Die Rose (Tobias Buholzer) - Rüschlikon

Auf meiner Liste von Schweizer Köchen die ich besuchen möchte, ist Tobias Buholzer schon sehr lange vertreten. Damals kochte er noch im St. Meinrad in Zürich und war Gault Millau's Entdeckung des Jahres in der Deutschschweiz. Doch ich habe es nie ins St. Meinrad geschafft, als unter seiner Ägide gekocht wurde. Auch in alle anderen Restaurants, in denen der begabte Jungkoch danach am Herd stand, schaffte ich es aus verschiedensten Gründen nie einzukehren. Langsam erschien mir das wie ein Zeichen. Doch heute, fast 10 Jahre nachdem ich das erste Mal von Tobias Buholzer gelesen habe, finde ich endlich den Weg in sein Restaurant. Seit vergangenem September kocht er in der Rose in Rüschlikon am Zürichsee, einen Katzensprung von meiner Heimatstadt entfernt. Nach einer kurzen Zugfahrt und einem angenehm erfrischenden Spaziergang durch einen klirrend kalten Dezemberabend stehe ich vor einem hübschen, herrschaftlichen Riegelhaus im Dorfkern von Rüschlikon. Zeit zum verharren gönne ich mir auch aufgrund der eisigen Temperaturen keine, darum mache ich mich flotten Schrittes die Treppen hinauf, wo ich nach dem Eintreten von Sabrina Buholzer, Ehefrau des Chefs und Gastgeberin, empfangen werden. Nach einer herzlichen Begrüssung werde ich zu meinem Platz neben einem alten, heimeligen Kachelofen begleitet, wo ich es mir für die kommenden Stunden gemütlich machen werde. Das Restaurant wirkt ein bisschen düster (was sich leider auch an der Beschaffenheit der Fotos bemerkbar macht) und erinnert eher an eine alte Dorfbeiz, als an ein Fine Dining Etablissement. Wie dem auch sei, ich bin schliesslich nicht hier, um das Interieur zu begutachten, sondern um kulinarisch verwöhnt zu werden. Los geht's.

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Wasabi-, Randen- und Verjus-Champignons - Shiitakesponge mit schwarzer Zitrone - Buchenpilz in der Knusperkugel
Pilze sind das Subjekt der Amuse Bouches. Zuerst gibt es eingelegte Champignonköpfe: Wasabi, Rande und Verjus veredeln den bescheidenen Champignon. Eine interessante Idee, bei der jeder der drei Pilzköpfe sowohl sein Eigenaroma zum Vorschein bringt, als auch die des jeweiligen Geschmacksgebers. Gut schmecken sie alle, mein Favorit ist aber der frische Verjus. Ein schöner Einstieg. Weiter geht's mit einem Shiitakesponge, der nur bedingt nach dem beliebten Heilpilz schmeckt und von der Konsistenz her an Brotkrume erinnert. Den knusprigen Abschluss der Trilogie macht ein Buchenpilz, der von einer Knusperkugel umhüllt ist. Vom Pilz schmecke ich abermals fast nichts, auch, oder weil die Knusperkugel mit ihrem Frittiergeschmack einen allfällig vorhandenen Pilzgeschmack übertüncht. Schade.

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Sonnenblumenbrot
Ein frisches, leicht warmes und luftiges Sonnenblumenbrot kommt mit gesalzener Butter an den Tisch um die Wartezeit bis zum nächsten Gang zu überbrücken. Ein richtig leckeres Stück Brot, von dem ich mir jedoch wohlweisslich nur ein Stück gönne, auch wenn es sich lohnen würde, das gesamte Gebäck zu verschlingen.

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Noix Gras Tarte Tatin
Vor jedem Gang serviert die Küche eine Petitesse, die den Gast geschmacklich auf das folgende Gericht einstimmen soll. Mein erster Happen ist eine gebratene Tranche Noix Gras, die in der Art einer Tarte Tatin serviert wird. Meine erste Begegnung mit der Erfindung des Chefs, die eine vegetarische Interpretation der Foie Gras ist (dazu gleich mehr), fällt genüsslich aus.

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Noix Gras Terrine mit fallendem Apfel, Rosmarin und Brioche
Der erste Gang ist der Noix Gras gewidmet. Tobias Buholzer hat diese vegetarische Foie Gras-Alternative in jahrelanger Tüftelei entwickelt. Sie betseht hauptsächlich aus Cashewkernen, Pinienkernen, Butter, Eiern, Périgord Trüffeln, etwas Schnaps und verschiedenen Gewürzen. Ich bin äusserst gespannt auf mein zweites erstes Mal, nun als Terrine und nicht wie zuvor gebraten. Der erste Bissen überrascht durch eine Textur, die dem tierischen tierischen Vorbild sehr ähnelt. Auch das Mundgefühl erinnert sehr stark an eine "richtige" Foie Gras Terrine. Nur schon das finde ich beeindruckend. Naturgemäss schmeckt dieses Produkt jedoch etwas anders - nussig, vielschichtig, mit zartem, mundfüllendem Schmelz. Ich bin sehr angetan. Die Beilagen sind in Form eines Apfelgelées, gefüllt mit Apfelstücken, und einer Brioche klassich gewählt und passen daher auch wie die Faust aufs Auge. Ein überraschender und wohlschmeckender Auftakt, der mir sehr gut gefällt. Lediglich etwas mehr Apfel hätte ich mir gewünscht, um die mächtige Terrine besser abfedern zu können.

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Randenknusper mit Störtartare und Dill
Die nächste Einstimmung folgt in Form eines Randenzylinders, gefüllt mir einem Störtartare und Dill. Wunderbar knusprig umhüllt die erdige Rande den tollen Zuchtfisch aus Frutigen und der Dill sorgt für eine beinahe mysteriös wirkende Kräuternote. Sehr gut.

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Frutiger Stör als geräuchertes Mousse mit Kaviar, Randen und Rettich
Zur hübschen Moussehalbkugel serviert die reizende Gastgeberin am Tisch ein Stück geräuchertes Filet vom Stör, frisch aus dem Pfännchen. Die betörend-intensiven Räucheraromen ziehen sofort die ganze Aufmerksamkeit auf sich und mich in ihren Bann. Damit dem Gast den Mund wässrig zu machen, ist nie verkehrt. Im ersten Moment erscheint mir die Räucherung etwas zu stark, doch ab dem zweiten Bissen öffnet sich eine unerwartet komplexe Geschmackswelt, die mich regelrecht vom meiner Sitzbank reisst. Die luftige, rahmige Mousse, unter der noch ein Stückchen Rande versteckt ist, profitiert vom herben, präsenten Raucharoma des Filets und geht zusammen mit den süsslich-erdigen Randen sowie den sauer gepickelten Rettichstückchen eine Gemeinschaft ein, die einfach umwerfend ist. Ich esse langsam, regelrecht behutsam, um mich so lange wie möglich an diesem überirdisch guten Teller erfreuen zu können. Und dabei fällt es mir so schwer, denn es ist so verdammt lecker, dass ich einfach alles vertilgen möchte um dann einen noch einen Nachschlag zu bestellen. Der Teller geht natürlich blitzblank geputzt in die Küche zurück. Ich würde jeden Tag nach Rüschlikon reisen, nur um dieses Gericht wieder essen zu können, so gut ist es.

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Kürbissuppe mit weissem Trüffel
Der erste Löffel des jetzigen Vorboten bewirkt, dass mir der Mund offen stehen bleibt. Zum Glück nur bildlich gesprochen, sonst hätte ich ja die wunderbare Suppe verschwendet. Ich liebe Suppen. Suppen bekommen in der Haute Cuisine heutzutage keinen gebührenden Platz eingeräumt. Glücklicherweise sieht man das hier in der Rose und kämpft gegen diese Ungerechtigkeit an. Die ultraintensive Kombination von sämigem Kürbis mit einer gehörigen Portion weissen Trüffeln gehört zu den besten Suppen, die ich jemals gegessen habe... Schade, ist dieses flüssige Gold bereits nach wenigen Löffeln verschwunden. Eine grössere Portion dürfte es durchaus auch als eigener Gang auf die Karte schaffen. Umwerfend lecker.

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Kürbisgnocchi mit einer Füllung aus weissem Trüffel und Vacherin Mont d'Or-Schaum
Der grosse Bruder der Suppe, steht ihr geschmacklich in nichts nach. Die wunderhübschen Kürbisgnocchi, die optisch an Mini-Patissons erinnern, haben in sich eine hocharomatische Füllung aus weissem Trüffel versteckt, die es in sich hat. Wie ich schon von der Suppe zuvor weiss, sind Kürbis und weisse Trüffeln ein unerwarteter "match made in heaven". Auch wenn mir die Gnocchi etwas zu füllig geraten sind, erkunde ich den Teller voller Tatendrang. Denn mit den Kürbisgebilden allein ist es natürlich nicht getan. Dazu gesellt sich eine Sauce, bzw. ein Schaum vom Vacherin Mont d'Or, einem meiner allerliebsten Käse, der das Gericht erst so richtig rund macht. Der cremige, herb-käsige Schaum sorgt in Kombination mit dem Kürbis und dem Edelpilz für eine regelrechte Explosion am Gaumen, die alles in sich vereint, was diese Jahreszeit so essenswert macht. Erdige, dunkle und intensive Aromen, die für einen willkommene Wohlfühlfaktor und kulinarische Wärme sorgen. Sehr gut.

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Lammburger im Estragonbrötchen
Nach den bereits zahlreichen Highlights bei den Einstimmungen, setzt die Küche vor dem Hauptgang scheinbar ganz locker noch einen drauf. Dieser Hamburger, ein einzelner Happen von hocharomatischem, perfekt fluffigem Bun und wunderbar intensivem Lamm, macht richtig Laune. Hier stimmt von den hervorragenden Zutaten, über die perfekte Würzung und die optimalen Proportionen der einzelnen Elemente einfach alles. Ein Burger für die Ewigkeit in der Rose in Rüschlikon. Das hatte ich zu Beginn des Abends ganz sicher nicht erwartet. Wow!

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Gebratener Lammrücken mit Estragonpesto, Kartoffelkuchen und Schwarzwurzeln
Den atemberaubenden Burger zu toppen, ist jetzt sehr schwer. So blöd wie das auch klingen mag. Doch Buholzer schafft es problemlos zumindest das Level zu halten. Das liegt hauptsächlich am einfach tollen Lamm, von dem Rücken und Bauch ihren Weg auf den Teller finden. Das kernige kleine Schaf wirft einen Schatten auf all die langweiligen Lämmer, die mir immer wieder vorgesetzt werden. Hier schmecke ich die Wiese, die frische Luft und den Auslauf den das Tier hatte. Begleitet wird das Lamm sehr übersichtlich von ungemein geschmackvollen Schwarzwurzeln, die das Fleisch mit ihrer erdigen Süsse optimal kontrastieren, sowie einem herb-kräuterigen Estragonpesto. Den dünnen Strich davon auf dem Teller halte ich zu Beginn für etwas knapp bemessen, doch dank der herrlichen Intensität braucht es davon nur sehr wenig, um die Gabel zu bereichern. Ein wirklich gelungener Hauptgang, bei dem ich sogar den Kartoffelkuchen hätte verzichten können. Es gibt daran zwar weder geschmacklich noch handwerklich etwas auszusetzen, jedoch scheint er mir einfach unnötig zu sein, da die drei Elemente Lamm, Schwarzwurzel und Estragonpesto in ihrer Simplizität perfekt zu einander passen und keine weiteren Mitspieler benötigen.

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Rohmilchkäse aus der Schweiz von Sabrina's Wagen
Tobias Buholzer versteht es, seine Gäste nicht bereits vor dem Hauptgang zur Übersättigung zu treiben. Darum verzichte ich heute auch nicht auf eine Auswahl vom wunderbaren Käsewagen von Sabrina Buholzer, der den ganzen Abend neben mir stand und sich immer wieder mit seinem verführerischen Geruch bemerkbar gemacht hat. Vorab gibt es natürlich wieder eine Kleinigkeit in Form eines Türmchens bestehend aus Rande und Frischkäse (oben links im Bild), das mit seinem cremigen Schmelz schön zum Käse überleitet. Diese schönsten aller Milcherzeugnisse sind dann alle von fabelhafter Beschaffenheit, optimal gereift und perfekt temperiert serviert. Sogar die Käse von Jumi, denen ich in den seltensten Fällen etwas abgewinnen kann, schmecken vorzüglich. Kaum etwas kann mich so begeistern, wie Käse. Vor allem wenn alle Exemplare so gut sind wie hier. Ein Hochgenuss.

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Kaki-Brûlée
Der vorletzte Vorbote bereitet meinen Gaumen mit der für die Kaki typischen süsslich-dumpfen Frucht auf die Desserts vor.

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Meringue mit geräuchertem Zucker, Rahm und Kaki
Optisch reduziert und sehr appetitanregend kommt das erste Dessert daher. Die Kaki, eine von mir aufgrund ihrer muffigen Süsse nicht unbedingt favorisierten Früchte, überzeugt mich auch bei diesem Dessert im ersten Moment nicht. Schnell weiter zur Meringue. Diese ist ziemlich dick geraten und sorgt damit für ein etwas langanhaltendes, klebriges Mundgefühl. Unangenehm ist das noch nicht, aber nicht ganz mein Fall. Nach dem zweiten oder dritten Löffel macht sich auch der geräucherte Zucker bemerkbar und irritiert mich im ersten Moment, da ich mich unweigerlich an geräucherten Speck erinnert fühle. Im Prinzip ja nichts schlechtes, in einem Süssspeisenkontext jedoch sicherlich eine ungewöhnliche Assoziation. Nachdem ich das Dessert gegessen habe, bin ich mir immer noch nicht ganz sicher, was ich davon halten soll. Interessant ist es allemal, aufgegessen habe ich auch. Also ist wohl alles gut...

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Schokokuchen
Ein letztes Intermezzo bringt erneut eine wohlige Freude in die dunkle Stube, da der Schokokuchen durch hervorragende Produktqualität und präzisem Handwerk punktet. Die dazu servierte geschlagene Sahne macht diese Kleinigkeit zu einem tollen finalen "Amuse".

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Schokolade vom Wagen
Nun folgt eine Premiere für mich: Ein Schokoladenwagen. Das Gefährt wurde von den Buholzer's selbst konzipiert und gebaut und beherbergt verschiedenste Schokoladen von Felchlin, teilweise in ihrer puren Form, teilweise von Tobias Buholzer zusätzlich veredelt. Die Chefin wählt für mich eine handvoll der erlesenen Kakaoerzeugnissen der Innerschweizer Nischemanufaktur aus, die allesamt hervorragend schmecken. Der Schokowagen ist nicht nur dank der leckeren Schokoladen eine tolle Idee, sondern auch weil er die Interaktion zwischen Service und Gast fördert. Sehr schön.

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Zum Espresso lässt die Küche noch eine angenehm übersichtliche Anzahl von ausgezeichneten Petits Fours servieren.

Nach einem etwas verhaltenen Start hat das Menü von Tobias Buholzer rasant Fahrt aufgenommen und überzeugte mit einigen hervorragenden Gerichten, die ich so schnell nicht vergessen werde. Daneben punktet das Restaurant mit einigen aussergewöhnlichen Ideen, wie beispielsweise dem Schokoladenwagen, mit dem der überaus charmante und kenntnisreiche Service unter der Ägide von Sabrina Buholzer den Gästen ihren Aufenthalt zusätzlich versüssen. Wortwörtlich. Ich bin mir sicher, wenn im nächsten Herbst die Tage langsam wieder kürzer werden und der Sternereigen über der Schweiz einsetzt, wird es auch über der Rose in Rüschlikon funkeln.


Die Rose
Dorfstrasse 42
8803 Rüschlikon
+41 (0)44 724 00 77
Website