Sonnenberg (Marcus G. Lindner) - Zürich
Als im November des letzten Jahres die Meldung durch den Blätterwald drang, dass Marcus G. Lindner nach Zürich zurückkehrt, freute ich mir ein Loch in den Bauch. Nach einem Intermezzo im The Alpina in Gstaad - wo er, wie zuvor im Mesa, 18 Gault&Millau Punkte erkochte, jedoch "nur" noch einen Michelin Stern - kommt die Limmatstadt endlich wieder in den Genuss der Küche eines ihrer besten Köche der letzten 15 Jahre. Soweit die Theorie. Denn Lindner wurde nicht Küchenchef in einem auf Fine Dining spezialisierten Lokal, sondern im Restaurant Sonnenberg hoch über Zürichs Dächern. Hier trat er die Nachfolge von Jacky Donatz an, der zuvor 17 Jahre lang Chef am Pass des Fifa-Restaurants war. Die Vorfreude auf Lindners Rückkehr mischte sich mit einer gewissen Skepsis. Doch das hält mich natürlich nicht davon ab, kurz nach der Übernahme durch den gebürtigen Vorarlberger einen Tisch zum Lunch zu reservieren.
Zum Start entscheide ich mich für zwei Vorspeisen. Ein Stück Burrata mit Ochsenherztomate wird zusätzlich durch etwas Rucola ergänzt. Das sieht lieblos angerichtet aus und schmeckt auch nicht viel besser, als die Optik suggeriert. Couscous mit Dorade schmeckt ungleich besser und bietet wenigstens ein bisschen Spannung. Der Fisch soll als Ceviche zubereitet sein, scheint mir dafür aber viel zu gross geschnitten, was zu einem zu festen Fleisch führt. Dazu ist von der typischen Zitrusnote keine Spur. Die Würzung ist insgesamt etwas gar zahm geraten, was das Gericht schlussendlich zu einer Art geschmacksarmem Taboulé mit gebeiztem Fisch macht.
Aus der Saisonkarte probiere ich anschliessend ein Stück Steinbutt mit Spargeln. Der Butt ist merklich zu lange gegart, jedoch noch im Bereich des geniessbaren, die Spargeln und die Hollandaise sind tadellos. Doch auch hier beschleicht mich erneut das Gefühl eines etwas gar lieblosen Chefs am Herd. Über den völlig überrissenen Preis hülle ich an dieser Stelle den Mantel des Schweigens. Ein Ossobucco "Gremolata" mit Safranrisotto ist endlich ein Teller, bei dem alles stimmt. Saftiges Fleisch, kräftige Sauce, ein spannender Hauch von Agrumenzesten in der Nase, ein nahezu perfektes Risotto. Es geht doch. Warum so ein Gericht allerdings im Juni auf der Karte steht, kann ich nur bedingt nachvollziehen. Aber ich bin in diesem Moment einfach glücklich etwas leckeres vor mir zu haben, also Schwamm drüber. Weiter geht's zum Kalbssteak mit Morcheln, Spargeln und Nudeln. An Fleisch und Morcheln wurde hier definitiv nicht gespart. Doch das Fleisch wurde, wie schon der Fisch zuvor, ein gutes Stück zu lange gegart, ebenso wie die Morcheln und die Spargeln. Das sind erneut auftretende handwerkliche Unzulänglichkeiten, die man in einem Haus mit 15 Gault&Millau Punkten und dieser Preisstruktur eigentlich nicht erwartet. Doch immerhin schmeckt's.
Zum Dessert entscheide ich mich für eine Kreation aus Joghurt und Heidelbeeren. Die Blaubeeren haben richtig Geschmack, was mich zu dieser Jahreszeit nur mutmassen lässt, woher sie wohl kommen mögen. Die Abstimmung zwischen dunkler Fruchtsüsse und leicht säuerlichem Joghurt ist ausgezeichnet und so ist das Dessert das eigentliche Highlight dieses Lunchs. Wenn da nicht noch die Petits Fours zum Espresso wären. Sie sind wirklich ausnahmslos ausgezeichnet und werden bis zum letzten Krümel verputzt.
Das war, gelinde gesagt, eine Enttäuschung. Selbst wenn ich meine mit Sicherheit zu hohen Erwartungen aussen vor lasse, waren die Gerichte objektiv gesehen einfach höchstens durchschnittlich. Wenn die Küche weiterhin auf dem heute gezeigten Niveau agiert, wird es in meinen Augen schwierig, selbst die 15 Gault&Millau Punkte zu halten. Im Sonnenberg liegt direkt nach der Übernahme durch Marcus G. Lindner noch einiges im Argen, wie mir scheint. Dennoch werde ich bei Gelegenheit sicher zurückkehren, um mir ein Bild der Entwicklung zu machen. Ich hoffe, dass man bis dahin die gewohnte Lindner-Qualität auf den Tellern findet.
Restaurant Sonnenberg
Hitzigweg 15
8032 Zürich
Schweiz
+41 44 266 97 97
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