Imperial Treasure - Shanghai

Imperial Treasure - Shanghai

Nach der Exkursion ins vegetarische Sternerestaurant Wujie (zum Bericht) am gestrigen Abend, verschlägt mich meine Neugier erneut ins Lokal einer Kette. Das Imperial Treasure, hier in Shanghai mit zwei Sternen ausgezeichnet, operiert neben Shanghai in diversen weiteren Metropolen wie zum Beispiel in Singapur (wo sich auch die Homebase der Gruppe befindet), in London, Paris und anderen Städten mit zahlungskräftiger Klientel. Die Kette rühmt sich damit, eine breite Palette von ikonischen chinesischen Gerichten zu servieren und sieht sich selbst an der Spitze von authentischem chinesischem Fine Dining. Was auch immer das bedeuten soll.
Vergleicht man das Interieur dieser Imperial Treasure Lokalität, die sich in der Yi Feng Galleria befindet, mit anderen chinesischen Lokalen, in denen sich die oberen Zehntausend tummeln, fällt die Einrichtung des Hauptrestaurants relativ dezent und geschmackvoll aus. Dazu gibt es noch 14 private Räume, ohne die man in China offenbar kein Restaurant betreiben kann, und die gemäss der Website um einiges luxuriöser ausgestattet sind.
Begrüsst werde ich direkt auf Englisch, was im Reich der Mitte selbst in einer Weltstadt wie Shanghai keine Selbstverständlichkeit ist. Dadurch sollte sich auch die Essensauswahl etwas einfacher gestalten, die in chinesischen Restaurants immer so eine Sache ist. Daher tausche ich mich direkt mit dem überraschend freundlichen Kellner über die riesige Karte aus und bitte ihn um Unterstützung bei der Entscheidungsfindung. Schliesslich einigen wir uns darauf, dass er eine Auswahl von Gerichten für mich zusammenstellt, dabei aber auf gewisse Produkte wie Bird’s Nest oder Haifischflosse verzichtet.
Entgegen der im Reich der Mitte üblichen Sitte, die Teller zu servieren, sobald die Küche sie fertig gekocht hat, gibt es hier einen Menü-ähnlichen Ablauf.

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Karotte und Radieschen Pickles bestechen sowohl optisch als auch handwerklich - die Karotten werden in die Radieschen gepfercht und von diesen ummantelt - sind für Eingelegtes aber merklich zu süss.

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Das Barbecue Schwein mit Honig wird vom Service als ein Klassiker des Hauses annonciert. Fleisch von anständiger Qualität, saftig gegart, nur etwas knuspriger dürfte es gerne sein. Es schmeckt zweifellos, ist aber erneut sehr süss und hat weder in handwerklicher Sicht noch in der Güteklasse des Produktes irgendwas mit einem Michelinstern zu tun. Geschweige denn mit zwei. Wenn dieser Teller - immerhin einer der Klassiker des Hauses - ein Indikator ist, für das, was noch kommt, könnte dieser Abend in einer Enttäuschung enden. Noch bin ich allerdings relativ positiv gestimmt und harre neugierig der Dinge, die da kommen.

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Doch als ich den ersten Löffel der Maissuppe mit Huhn probiere, schwindet meine positive Einstellung ziemlich rapide. Auch sie krankt an der scheinbar in jedem Gericht omnipräsenten Süsse. Oder ist das als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen, dass der Kellner mich süss findet und deshalb entsprechende Gerichte ausgewählt hat? Spass beiseite - davon gibt’s hier bis anhin sowieso nicht viel - und genauer hingeschmeckt zeigt sich auch hinter der Saccharose-Wand nicht mehr viel anderes. Plump und einsdimensional beschreibt den Gesamteindruck wohl am besten. Hm…

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Was als Schwein mit Ananas annonciert wird, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als das, was man im Westen als Schweinefleisch Süss-Sauer oder gerne auch Nummer 69 bestellt. In diesem Fall wird so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Eigentlich befindet sich das Fleisch in einer potenziell knusprigen Hülle, da aber alles komplett mit Sauce überschwemmt ist, kommt im Mund nichts auch nur annähernd Knuspriges an, sondern lediglich ein ziemlich labberiger Teigklumpen. Ich habe in meinem Leben schon viel schlechtes Schwein Süss-Sauer gegessen und diese Version gehört auf dem Treppchen der schlimmsten Ausführungen ziemlich weit nach oben.
Eigentlich würde ich an dieser Stelle gerne abbrechen, in die nächste Bar weiterziehen und mir den Frust von der Seele trinken. Doch ich will und muss versuchen herauszufinden, aus welchen Gründen der Michelin die zwei Sterne für diesen Laden aus dem Hut gezaubert hat.

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Immerhin geht’s mit dem unscheinbaren geschmorten Salat mit Garnelensauce endlich in die diametral entgegesetzte Richtung des bisher gezeigten. Anständige Produktqualität, ansprechendes Texturspiel zwischen zart geschmorten äusseren Blättern und noch leicht knackigen Inneren. Dazu die Sauce, die einen gewissen Funk versprüht und an eine XO Sauce nach Hong Konger Vorbild erinnert. Auch das ist keinen Stern wert, aber immerhin schmeckt’s. Das ist der erste Gang, von dem ich mir vorstellen könnte, ihn mal wieder zu verspeisen, wenn er mir irgendwo über den Weg laufen würde.

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Ähnlich verhält es sich beim frittierten Kabeljau. Man kann ein passables Grundprodukt ausmachen, die saubere Technik sorgt für eine angenehm knusprige Hülle, das Fleisch ist saftig, heiss und ohne Ölgeschmack. Gut. Gäbe es nun noch anständige Fritten und ein Erbsenpüree, wäre das ein gelungener Bestandteil von Fish & Chips.

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Warum China für seine Süssspreisen nicht unbedingt weltberühmt ist, zeigt die Mango Sago. Das mir unbekannte Sago ist nichts anderes als ein neutral schmeckendes Verdickungsmittel, das aus der gleichnamigen Sagopalme gewonnen wird. Dieses Dessert ist also einfach Mangosaft, der wieder angedickt wurde. Noch dazu keine besonders gute, reife Mango. Zum Glück hat der Kellner nur ein Dessert vorgeschlagen.

Wie oft ich vom Essen in einem Zwei-Sterne-Restaurant so sehr enttäuscht wurde, wie vom heutigen Dinner im Imperial Treasure, kann ich zum Glück immer noch an einer Hand abzählen. Ich schiebe den schwarzen Peter gerne dem Guide Michelin in die Schuhe, der sich mit der Auszeichnung dieses Lokals mal wieder ins eigene Bein geschossen hat. Selbst wenn ich natürlich nur einen Bruchteil der Gerichte probiert habe, die hier angeboten werden, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ausgerechnet diese sieben Teller, die nicht mal im Ansatz einen Stern wert sind, ja im Michelin-Universum eigentlich gar nichts zu suchen haben sollten, von den anderen Kreationen derart überragt werden, dass hier irgendwo Sterne rausspringen könnten. Geschweige denn zwei davon. Was in diesem Ableger des Imperial Treasure aufgetischt wird, schmeckt keinen Deut besser als die Gerichte in zig-tausenden chinesischen Lokalen auf dem Erdball.
Ganz nebenbei hat das Imperial Treasure Shanghai aber doch noch ein Treppchen erklommen und macht es sich direkt unter den drei schlechtesten Zwei-Sterne-Restaurants die ich jemals besucht habe gemütlich.


Imperial Treasure
L402-403, 4/F Yi Feng Galleria
No. 99 East Beijing Road
Huangpu District
Shanghai 200002
China
+86 21 5308 1188
Website