Steinhalle (Markus Arnold) - Bern

Markus Arnold ist ein richtiger Gastro-Tausendsassa. Die Tage, in denen er “nur” in der Küche stand - und damit im Meridiano in Bern einen Stern und 17 Punkte erkochte - sind längst passé. Ob Pop-Up mit vietnamesischem Streetfood oder tibetischen Momos, eine Pop-Up Bar, Weihnachtsmarktbetreiber inklusive Fondue Chalet oder Brunch at Home, Arnold hat all das bereits gemacht oder macht es immer noch.
Herzstück seines kleinen Gastro-Imperiums ist aber die Steinhalle. In lässig-urbanem Ambiente auf zwei Stockwerke verteilt, kochen er und seine Crew in einer offenen Tresenküche täglich zwei Konzepte. Abends gibt es Casual Fine Dining mit ständig wechselnden Themen wie Stockholm Reloaded, Bistronomie Paris, Wald, Korea oder French Cuisine, das mir vor einigen Jahren sehr gut gefallen hat (zum Bericht). Die Auszeichungen wie zu Meridiano Zeiten hat er sich damit auch in der Steinhalle wieder erkocht.
Mittags verfolgt Arnold einen ganz anderen Ansatz. Easy Lunch ist angesagt, mit einer kleinen aber feinen Auswahl von Publikumsfavoriten wie Bowls, Burger und Ramen. Nach längerer Abstinenz schaffe ich es endlich mal wieder zum Mittagessen in die Steinhalle, um mir einige der Klassiker des Hauses einzuverleiben.

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Der Reiz einer Bowl hat sich mir nie wirklich erschlossen. Doch man soll ja öfter mal was Neues wagen, weshalb ich heute die Easy-Bowl mit Mango, Edamame, Sushi-Reis, Sesam, Gurken und Hass Avocado probiere. Den oftmals scheinbar wahllos zusammengewürfelten Wildwuchs, den viele Bowls auszuzeichnen scheint, findet man in dieser Schale nicht vor. Ganz im Gegenteil. Nicht nur gehen die einzelnen Komponenten eine harmonische Verbindung ein und ergeben ein stimmiges, rundes, in sich geschlossenes Geschmacksbild, auch die Proportionen sind sehr akkurat abgestimmt. Dazu scheint mir die Grösse genau richtig bemessen, um hungrige Bäuche satt zu bekommen, sie aber nicht zu überfüllen. Für mich gilt das natürlich nicht, denn es kommen noch ein paar Gerichte (die ich aber brav teile).

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Bestens bekannt sind mir die Hokkaido Ramen mit Weizennudeln, einem Onsen Ei (das heute aus mir unbekanntem Grund fehlt, was aber nicht weiter schlimm ist), Mais, Miso, Ingwer und Wauwiler Bierschwein (aka Chashu). Frühere Eindrücke werden beim ersten Löffel direkt wieder bestätigt und lassen nur einen Schluss zu: das ist die beste Schüssel Ramen, die ich in der Schweiz kenne. Auch hier merkt man allen Elementen die Sorgfalt an, mit denen sie zubereitet werden. Eine solch ausgewogene, dabei enorm kräftige und tiefe Suppe hat kein anderes mir bekanntes Schweizer Restaurant zu bieten. Die Nudeln haben Biss und einen Geschmack, der den Gebrauch dieses Wortes überhaupt erst rechtfertigt. Das Fleisch ist saftig, zart und von bester Qualität. Die Portionierung aller Elemente punktgenau und dadurch ein Hochgenuss vom ersten Löffel bis zum letzten Schluck direkt aus der Schüssel.

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Ein weiterer heissgeliebter Klassiker ist der Steinhalle Burger. Arnold serviert dazu keine unnötigen Beilagen, sondern konzentriert sich darauf, den bestmöglichen Burger aufzutischen (wer unbedingt möchte, kriegt dazu einen Marktsalat). Ein stattliches Patty vom Swiss Prime Beef wird auf dem Big Green Egg über Holzkohle innen perfekt rosa gegrillt. Im Brötchen aus dem Holzofen befinden sich neben dem Fleisch noch kräftiger Gruyère, Salatblätter, ein wenig Rotkohl, dann versteckt sich ein wenig Sesam und Ponzu darin sowie eine Cocktailsauce. Das klingt erstmal eher ungewöhnlich und auch etwas zu wild. Allerdings ist das natürlich nicht irgendein Burger von einer x-beliebigen Burgerbude, sondern das Werk eines wahren Könners. Angefangen bei der hervorragenden Fleischqualität, den verführerischen Grillnoten und dem perfekten Gargrad. Dazu der genau richtig dosierte Käse, der diese cremige, üppige Würzigkeit mitbringt. Das angemachte, sehr knackige Gemüse für den Biss. Sesam und Ponzu, um die Nussigkeit des Fleisches zu unterstreichen und gleichzeitig durch die Säure für Balance zu sorgen. Und zu guter letzt die Cocktailsauce - eine Zutat, die in meinem Buch auf einem Burger wirklich mal gar nichts zu suchen hat - die für weitere Saftigkeit sorgt, Säure und geschmacksverstärkendes Fett mitbringt und schliesslich alles wunderbar zusammenführt. Mit Sicherheit einer der besten Burger des Landes.

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Obwohl ich zweifellos nichts mehr essen müsste, vor allem da in wenigen Stunden bereits der Besuch in der Bistrobar ansteht (zum Bericht), lasse ich mir ein kleines Dessert nicht entgehen. Ein Milch Soft Ice aus Berner Milch mit karamellisierter Kondensmilch und Granola bietet genau den unkomplizierten Genuss, den man erwartet. Eine gute Entscheidung, nicht darauf zu verzichten. Noch dazu passt das Eis hervorragend zum Espresso.

Easy Lunch mit Anspruch. Egal was Markus Arnold anpackt, es ist immer vom Streben geprägt, das Bestmögliche rauszuholen. Qualität ist stets die oberste Maxime. Und das merkt man auch. Beim hochwertigen Fleisch im Burger. Dem luftigen, knusprigen Brötchen. Der Komplexität der Suppe. Den perfekten Garpunkten. Der Feinjustierung jedes Gerichts. Man muss kein weit gereister Gourmand sein, um Qualität wertschätzen zu können. Letztlich läuft es auf einen simplen Fakt raus: Gerichte, die man kennt und schon hundertfach gegessen hat, schmecken in der Steinhalle ganz einfach besser als an vielen anderen Orten. Deshalb gibt es beim Mittags- und Abendpublikum viel mehr Überschneidungen, als man vielleicht aufgrund der sehr unterschiedlichen Konzepte erwarten würde. Arnold überzeugt seine Gäste beim Lunch mit Qualität und unkompliziertem Spass. Dadurch öffnet er auch das Tor für Personen, die eine falsche Vorstellung von Fine Dining haben und so auch mal den Sprung zum Dinnerbesuch wagen. Arnold missioniert und bekehrt mit Qualität. Eine Win-Win-Situation für Koch und Gast. Der umtriebige Chef ist zwar nicht der erste, der ein duales Konzept fährt, doch wenige setzen es so überzeugend und konsequent um wie er.


Steinhalle
Helvetiaplatz 5
3000 Bern
Schweiz
+41 (0)31 351 51 00
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