Gasthaus zum Gupf (Walter Klose) - Rehetobel

Gasthaus zum Gupf (Walter Klose) - Rehetobel

Lange ist’s her seit meinem letzten Besuch im Gasthaus zum Gupf. 17 Jahre, um genau zu sein. Im Jahr 2002 begann ein sehr junger und aufstrebender Koch in diesem Gipfelrestaurant im Appenzellerland sein kurzes Gastspiel: Daniel Humm. Nach seiner Tätigkeit als Chefkoch im Gupf zog es den ambitionierten Aargauer bekanntlich zuerst nach San Fancisco, dann weiter nach New York City, wo er sich mit seinem dreifach besternten Restaurant Eleven Madison Park in die Weltelite kochte. Mittlerweile betreibt er auch ausserhalb seiner Wahlheimat New York Hotels und Restaurants, beispielsweise in Las Vegas und Los Angeles. Im Sommer 2019 wagt er den Sprung zurück über den grossen Teich. Gemeinsam mit seinem Partner Will Guidara eröffnet er in London das Davies & Brook im Hotel Claridge’s. Eine weitere Dependance des NoMad ist in den kommenden Jahren ebenfalls geplant. Was das alles mit dem Gasthaus zum Gupf zu tun hat? Humm hat als neuer Küchenchef damals einen gewissen Walter Klose abgelöst. Als Humm sich im nächsten Jahr entschieden hat in die USA umzusiedeln, wurde er wieder durch Klose ersetzt. Abgesehen von diesem signifikaten Unterbruch leitet der gebürtige Bayer Klose nun bereits seit mehr als zwei Dekaden die kulinarischen Geschicke des Gasthaus zum Gupf.
Das Restaurant befindet sich in einem wundervoll restaurierten Bauernhaus, idyllisch gelegen auf einem Berg im Kanton Appenzell Ausserrhoden, mit einer fabelhaften Aussicht auf den Bodensee und die umliegenden Berge und Wälder. Ein Setting, das einem das Entschleunigen und Geniessen der Natur richtiggehend aufdrängt. Das Wort pittoresk scheint für diesen herrlichen Ort mit angrenzendem Viehbetrieb und Helikopterlandeplatz erfunden. Nachdem ich die Ruhe einige Minuten lang genossen habe, wird es aber langsam Zeit die Gelüste meines knurrenden Magens zu stillen.

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Man hält sich hier oben nicht mit langem Vorspiel auf und serviert zeitgleich die zwei einzigen Grüsse aus der Küche: Spanferkel-Terrine auf Kartoffelsalat mit Meerrettich und Gemüse-Currysuppe. Akkurat gearbeitet, treffend abgeschmeckt, in Summe jedoch nichts, was zum Auftakt gleich Begeisterungsstürme auslösen würde.

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Variation vom Seeteufel mit Fenchel und Orange eröffnet direkt danach das Menü. Den in der gehobenen Küche eher selten anzutreffenden Fisch serviert Klose roh, in Kadaifi gerollt sowie gebacken. Fenchel und Orange sind ein erprobtes Duo, das ganz wunderbar mit Fisch harmoniert. So auch in diesem Fall. Die Lotte wurde sehr sorgfältig zubereitet und verträgt die durchaus intensive Einfassung bemerkenswert gut. Vor allem die rohen Stücke vertragen sich blendend mit der mystischen Änisnote und der fruchtigen Säure. Ein gelungener Auftakt.

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Bei den Scampi mit gegrilltem Saturnpfirsich, Ingwer und Curry fällt zuerst das eher ungewöhnliche und kleinteilige Arrangement auf. Fast klare, klebrige Tupfer, Maltodextrin Spielereien, eine Maki Rolle - diese Ansammlung wirkt unnötig postmodern, forciert und irgendwie willkürlich. Doch erstmal probieren, bevor ein Urteil gefällt wird. Und siehe da, es schmeckt. Ganz hervorragend sogar. Das Zusammenspiel der Hauptkomponenten funktioniert vorzüglich - der Kaisergranat bleibt dabei stets im Mittelpunkt des Geschehens und die reichlich wild anmutende Einfassung setzt erstaunlich klare und vor allem passende Kontrapunkte zum süsslichen Edelkrebs. Sehr fein ausbalanciert und vor allem geradezu erstaunlich lecker.

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Taubenbrust mit Rüebli markiert bereits den Übergang in den karnivoren Teil des Lunchs. Neben der Brust wird auch die Keule des Vogels serviert, bereichert durch eine Jus sowie etwas Pastinake. Man könnte vermuten, dass die beiden Wurzelgemüse zu viel Süsse ins Spiel bringen und die Taube so übertünchen. Doch Klose weiss genau, wie er die einzelnen Komponenten portionieren muss, damit ein stimmiges Ganzes entsteht. Gekonnt zusammengebracht wird diese niemals plakative Kombination von der herrlich klebrigen, tiefen Sauce. Hier versteht jemand sein Handwerk. Ein simples aber keinesfalls triviales Gericht, das eigentlich eine zweite Runde verdient hätte.

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Vor längerem habe ich in einem Artikel gelesen, dass man sich im Gupf nicht nur auf Haute Cuisine versteht, sondern auch etwas rustikaleren Klassikern einen Platz auf der Menükarte einräumt. Besonders empfohlen wurde in diesem Bericht das Cordon Bleu. Wie es der Zufall will, steht diese deftige, oft schlecht zubereitete Wirtshausspezialität heute auf der Karte. Die Vernunft darf bekanntlich nicht immer siegen, darum schiebe ich es als zusätzlichen Gang ins Menü ein. Ein lohnender Einschub, wie sich schnell herausstellt. Alle Zutaten sind von exzellenter Qualität, das Fleisch saftig gebraten, die Panade knusprig, der Käse kräftig und cremig. Kurzum: ein perfektes Cordon Bleu.

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Nach dem vergnüglichen Intermezzo und einer angemessenen Pause - inklusive Besuch des beeindruckenden Weinkellers, den ich noch in bester Erinnerung hatte - steht der erste von zwei Hauptgängen an. Beim Duo vom Kalb mit Champagnerrisotto und Eierschwämmli zeigt die Küche erneut, dass sie die klassische Schule mit traumwandlerischer Sicherheit beherrscht. Güte und Zubereitung des Kalbs ist makellos, was an dieser Stelle eigentlich nicht mehr erwähnt werden müsste. Erwähnenswert ist jedoch das superbe Risotto, mit noch leicht bissfestem Reis, subtiler Säurestruktur und vorzüglicher Würze. Zusammen mit der erneut vortrefflichen Jus ein Hochgenuss, der für mich das Fleisch auf diesem Teller beinahe obsolet macht. Sehr gut.

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Nicht ganz so gelungen ist das Lamm unter der Senf-Kräuterkruste mit Mais, Peperoni und Tannenwipfelhonig. Zum einen ist das Aroma des Lamms trotz des schönen Fettrands seltsam zurückhaltend. Ein Problem, das durch sehr dominante Kruste, die im übrigen nicht knusprig ist, weiter verstärkt wird. Zu guter letzt krankt dieser Gang an zu viel Süsse. Der Mais und der Honig verschieben das Geschmacksbild zu stark in die liebliche Richtung und damit weit weg von einem herzhaften Hauptgang, wie man ihn sich wünschen würde. Dass Klose und seine Mannschaft solche potenziellen Probleme eigentlich problemlos zu umschiffen wissen, hat die Taube bereits gezeigt. Was die Enttäuschung in diesem Fall umso grösser macht.

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Vor den Süssspeisen darf eine kleine Auswahl vom Käsewagen natürlich nicht fehlen.

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Das einzige Dessert des Tages dreht sich um Heidelbeeren und Vanille. Die Pâtisserie hat die Geschmacksprofile beider Zutaten optimal rausgearbeitet und bringt deren gesamte Bandbreite präzise aufeinander abgestimmt auf den Teller. Dass Beeren und die Dessert-Allzweckwaffe gut zusammen gehen, verwundert natürlich nicht. Spannend ist jedoch, wieviele verschiedene Nuancen dieser beiden Aromen es hier zu entdecken gibt. Es entsteht nämlich ein durchaus komplexes Aromenuniversum, das erfreulicherweise dennoch nie den Pfad des puren Wohlgeschmacks verlässt. Einziger kleiner Kritikpunkt ist die auf Dauer etwas zu stark ausgeprägte Süsse. Dennoch sehr schön.

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Petits Fours und Espresso Zeit. Auf dem Tisch stehen: Salzkaramell Trüffel, Eclaire mit Zitronenmousse, Birnengelee,  Amaretto Lolly, im Glas Apfelsorbet und Calvadosschaum. Ähnlich wie bei den Amuses zuvor, lösen auch diese Kleinigkeiten keine unbändige Ekstase in mir aus.

Ein Besuch im Gasthaus zum Gupf hat auch so viele Jahre nach meiner ersten Stippvisite, damals im Winter, nichts von seiner Faszination verloren. Walter Kloses Küche ist zwar klassisch basiert, schielt aber immer wieder über den Tellerrand hinaus. Was sich vor allem in der Integration moderner Elemente und Fernweh-Geschmäckern zeigt. So sorgt er für genügend Abwechslung auf den Tellern und verfällt nicht in gepflegte Langeweile (ausser beim Lamm). Wem der Sinn nicht nach langen Menüexkursionen steht, der kann sich auch ganz einfach einen Salat und ein herausragend gutes Cordon Bleu einverleiben und dazu eine Trouvaille aus dem über 30’000 Flaschen (!) fassenden Keller geniessen. Unabdingbar ist dazu eine kurze Führung ins Gewölbe, das neben den regulären Weinen auch noch mit einem designierten Raum für Grossflaschen sowie einer Schatzkammer ausgestattet ist. Mein nächster Trip nach Rehetobel soll nicht wieder 17 Jahre auf sich warten lassen. Und unbedingt eine Übernachtung beinhalten, damit man den Weinkeller in vollen Zügen geniessen kann und am nächsten Morgen in entspannter Ruhe und zu dieser fabelhaften Aussicht aufwacht.


Gasthaus zum Gupf
9038 Rehetobel
Schweiz
+41 (0)71 877 11 10
Website


Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Informationen zu unserem Umgang mit Pressekonditionen findest du in den FAQ.