Weiss Kreuz (Stefan Jäckel) - Malans
Das Bündnerland hat sich in den letzten Jahren zur ultimativen Genuss-Region der Schweiz gemausert. Zumindest, wenn man nach dem Michelin geht, der in seiner 2018er Ausgabe an keinen Kanton mehr Macarons ausgeschüttet hat, als über dem grössten der 26 Schweizer Kantone. Auch über dem pittoresken Weindörfchen Malans leuchtet seit kurzem ein Stern. Genauer gesagt über dem Weiss Kreuz. Seit 2014 zeichnen sich hier bekannte Gesichter der Schweizer Haute Cuisine für den Betrieb verantwortlich. Herr über die Küche ist Stefan Jäckel, der lange Jahre bei Horst Petermann in dessen Kunststuben gekocht hat. Der ehemalige Zweisternekoch vom Zürichsee unterstützt das Weiss Kreuz in beratender Funktion. Seine Frau Iris Petermann ist verantwortlich für das Restaurant und das kleine Hotel mit vier Zimmern. Kunststuben reloaded? Ein eingespieltes Team zumindest, das sicher beste Voraussetzungen mitbringt um hier einige genussreiche Stunden zu verbringen.
Das Restaurant befindet sich in einem schmucken Patrizierhaus, die hübschen Täferstuben verströmen eine urige, heimelige Gemütlichkeit, die gerade jetzt im Winter sehr angenehm ist. Im Sommer sitzt man dann auf der grosszügigen Terrasse. Hier lässt es sich in jedem Fall gut aushalten. Ich nehme in einer der Stuben Platz und entscheide mich nach kurzer Rücksprache mit Frau Petermann der Küche freie Hand zu gewähren und warte gespannt auf die Ouvertüre.
Ein Trio von Snacks läutet den Lunch ein. Zuerst widme ich mich einem Crab Cake mit Passionsfrucht. Das luftige Bällchen besticht durch das klare, süsslich-jodige Aroma der Krabbe und perfekten Crunch. Die Passionsfruchtsauce dazu ist mit ihrer säuerlichen Frucht fast ein wenig zu scharf und will vorsichtig dosiert werden. Das Wachtelei mit Senf und Petersiliencrème ist quasi der Antipode zur ersten Kleinigkeit - erdig, kräuterig, süffig, gut. Das letzte Amuse ist gleichzeitig das beste. Ein Tapiokachip mit Rouille und Oktopus besticht durch tolle Produktqualität beim Kraken, eine sehr fein-würzige Rouille mit lediglich dezentem Knoblaucharoma und dem Crunch des Chips. Sehr gut
Das Menü wird ganz klassisch mit einer Foie gras Kreation eröffnet. Zu einer Entenleber-Praline mit Pistazien gesellen sich Feigen und Kefen, à part wird eine kleine Brioche gereicht. Mittlerweile finde ich nur noch relativ selten grossen Gefallen an kalten Lebergerichten, doch dieser Teller überzeugt. Die bewährte Kombination von Stopfleber und Frucht funktioniert natürlich sowieso bestens und auch der Akzent durch eine nussige Komponente passt naturgemäss sehr gut. Das Interessante an diesem Gang sind jedoch die Zuckerschoten, die einerseits als Texturgeber fungieren, andererseits aber auch eine dezente, vegetabile Süsse sowie ganz subtile Bitternoten ins Spiel bringen und so aus einem gefälligen, aber etwas biederen Teller, ein tolles Gericht machen.
Von der Langustinen-Mousse mit schwarzem Trüffel, Lauch und Hummer-Espuma steigt ein absolut betörender Duft in meine Nase, sobald der Service mit dem Teller durch die Tür den tiefen Durchgang die Stube betritt. Das steigert die Vorfreude gleich nochmal um ein Vielfaches. Das perfekt gegarte Exemplar des Granats ist mit einigen Scheiben des Edelpilzes belegt und wird von einer fabelhaften, schaumigen Krustentierbisque umschlossen. Darunter versteckt befindet sich etwas süsslicher Lauch und der eigentlich Star dieses Ensembles, die Mousse. Angereichert mit etwas Jakobsmuschel ist diese fluffige Mousse, die eigentlich eher an einen Flan erinnert, ausschliesslich als perfekt zu beschreiben. Wunderbar luftig, dabei cremig und von einem umwerfend intensiven, süsslich-maritimen Geschmack. Dieses kleine Gebilde ist absolut süchtigmachend! So gut die restlichen Komponenten, auch in Kombination mit der Mousse, sind, so könnte ich mich doch für die restliche Zeit meines Lunchs ausschliesslich an diesem Wunderwerk laben. Für das gesamte Gericht müsste man mindestens zwei Sterne rausrücken, der Flan ist sogar eher noch einen mehr Wert. Umwerfend gut!
Beim nun folgenden lauwarmen Rotbarbenfilet mit Fenchel, Safran und Grapefruit Reduktion erfreue ich mich am herrlich anachronistischen Geschirr und bin kurz darauf beim ersten Probierbissen irritiert durch eine relativ präsente, leicht metallische Bitterkeit, die ich jedoch weder der Grapefruit noch dem Safran zuordne, der durchaus auch solche Aromen entfalten kann. Ich probiere jedes einzelne Element, um schliesslich festzustellen, dass dieser starke Bittergeschmack von den Salty Fingers herrührt. Einer Pflanze, die ursprünglich in Küstennähe gewachsen ist und nun auch gezüchtet wird. Sie ist sowohl salzig und auch bitter. Mir erscheint zwar der zusätzliche Einsatz dieser zusätzlichen bitteren Komponente zu Beginn nicht schlüssig, doch mit jeder weiteren Gabel macht das Geschmacksbild ein bisschen mehr Sinn. Die Barbe mag sowieso gerne bittere Begleiter, warum also nicht auch mal einen Teller bewusst bitter gestalten? Eine Harmonie lässt sich zum Schluss jedenfalls nicht mehr leugnen und interessant geschmeckt hat es auch. Mal etwas anderes.
Der Hauptgang kommt als Duett daher. Eine Miéral Taubenbrust in der Nusskruste mit Cassis-Jus, Karotten und Vanille teilt sich den Teller mit karamellisiertem Luma Schwein mit Rahmwirz. Zuerst widme ich mich der Taube. Bei Exemplaren von Züchter Mièral weiss man natürlich, dass man hohe Qualität bekommt. Wenn die Brust dann noch so perfekt gebraten ist wie in diesem Fall, ist die pure Wonne garantiert. Die Einfassung ist aufgrund der süsslichen, zusätzlich mit Vanille aromatieserten Rübchen und der Cassis-Jus mit Schokolade für meinen Geschmack etwas zu lieblich geraten, passt jedoch objektiv gesehen ausgezeichnet. Der Bauch vom allseits beliebten und qualitativ mittlerweile wirklich tollen Luma Schwein ist wunderbar saftig und wird vom Rahmwirz sehr klassisch untermalt. Auch hier ist der Gesamteindruck etwas zu süss, aber wortwörtlich saulecker. Insgesamt ein toller Hauptgang - oder vielmehr Hauptgänge. Nur warum diese beiden Gerichte auf demselben Teller landen erschliesst sich mir nicht. Aber solange es schmeckt, was soll’s?
Nochmal ganz klassisch wird's beim Französischen Trüffelbrie. Begleitet wird der veredelte Weissschimmelkäse von einer Rösti und etwas Rosmarinhonig. Damit kann man natürlich rein gar nichts falsch machen. Und obwohl ich grundsätzlich kein Freund von Begleitungen zum Käse bin, passen diese hier ganz wunderbar und haben einen bezirzenden Charme.
Das Dessert, eine Pina Colada Surprise, ist die einzige Enttäuschung des Lunchs. Zwar ist der Versuch da, die leidlich süsse Angelegenheit durch die Beigabe von "weihnachtlichen" Gewürzen und Nüssen aufzupeppen und dem Ganzen eine gewisse Komplexität zu verleihen, doch es ist einfach viel zu klebrig und dadurch auch sehr eindimensional.
Auf eine riesige Petits Fours Auswahl verzichtet man im Weiss Kreuz und serviert zum Espresso leidglich ein paar leckere, der Jahreszeit entsprechende "Guetsli".
Meine Erwartungen an einige genussreiche Stunden wurden im Weiss Kreuz vollumfänglich erfüllt. Eigentlich wurden sie sogar übertroffen. Iris Petermann ist eine herzliche und sehr fachkundige Gastgeberin, die den grandiosen Weinkeller (hier liegt unter anderem die grösste Magnum-Sammlung der Schweiz im Keller) richtig einzusetzen weiss. Stefan Jäckel hat gezeigt, dass er ein äusserst fähiger Chef ist, dem man perspektivisch betrachtet vielleicht sogar mehr als den einen Stern zutrauen kann. Zumindest, wenn man das heutige Menü als Grundlage nimmt. Dieses bestand nämlich nicht aus seinen Eigenkreationen, sondern war eine vorweihnachtliche Reminiszenz an Jäckels langjähren Chef Horst Petermann (was auch die sehr klassische Ausrichtung der Speisen erklärt). Der hat bekanntlich in seinen Kunststuben in Küsnacht zwei Sterne erkocht. Obwohl es Spass gemacht hat, sich an den Tellern des Altmeisters zu verköstigen, fehlt mir somit natürlich ein Eindruck von Stefan Jäckels Küche. Bei meinem nächsten Besuch möchte ich unbedingt seine eigenen Kreationen probieren und auch richtig in die riesige Weinkarte eintauchen, die den einen oder anderen Schatz bereit hält, der entdeckt werden möchte. Ein erneuter Abstecher in die Genusshochburg Bündnerland steht in nicht allzu weiter Ferne wieder auf dem Plan und das Weiss Kreuz befindet sich direkt wieder hoch oben auf der Liste der zu besuchenden Restaurants.
Stefan Jäckel ist aufgrund eines Konzeptwechsels nicht mehr im Weiss Kreuz tätig.
Weiss Kreuz
Dorfplatz 1
7208 Malans
Schweiz
+41 (0)81 735 25 00
Website
Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt. Informationen zu unserem Umgang mit Pressekonditionen findest du in den FAQ.