi als Fleischersatz, wird gustatorisch klar in den Mittelpunkt gerückt und wartet mit einer selten gekosteten Intensität und reichlich natürlichem Umami auf. Während der deklinierte Kürbis eine subtil-vegetabile Süsse sowie etwas Nussigkeit und Crunch (durch die Kerne) beisteuert, sorgt der Tofu einmal mehr für subtile Räuchernoten. Man könnte denken, dass sich diese Aromatik nach dem dritten Teller in Folge abgenutzt hat, doch Grom geht mit diesem durchaus schwierigen, da oftmals falsch eingesetzten und dadurch penetranten Geschmack, geradezu exemplarisch um. So eingesetzt, kann es eine Kreation um eine zusätzliche Dimension erweitern und für spannende Akzente sorgen. Genau das geschieht hier. Entscheidend für den sehr guten Gesamteindruck ist jedoch die Ponzu, die durch ihren herben Säureunterbau und die intrinistische Komplexität alles optimal zusammenführt.

burg_aasen_jason_grom_dorade

Es folgt ein kross gebratenes Stück Dorade mit Safran-Curry-Sud, Fenchel, Spinat und Artischockenchips. Der Fisch lag ein paar Sekunden zu lange in der Pfanne, was angesichts des grosszügig bemessenen Suds nicht grossartig ins Gewicht fällt. Der Sud ist, wie eigentlich alle flüssigen Komponenten, die aus Groms Küche kommen, exquisit. Gut, dass ein Löffel zum Wegschlürfen eingedeckt wurde. Ähnlich wie bei den rauchigen Aromen zuvor, ist auch das oftmals sehr plakativ und aufgesetzt wirkende Curry toll eingebunden. Der Safran ist Star der Show, das Curry steuert einen Hauch Exotik und Vielschichtigkeit bei. Trotz des orientalisch bzw. fernöstlich anmutenden Suds, verorte ich den Teller ganz klar in Südfrankreich am Mittelmeer. Der Fenchel und die Artischocke stechen aromatisch so glockenklar heraus, dass ich mich direkt in die Provence versetzt fühle. Sehr schön.

burg_aasen_jason_grom_kalbszunge

Von der sommerlichen Côte d’Azur geht’s direkt zurück ins herbstliche Deutschland. Kalbszunge, geräucherter Aal, rote Bete, Meerrettich und Dill ist zwar erwartungsgemäss eher auf der deftigen Seite, kann aber dennoch mit der für Grom typischen Finesse aufwarten. Anders gesagt, es ist nicht plump und mächtig, sondern abwechslungsreich und vergleichsweise leicht. Die Geschmackswelt ist klar dunkel, wiederum gekonnt in Rauch gehüllt, fleischig, erdig und kräftig. Für die benötigte Balance auf dem Teller sorgt die angenehm belebende Schärfe des Meerrettichs sowie die kühl-grüne Anis-Kräuterigkeit des Dills (von dem es gerne ein bisschen mehr sein dürfte). So gut der Hauptteller bereits ist, der eigentlich Höhepunkt dieses Gangs ist die Bouillon, die im doppelwandigen Espressoglas ihre einschneidende Hitze gut bewahrt hat. Was diese paar Schlucke an wundersam tiefer Komplexität entfalten, entbehrt eigentlich jeglichem weiterführenden Versuch einer Beschreibung. Unfassbar gut. Nur schon hierfür hat sich der Trip nach Aasen gelohnt.

burg_aasen_jason_grom_spanferkel

Der Hauptgang mit Speck gebratener Rücken vom Poltinger Spanferkel, gegrilltes Lauchherz, Dörrbirne, Steinpilz, Trüffel und Kartoffelschaum lässt es nun etwas gemächlicher angehen. Ganz unaufgeregt wird das hervorragende, zarte Fleisch von einer gelungenen Sauce umspielt. Die Begleiter halten sich eher im Hintergrund, ergänzen dabei jedoch sinnvoll und sind keinesfalls überflüssig. Ein sorgfältig konzipierter, unaufgeregter und im besten Sinne solider Teller, der den herzhaften Teil des Menüs sehr ansprechend beschliesst.

burg_aasen_jason_grom_zwetschge

Aus eingemachten Zwetschgen, Earl Grey, einem Riesling-Trauben-Sorbet und dunkler Schokolade besteht das einzige Dessert des Abends. Obschon sowohl die Zwetschgen als auch das Sorbet grundsätzlich genügend Geschmack und vor allen Dingen Säure mitbringen, um der Schoki beikommen zu können, schaffen sie es in diesem Fall nicht. Letztere ist schlicht zu üppig portioniert, womit es sich schwierig gestaltet, auf dem Löffel bzw. im Mund eine richtig harmonische Einheit zu bilden. Der berühmt-berüchtigte Death by Chocolate hat hier mal wieder zugeschlagen. Geschmacklich macht diese Kombo Sinn und ist durchaus ansprechend, allerdings muss noch etwas an der Feinabstimmung gearbeitet werden.

burg_aasen_jason_grom_petits_fours

Zum Schluss wird eine Box mit Pralinen an den Tisch gebracht. Dass es sich bei den süssen Petitessen um die einzigen Erzeugnisse handelt, die nicht durch das Küchenteam von Die Burg hergestellt werden, sondern von einer lokalen Manufaktur, merkt man. Da ich sowieso bereits mehr als satt und ziemlich müde bin, ist das aber nicht weiter schlimm.

Was die kleine Die Burg-Küchencrew mit Azubis in Aasen leistet, ist umso beeindruckender, wenn man sich vor Augen führt, auf wie vielen Hochzeiten sie gleichzeitig tanzt und die schiere Anzahl von Gästen sieht, die im vollen Haus auf sehr hohem Niveau bewirtet werden. Wie eingangs erwähnt, serviert Grom mit seiner Mannschaft neben dem Fine Dining Menü im Restaurant auch noch etliche Wirtshausklassiker wie Cordon Bleu, Maultauschen oder Zwiebelrostbraten (übrigens der beste seiner Art, den ich jemals gegessen habe, genauso wie die grandiosen Maultaschen), die sich grösster Beliebtheit erfreuen. Dazu bespielen sie auch noch die Weinbaar (nein, das ist kein Tippfehler, die heisst wirklich so) mit Publikumslieblingen wie Wurstsalat, Tatar und Burger.
Der Michelin ist ebenfalls bereits auf das Restaurant aufmerksam geworden. Die Vielseitigkeit des Hauses ist, zumindest was die Auszeichungen des wichtigsten Guides angeht, auch die Krux. Ein Bib Gourmand fand bereits den Weg nach Donaueschingen, aktuell ist es der Michelin Teller. Für einen Stern hat es noch nicht gereicht. Betonung auf noch. Momentan ist das zwar ein nachvollziehbarer Entscheid, denn aktuell ist man nicht durchgehend auf diesem Niveau angekommen. Einigen Gerichten wie der Dorade oder dem Stör fehlt es noch an der allerletzten Akkuratesse. Kein Wunder, bei den vielen Eisen, die die Küche gleichzeitig im Feuer hat. Könnte sich Grom nur aufs Fine Dining konzentrieren, hätte er das Macaron längst nach Aasen geholt. Dessen bin ich mir absolut sicher. Deshalb kann die eingangs gestellte Frage derzeit mit einem Ja beantwortet werden. Die Burg ist für Freunde der gehobenen Küche noch ein Geheimtipp. Doch das wird sie in absehbarer Zeit nicht mehr sein, wenn der erste Stern über dem Restaurant leuchtet.


burg_aasen_jason_grom_weinbegleitung

Die Weinbegleitung von Niklas Grom:
Pinot Rosé Sekt Brut, Weingut Clauß, Baden
2018 Sauvignon Blanc 1, Weingut Von Winning, Pfalz
2013 Kellerberg Riesling halbtrocken, Weingut Pichler-Krutzler, Wachau
2015 Les Vieux Clos, Domaine Nicolas Joly, Loire
2015 Pinot Noir R, Baumann Weingut, Schaffhausen
2012 Lutzmannsburg Alte Reben, Moric, Burgenland
2018 Belemnit Spätburgunder Rosé, Weingut Clauß, Baden


Die Burg
Burgring 6
78166 Donaueschingen-Aasen
Deutschland
+ 49 (0)771-17 51 00 50
Website

 

Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Informationen zu unserem Umgang mit Pressekonditionen findest du in den FAQ.