L'Atelier de Joël Robuchon (David Alves) - Hong Kong
L'Atelier de Joël Robuchon (David Alves) - Hong Kong
Joël Robuchon. Kaum ein Name steht für französische Haute Cuisine wie derjenige des im vergangenen Jahr verstorbenen “Koch des Jahrhunderts”. Eine Auszeichnung, die ihm vom Gault Millau verliehen wurde und die neben ihm lediglich drei weitere Köche mit nicht weniger klingenden Namen tragen: Paul Bocuse, Frédy Girardet und Eckart Witzigmann. Beste kulinarische Gesellschaft also.
Robuchon erkochte sich nach einigen Stationen in Hotelrestaurants 1984 in seinem eigenen Restaurant “Jamin” erstmals drei Michelin Sterne. Eine Leistung, die er und seine Mannschaften zukünftig in weiteren Restaurants wiederholen sollten. Zu Beginn der Nullerjahre eröffnete er in Paris und Tokio die ersten beiden Filialen seiner Ateliers. L’Atelier de Joël Robuchon, so der Name seines neuen Outlets, brachte die in Japan verbreitete Thekenkultur nach Europa. Mit ihrem einheitlich schwarz-roten Look, dem u-förmigen Tresen rund um eine offene Küche (die es erlaubte, den Köchen bei der Arbeit wortwörtlich über die Schulter zu schauen und gelegentlich auch in Dialog mit ihnen zu treten), erschuf er einen Vorreiter für das heute weit verbreitete Casual Fine Dining Konzept und gleichzeitig einen wiedererkennbaren Brand. Obwohl er diverse weitere Restaurants, Teesalons und Confiserien betreibt, wird sein Name vor allem mit den Ateliers assoziiert. Wie es sich für einen geschäftstüchtigen Koch gehört, hat Robuchon seinem Expansionsdrang freien Lauf gelassen und ein dutzend Niederlassungen in Asien und Nordamerika eröffnet. Seine Lokale hielten weltweit zeitweise insgesamt 31 Sterne, was bis heute unübertroffen ist.
Meine erste Begegnung mit der Küche des Grossmeisters findet heute Mittag in der Hong Konger Dependance statt, die der Michelin mit stattlichen drei Sternen honoriert. Dass der Guide in diesem Teil der Welt gerne mal etwas grosszügiger mit Macarons um sich wirft, musste ich bereits bei meiner letzten Reise in die Metropole an der Mündung des Perlflusses feststellen. Doch dieser Fakt trübt weder meine Vorfreude noch meine Neugier, als ich die Rolltreppe zum Restaurant hochfahre, das im Obergeschoss des Einkaufszentrums The Landmark liegt. Das Restaurant sieht genauso aus, wie man es von vielen Bildern kennt, wirkt auf mich aber ein bisschen in die Jahre gekommen. Ich mache es mir an meinem Platz am hinteren, langen Teil des Tresens bequem. Während ich die massiv überteuerte Weinkarte (was typisch ist für Hong Kong) studiere, um eine Flasche auszusuchen, deren Preis mir keine Tränen in die Augen treibt, wird ein Amuse Bouche aufgetragen.
Foie Gras, Hühnergelée und Mais Velouté ist ein opulenter Auftakt mit fein austarierten Aromen. Nicht allzu süss, und durch das exzellente Gelée sehr wuchtig, ohne dass die samtene Eleganz der Foie untergeht. Eine sehr üppige Kleinigkeit, die zu Beginn eines Mahls in meinen Augen nicht wirklich passend ist, aber sei’s drum. Es schmeckt.
Beim ersten Gang aus dem Lunch Menu spielen Borlotti Bohnen, knackige Gemüse und Tomatenwasser mit Limette die Hauptrolle. Was potenziell ein grossartiges Sommergericht sein könnte, entpuppt sich leider als Rohrkrepierer. Was vor allem an der sehr überschaubaren Produktqualität liegt (meine Tomaten aus dem Garten beispielsweise schmecken viel intensiver). Dazu ist wenig von der angekündigten Knackigkeit zu spüren, es fehlt an Säure und Salz und der Sinn der drei verlorenen, bestenfalls als pappig zu bezeichnenden Madeleines erschliesst sich mir auch nicht. Kurz gesagt: es läuft vieles falsch und wenig richtig auf diesem Teller. Schade.
Ungleich besser ist die Königskrabbe mit Curry auf einer Tarte Fine mit Avocado und Koriander. Zwar kann man nicht nur aufgrund der wenigen Sekunden, die zwischen der Bestellung und dem Servieren des Gerichts liegen erkennen, dass hieran gar nichts à la minute zubereitet wurde, doch immerhin stimmt der Geschmack einigermassen. Abgesehen davon, dass die Tarte Fine durch die Kühlung bereits etwas leicht Gummiges an sich hat und das Törtchen generell zu kühl serviert wird (wie sollte es auch anders sein, so direkt aus dem Kühlschrank), lassen sich immerhin anständige Produkte und ein ziemlich stimmiges Geschmacksbild erkennen. Mit drei Sternen hat das natürlich nichts zu tun, aber immerhin bewegt sich das in einem Bereich, in dem man zumindest mal darüber nachdenken könnte ein Macaron auszupacken.
Bei der cremigen Auberginensuppe mit Eigelb, Ibericoschinken und Croutons stimmt nun endlich (fast) alles. Die heisse Suppe verbindet sich nach dem Anstechen mit dem köstlichen Ei, der (etwas zu knapp bemessene) Schinken bringt mit seiner fetten Nussigkeit eine zusätzliche, luxuriöse Reichhaltigkeit ins Gericht, während die Croutons vor allem als Texturgeber fungieren. Gut.
Da kann die Dashi mit gebratener Langoustine und Tobiko leider nicht mithalten. Als “spiced Dashi” auf dem Menü aufgeführt, zeigt die Suppe tatsächlich Anflüge von Aromen wie Ingwer oder Sternanis, was sie aber nur bedingt aufwertet, da die zurückhaltende Eleganz, die eine Dashi ausmacht, einer flüchtigen und plakativen Aromatik weicht. Obwohl die Küche beim akkurat zubereiteten Kaisergranat, den aufgerollten Gemüsejulienne und den knackigen Pilzen nichts falsch macht, mag keine wirkliche Begeisterung aufkommen. Einziger wirklich gelungener Part dieses Ensembles, der ein wenig Spannung erzeugt, ist der Tobiko. Vor allem von California Rolls bekannt wird der Fliegenfischrogen hier zu einer Art Bällchen geformt, das gekonnt mit der aufplatzenden Textur des Rogens und seines dezenten, frischen Aromas spielt. Ein gelungenes Element macht natürlich noch kein gutes Gericht, doch ich hege bereits nicht mehr ganz so leise Zweifel, ob dieser Lunch wirklich noch Fahrt aufnimmt. Darum erfreue ich mich einfach für ein paar Sekunden an diesem Bällchen.
Weiter geht’s mit Black Cod, Malabar Pfeffer Sauce und Kokosnussschaum. Befürchtungen, dass die Süsse der Kokosnuss allzu stark in den Vordergrund gerückt wird, erstickt bereits der erste Bissen im Keim. Denn es wird vor allem die tropisch-exotische Seite der Nuss des Palmengewächses betont, die vom subtilen Pfeffer zusätzlich akzentuiert wird. Da der Fisch stark angebraten wurde, kann er die durchaus kräftigen Aromen, die ihm zur Seite gestellt werden, relativ gut vertragen. Zusätzlich sorgen der undefinierbare, frittierte Streifen obenauf und etwas Pak Choi für etwas Abwechslung am Gaumen. Nach der Auberginensuppe der zweite Teller, der wenigstens durch simplen Wohlgeschmack zu gefallen weiss. Immerhin.
Das Meer spielt auch beim Drachenkopf und Reis mit Safran „Paella Style“ eine Hauptrolle. Während die Meersau (ein eigentlich viel besserer Name für den Drachenkopf) relativ akkurat gebraten ist und man mit aufgeknusperten Schuppen gekonnt einen zusätzlichen texturellen Akzent setzt, ist der Reis eine Enttäuschung. Kaum Geschmack, merklich zu lange gegart and dadurch trocken. Da reichen auch das Alibi-Schäumchen und die Muscheln nicht als Unterstützung. Sieht man über diese konzeptionellen und handwerklichen Fehler hinweg (und vergisst, dass man in einem der höchstdekorierten Restaurants der Welt sitzt), bleibt ein im Grossen und Ganzen anständig schmeckender Teller, den man in einem Strandbistro nach einigen Gläsern Wein als akzeptabel erachten würde. Die Sorgenfalten auf meiner Stirn werden heute Mittag wohl nicht mehr verschwinden.
Die sinnbefreite Schäumchenorgie setzt sich auch beim dritten Teller in Folge fort. Neben grünem Schaum gibt es noch französisches Freilandhuhn, Taggiasca Oliven, Kartoffelpürée und konfierte Zitrone zu kosten. Wie bei den wenigen erfolgreichen Tellern zuvor ist auch in diesem Fall eine simple Kombination mit reichlich Wohlfühlfaktor das Geheimnis guten Gelingens. Saftiges, aromatisches Geflügel, eine sehr anständige (wenn auch nicht ausreichende Jus), knackige Erbsen, herb-mediterranes Flair durch die Oliven und etwas Frische durch die Zitrusfrucht. Exzellent. Aber auch hier, ich wiederhole mich, bewegt man sich im Bereich von einem Stern, nicht deren drei.
Ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie lieblos die Chefs im Hong Konger Atelier teilweise arbeiten, ist der zweite Hauptgang Wagyu Onglet, Erbsen und Pfifferlinge. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir jemals ein Teller mit so einer Lache Fleischsaft darauf vorgsetzt wurde. Nicht in einem Landgasthof und erst recht nicht in einem Dreisterner. Naja, bringt ja nichts, ich probiere einfach mal. Geschmacklich ist das Ganze in Ordnung, wenn auch wenig erquickend. Nicht mal das berühmte Kartoffelpürée à la Robuchon überzeugt in diesem Lokal. Das sagt wohl alles.
Die leise Hoffnung hegend, wenigstens einmal heute Mittag fantastische Produkte aufgetischt zu bekommen, mache ich mich über den französischen Käse her. Man traut es sich an dieser Stelle kaum mehr auszusprechen, aber bei dieser Selektion kommen mir alleine in Hong Kong mehrere Restaurants in den Sinn, die besser gereifte Erzeugnisse servieren. Noch dazu sind die Käse zu kalt. “Hmpf”, würde das in einem Comic wohl heissen.
Bei der karamellisierten Mirabelle mit Frischkäsemousse und Joghurt-Limetten-Sorbet zeigt sich, dass zumindest die Pâtisserie des Hauses Überdurschnittliches abzuliefern im Stande ist. Die Güte der Mirabellen ist über jeden Zweifel erhaben, das Zusammenspiel des fruchtig-süssen Kernobsts mit den cremigen, säurebetonten Mitspielern funktioniert hervorragend. An dieser Stelle sollen gar nicht mehr allzu viele Worte verloren werden: endlich rutscht mir mal ein “verdammt gut” über die Lippen.
Die Petits Fours zum Espresso sind zufriedenstellend.
Dieser Lunch war eine einzige Enttäuschung. Anders kann man das Erlebte nicht zusammenfassen. Ein paar Teller erreichten zwar Sternelevel - ein Stern wohlgemerkt - andere wiederum scheiterten bereits an dieser Einstiegshürde. Wie der Guide Michelin auf die Idee kommt, für das Hong Konger Outlet der Robuchon Ateliers seine Höchstwertung von drei Macarons zu vergeben, ist nach diesem Mahl absolut nicht nachvollziehbar. Doch neben dem Michelin hat sich auch die Küchenbrigade des Restaurants nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Geschirr mit Fingerabdrücken drauf ist hier eher die Regel als die Ausnahme. Auch dass man einen Teller wie den Wagyu Hauptgang überhaupt schickt und nicht neu anrichtet, ist mir in dieser Art und Weise in einem besternten Restaurant noch nie untergekommen.
Obwohl weitgereiste Foodies in den allermeisten Fällen nicht eben positiv über die Ateliers zu berichten wissen - vor allem deren oftmals überhöhte Bewertungen im Michelin sind immer wieder ein Thema - musste ich mir natürlich selbst ein Bild machen. Es wird wohl eine einmalige Stippvisite in die schwarz-rote Lackwelt bleiben, denn heute habe ich rein gar nichts vorgesetzt bekommen, was einen erneuten Besuch rechtfertigen würde.
L’Atelier de Joël Robuchon
im Landmark Atrium
Shop 401
15 Queen's Road Central
Central
Hong Kong
China
+852 2166 9000
Website