Schauenstein (Andreas Caminada) - Fürstenau
Schauenstein (Andreas Caminada) - Fürstenau
Sommer, Sonne, Sonntag. Diese drei “S” sind die optimalen Voraussetzungen für einen Ausflug nach Fürstenau und einen gemütlichen, ausgedehnten Lunch auf Schloss Schauenstein. Heute meint es die Sonne aber fast zu gut mit ihren Strahlen. Das Thermometer hat die 30 Grad Marke bereits kurz vor Mittag überschritten, teilt mein Auto mir ungefragt mit. Die Klimaanlage läuft sowieso schon auf Hochtouren, was bei der Ankunft auf dem Parkplatz den Ausstieg in die brütende Hitze nicht leichter macht. Der Schlossgarten zumindest freut sich sichtlich über das prächtige Wetter. Alles blüht in fast schon kitschigen Farben und strotzt nur so vor Leben. Bei jeder Reise hierhin denke ich unweigerlich dasselbe: was für ein wunderbarer Ort. Die Hitze holt mich jedoch schnell aus meinen Tagträumen in die Realität zurück. Jetzt schleunigst hoch zum Restaurant und ab in den Schatten. Das Sakko hätte ich heute wirklich mal getrost zu Hause lassen können. In der Obhut der Sonnenschirme angekommen entlege ich mich dem unnötigen Mitbringsel und giesse erstmal einen grossen Schluck Wasser in mich rein. Das hilft. Noch mehr hilft ein Gläschen Schaumwein, um Kühlung zu verschaffen und die kurze Wartezeit bis zu den Apéros zu überbrücken. Heute ist mein erster Besuch bei Andreas Caminada seit der selbstverordneten Kreativpause. Entsprechend gespannt bin ich, was sich im Schauenstein seit meiner letzten Stippvisite kulinarisch so alles getan hat.
Zum frisch aufgefüllten Glas werden die ersten Snacks aufgetragen: Weinblatt, Traube - Entenleber, Haselnuss - Rote Bete Eis - Champignon, Lauch - Buchweizencrisp, Estragon, Tomate. Sehr präzise gearbeitet, abwechslungsreich und leicht inszeniert. Ein Bilderbuchauftakt, wie man ihn aus der Schlossküche gewohnt ist.
Senf Eis, Schinken, Schnittlauchöl und ein Brot Taco mit Schinken folgen. Der Schinken ist seit meinem ersten Besuch in Fürstenau ein immer wiederkehrendes Thema, das jedes Mal höchst elegant interpretiert wird und für Hochgenuss sorgt. Dieses Duo bildet da keine Ausnahme. Klasse.
Der Lunch wird innerhalb der Schlossmauern mit Felchen, Zwiebelsud und Himbeere fortgesetzt. Ein exemplarisches Gericht für Caminadas Können. Er bändigt die scharfe Zwiebel und die Fruchstsäure der Himbeere, damit sie den delikaten Fisch nicht übertünchen. Schafft es dabei aber gleichzeitig, deren geschmackliche Integrität zu konservieren und das Ganze zu einem harmonischen Ganzen zu kombinieren. Sehr stark.
Einen alten Bekannten präsentiert die Küche mit der Kopfsalatgazpacho. Die grüne Frische gepaart mit der angenehmen Kühle ist wie gemacht für einen heissen Sommertag wie diesen.
Foie Gras, Trüffel und Rote Bete fällt ein bisschen aus dem Rahmen, da es diese luftige Leichtigkeit vermissen lässt, die die bisherigen Gerichte ausgezeichnet hat. Mit dieser Kombination kann man zwar grundsätzlich wenig falsch machen, doch obwohl hier sowohl Ingredienzen als auch Handwerk überzeugen, ist das nur bedingt aufregend und auch nicht wirklich sommerlich.
Ganz anders der letzte Gruss aus der Küche (ja, das Menü hat offiziell tatsächlich noch nicht mal begonnen): Spareribs, Röstzwiebel und Dörrbirne. Ich gebe es ja zu, mit Schweinefleisch kann man bei mir ziemlich einfach ziemlich viel richtig machen. Doch so verdammt gut wie in diesem Fall machen es auch nicht sehr viele. Saftig, zart, vollmundig - ohne dabei zu üppig daherzukommen - und herrlich akzentuiert durch die elegante Bouillon. Als Gegenpol wird die leicht dumpfe Fruchtsüsse der Birne serviert. Dieses Ensemble hätte durchaus einen prominenteren Platz und eine grössere Portion verdient. Wow!
Es folgt der erste Gang des Menüs Saibling, Kohlrabi und Radieschen. Der Fisch im Hauptteller ist einen Tick zu lange gebeizt, dadurch ein wenig zu fest geraten, und verliert deswegen etwas von seinem ansonten betörenden Schmelz. Die Produktqualität bleibt dennoch über alle Zweifel erhaben, ebenso wie die schlichte, knackige Einfassung, die den delikaten Saibling exzellent komplementiert. Im Schälchen befindet sich eine Art Tatar des Saiblings mit seinem Rogen und einer Vinaigrette, das dem Hauptteller in nichts nachsteht und durch eine feine Würze glänzt.
Die Langoustine mit Limone, ein Klassiker des Hauses aus dem Jahr 2008, war lange Zeit einer meiner Favoriten. Verglichen mit dem, was Caminada heute macht und wofür er grösstenteils steht, ist dieses Gericht geradezu unwirklich anachronistisch. Zwar finde ich es nach wie vor sehr ansprechend, da die Produkte von guter Qualität sind und technisch einwandfrei in Szene gesetzt werden, doch vergleicht man diese über eine Dekade alte Kreation mit den Kreationen aus den letzten Jahren, springt einem der Unterschied förmlich ins Gesicht. Denn obwohl sich die Eckpfeiler in Caminadas Küche nicht verändert haben, sind seine neueren Gerichte noch präziser gearbeitet, noch finessenreicher und vor allem noch schmackhafter.
Für Schloss-Verhältnisse geradezu klassisch kommt die Kalbsmilke mit Blumenkohl und Trüffel daher. Über dieses erprobte Trio braucht man eigentlich nicht viele Worte zu verlieren, das passt einfach. Wenn es dann auch noch tadellos umgesetzt ist, wie in diesem Fall, ist durch den reichhaltigen, luxuriösen Schmelz tiefste Befriedigung garantiert. Trotz der verhältnismässig leichten Darbietung, ist auch das natürlich wenig sommerlich. Würde man, davon abgesehen, unbedingt einen kleinen Kritikpunkt finden wollen, wäre dies die fehlende Kruste beim Bries. Dadurch könnte man diesem Trio texturell etwas mehr Leben einhauchen und für mehr Kauspass sorgen.
Weiter geht’s mit Zander, Aubergine und Artischocke. Durch die Bitternis des Korbblütlers wird die feingliedrige Struktur des Zanders toll hervorgehoben. Bei der Aubergine hingegen bin ich mir aufgrund ihres leicht trägen Geschmacks auch nach der dritten Gabel nicht ganz sicher, ob das als weiteres Begleitelement wirklich optimal gewählt ist. Genau wie der unscheinbare aber merklich salzige Speck in der Sauce, untergräbt auch die Eierfrucht die ansonsten makellose Eleganz dieser Schale. Wir bewegen uns hier aber bereits im Bereich “Meckern auf sehr hohem Niveau”.
Als kleinen Zwischeneinschub gönne ich mir die Tortellini mit Schmorbratenfüllung. Auch wenn die Pasta einen Hauch länger gegart sein dürfte, ist das dennoch ein lohnenswertes, weil süffig-simples Spassmacher-Intermezzo.
Damit die karnivoren Gelüste beim Hauptgang nicht zu kurz kommen, gibt’s nun Hirschrücken, Topinambur, Knoblauch und Puntarelle. Obwohl die Intention klar erkennbar ist und das Zusammenbringen der verwendeten Komponenten grundsätzlich Sinn macht, will hier das eine Rädchen nicht so recht ins Andere greifen. Dafür ist einerseits der Pfeffer, in dem der Hirsch gebraten wurde, zu dominant. Zusätzlich driftet der Gesamteindruck trotz der bitteren Puntarelle doch etwas zu stark in die liebliche Richtung. Es sind Nuancen, doch das ist halt einfach nicht die übliche Perfektion, die man aus dieser Küche gewohnt ist. Schlimm ist das alles freilich nicht, denn es schmeckt ja trotzdem sehr gut. Der Gang zählt einfach nicht zu den unzähligen Highlights, die mir Caminada schon serviert hat.
Auf diesen Moment warte ich bei jedem Besuch in Fürstenau sehnsüchtig: der Käsewagen kommt. Er ist zwar heute nicht voll funktionsfähig und entfaltet dadurch nicht seine ganze mechanische Imposanz, doch das tut dem Käse, der darauf liegt, freilich keinen Abbruch. Wie immer sind die edlen Erzeugnisse in Bestform, perfekt gereift und temperiert. Dazu gibt’s quasi ein Best-Of-Bündlerland bestehend aus Maluns, Bergkartoffeln, Trockenfleisch, Senf und Dörrbirne. Gewisse Restaurants lohnen die Anreise dieser Tage alleine schon wegen des Käsewagens. Das Schauenstein gehört definitiv dazu.
Ganz herzerwärmend mollig ist der Auftakt in die süsse Schlosswelt. Gebrannte Creme d Tatta und Apfelbeignets sind mittlerweile zu Vertrauten geworden, mit denen Caminada demonstriert, dass auch scheinbar simple Hausmannskost auf Dreisterneniveau gebracht werden kann. Das kann man einfach ohne gross nachzudenken wegfuttern. Oder sich, wenn man denn möchte, gleichzeitig am perfekten Handwerk und der tollen Feinabstimmung und Harmonie erfreuen. Grossartig. Jedes Mal aufs Neue.
Sogar noch besser sind die Blaubeeren mit Joghurt, Buchweizen und Zitrone. Fruchtig, frisch und leicht springt einem der Sommer beinahe ins Gesicht. Alles, was an einem Dessert Freude macht, ist hier in Vollendung vereint. Süss, natürlich, aber nicht zu süss. Ein animierendes Säurespiel, das alles so herrlich leicht macht. Tiefe, intensive Frucht, die einer olfaktorischen Flutwelle gleich kommt. Temperatur- und Texturkontraste, die keine Langeweile aufkommen lassen. Als Tüpfelchen auf dem i das superbe, luftige Soufflé. Besser geht Nachtisch nicht.
Im Salon werden zum Espresso noch einige Petits Fours gereicht. Caminadas Küche ist grösstenteils so leicht, dass auch hierfür noch Platz vorhanden ist. Eine seltene Freude.
Für mich persönlich gibt es nur wenige Dinge, die ich mit mehr Lebensgenuss verbinde, als einen Besuch auf Schloss Schauenstein. Das Gesamterlebnis, das Andreas Caminada und sein Team bieten, ist kaum zu toppen und wird nur von wenigen Restaurants dieser Welt auf demselben Niveau gelebt. Doch so toll das Erlebnis auch heute wieder war, rein auf die kulinarische Seite bezogen muss man festhalten, dass die Küchenmannschaft auch schon bessere Tage hatte. Diese Aussage muss aber gleich auch wieder relativiert werden. Denn ich denke, dass Gäste, die mit Caminadas Küche nicht sehr vertraut sind oder gar zum ersten Mal nach Fürstenau pilgerten, auch heute von ihrem Menü umgehauen wurden. Wenn man hingegen schon oft zu Gast war, fallen diese kleinen Abweichungen von der hier sonst so selbstverständlichen kulinarischen Vollkommenheit durchaus auf. Denn das letzte Quäntchen Präzision in Sachen Würzung und Garung hat bei einigen Tellern gefehlt. Doch das ist, wie bereits erwähnt, Meckern auf sehr hohem Niveau. Beim nächsten Besuch wird sowieso alles wieder makellos sein, da bin ich ziemlich sicher.
Schloss Schauenstein
Schlossgass 77
7414 Fürstenau
Schweiz
+41 81 632 10 80
Website
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