Kitchen Party in der Taverne zum Schäfli - Wigoltingen

Kitchen Parties, 4-Hand Dinners, Gastköche die um die halbe Welt geflogen werden um in fremden Küchen mit unbekannten Teams Menüs zu replizieren, all das geniesse ich im Normalfall mit äusserster Vorsicht. Zu oft bereits haben mich Veranstaltungen dieser Art ratlos zurück gelassen, um nicht zu sagen enttäuscht. Doch als Christian Kuchler aus dem Schäfli in Wigoltingen angefragt hat, ob ich seine Küchenparty besuchen möchte, musste ich nicht lange überlegen. Die Gastköche des heutigen Abends, Stefan Heilemann aus dem Ecco in Zürich, Christian Hümbs aus dem Haerlin in Hamburg und Kirill Kinfelt aus dem Trüffelschwein in Hamburg, sind alle mit Kuchler befreundet und reisen ins ländliche Thurgau, um mit ihrem Kumpel ein Fest zu feiern - und um zu kochen natürlich. Das sind schon mal ganz andere Grundvoraussetzungen als leider so oft üblich bei Veranstaltungen dieser Art. Deshalb bin ich auch äusserst positiv gestimmt, als ich um kurz nach 18.30 Uhr im Schäfli eintreffe. Das Fest ist schon in vollem Gange. An diesem Abend werden 120 (!) Gäste durch das gesamte Schäfli flanieren, schlemmen, trinken und so richtig Party machen. Eine verrückte Zahl. Das komplette Restaurant ist leer geräumt, lediglich ein paar Stehtische finden sich noch in den urigen Stuben. Die vier Chefs stehen in der Küche und kochen alle 1-2 Gerichte, man kann ihnen beim Anrichten zuschauen, mit ihnen sprechen und selbstverständlich das Essen goutieren. Ich schlängle mich zuerst an Kirill Kinfelts Station. Der Chef des einfach besternten Trüffelschwein in Hamburg serviert heute zwei Gerichte.

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Kirill Kinfelt in action

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Als erstes probiere ich seinen Stör mit Quitte, grünem Apfel und Kaviar. Der farcierte Stör ist in eine Art Maultasche gefüllt und wird durch die fruchtigen Begleiter süss-sauer eingefasst. Der erste Bissen ist keine Offenbarung, doch der zusätzliche Salzkick und die leicht jodige Note des Kaviars sorgen dann glücklicherweise für die dringend benötigte Balance, im ansonsten etwas zu süssen Ensemble. Gut, wenngleich ich es schade finde, dass der Stör nicht im ganzen im Pastateig gelandet ist.

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Das zweite Gericht Iberico Backe, Sellerie und Trüffel erfüllt bereits beim Anrichten die Szenerie um Kinfelts Posten mit einer betörenden Duftwolke von nussigem Edelpilz und herrlich klebriger Jus. Das Resultat enttäuscht nicht. Süffig, kräftig, intensiv ist dieser Happen im Nu verputzt. Simpel und ausgezeichnet. Weiter geht's zur nächsten Station.

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Stefan Heilemann in action (rechts in Bild)

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Mit Stefan Heilemann schickt heute einer meiner liebsten Schweizer Köche (ja, er ist natürlich eigentlich Deutscher) ebenfalls zwei Gänge. Den Start macht eine marinierte Entenleber mit Rhabarber und Brioche. Es gibt wenige Köche, die die Fettleber so elegant in Szene setzen wie Heilemann. Die Foie hat einen subtilen Schmelz, keine überbordende Mundfülle. Braucht sie auch nicht, denn dafür ist die Brioche in Form eines Eis da. Die Üppigkeit der beiden Hauptkomponenten wird durch die prägnante Frische des Rhabarber toll konterkariert. Wenn kalte Leber oder Leberterrine, dann bitte so.

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Weiter geht's mit Big Eye Thunfisch, Alge und Gurke. Schon beim ersten Bissen wird klar, was das für eine Bombe ist. Allein die Qualität des Thuns, dessen Rücken und Bauch auf dem Teller landen, treibt einem fast die Tränen in die Augen. Die kongeniale Begleitung changiert gekonnt zwischen Japan (Sojasauce, Algen) und Europa (Gurke), und lässt dem Fisch dabei jederzeit Raum zur Entfaltung. Das ist nichts anderes als ein Meisterwerk, welches die Grenze zwischen zwei drei Sternen verschwimmen lässt. Wow!

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Wolfgang Kuchler inmitten der Gäste.

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Christian Kuchlers Vater Wolfgang, langjähriger Chef und Patron des Schäfli, lässt es sich an einem Anlass wie diesem natürlich nicht nehmen, einen seiner Klassiker aufzutischen: Kompott von Osso Bucco und Parmesanpolenta. Hier kann man einerseits natürlich nicht viel falsch machen, andererseits ist auch gar nicht so einfach, etwas scheinbar so simples in dieser Qualität auf die Teller zu bringen. Schlotzig, cremig, mit einer Sauce zum Niederknien.

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Christian Kuchler in action

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Nun ist es langsam an der Zeit, dem Gastgeber einen Besuch abzustatten. Christian Kuchler zeichnet sich heute für den "Hauptgang", wenn man an einer Kitchen Party von sowas überhaupt sprechen kann, verantwortlich. Er serviert ein Entrecôte vom Schrofenhof-Rind mit La Ratte Kartoffeln und Sauce Béarnaise. Viel klassischer geht's nicht - viel besser auch nicht. Rosa gegartes Fleisch, leicht knusprige Kartoffeln, darüber wird eine Jus und ein grosszügiger Löffel Béarnaise gegossen. Man fühlt sich unweigerlich dazu aufgefordert, sofort reinzuhauen. Und genau das mache ich auch. Der Teller ist in gefühlter Rekordzeit blank geputzt und ich stehe wieder in der beträchtlichen Schlange vor Kuchlers Pass, um mir einen Nachschlag zu holen. So muss das sein.

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Christian Hümbs in action

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Auf das Dessert dieser Kitchen Party bin ich besonders gespannt. Denn ich werde zum ersten Mal in den Genuss einer Kreation von Pâtissier-Extraordinaire Christian Hümbs kommen: "Wald" - Buchweizen, Apfel und Fichte. Als ich den Meister beim Anrichten beobachte, steigt meine Vorfreude schier ins Unermessliche. Vorsichtig und mit Bedacht widme ich meine gesamte Aufmerksamtkeit dem ersten Löffel. Der schmeckt so verdammt gut, es ist kaum auszuhalten. Ich möchte mich mit der Schale verkriechen und sie ganz in Ruhe leer essen. Dieses Spiel von dezenter Süsse, herb-säuerlicher Fruchtigkeit, die unverkennbaren "Waldnoten" der verschiedenen verarbeiteten Nadeln, ist einfach umwerfend. Als mit dem Löffen nichts mehr geht, nehme ich meine Finger zu Hilfe, um auch noch das letzte bisschen aus der Schale zu bekommen und ja nichts zu verschwenden. Dieses Dessert schafft es einfach so mal in meine Top 10 Desserts aller Zeiten. Zum Verrücktwerden gut!

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Alle, deren Hunger noch nicht gestillt ist, können sich mit einem kleinen bisschen Kaviar samt Wodka weiter verpflegen...

Die Kitchen Party im Schäfli verdient ihren Namen. Neben der ungezwungenen Atmosphäre punktet Kuchler bei seinem Fest mit einer feinen Weinauswahl, guter Musik und vor allem: gutem Essen! Kuchler selbst und seine Gäste kochen umgeben von der riesigen Gästeschar auf beeindruckend hohem Niveau. Kein Reinfall, kein Grund zur Beanstandung - sogar einige veritbale Highlights waren dabei. Mehr kann man von einem Fest dieser Art wirklich nicht erwarten. Entsprechend glücklich und ausgelassen wirken Gäste und Köche gleichermassen. Es wird geflachst, geküsst, gekocht, gegessen und getrunken als ob es kein Morgen gäbe. Genauso gehört sich das. 


Taverne zum Schäfli
Oberdorfstrasse 8
8556 Wigoltingen
+41 (0)52 763 11 72
Website


Mein Besuch wurde vom Restaurant unterstützt.