Amador's Wirtshaus & Greisslerei (Juan Amador) - Wien

Das Amador in Mannheim war vor vielen Jahren mein erstes Dreisterneerlebnis in Deutschland. Die Küche von Juan Amador hat mich begeistert mit ihrer auf Wohlgeschmack getrimmten französischen Basis, den modernen Techniken und den oftmals ungewöhnlichen Aromenkombinationen, die hier meisterhaft zusammengebracht wurden. Zusammen mit dem kunstvoll-futuristischen Interieur glich es einem kulinarischen Gesamtkunstwerk. Als Gesamtkunstwerk kann man auch das Amador's Wirtshaus und Greisslerei in Wien bezeichnen. Hier hat der Spitzenkoch im März 2016 nach der Schliessung des Mannheimer Stammhauses sein neues Flaggschiffrestaurant eröffnet. Das Wirtshaus (übersetzt das Gourmetrestaurant) ist in einem wunderschönen alten Weinkeller untergebracht. Die grosszügig aufgeteilten Tische bieten reichlich Privatsphäre und geben dem Gast das Gefühl, diese riesige Backsteinhöhle für sich selbst zu haben, sich vertun und sich komplett dem gemütlichen Geniessen hingeben zu können. Intim und doch luftig. Die Greisslerei (sprich österreichisches Bistro) ist direkt beim Eingang untergebracht, wo sich auch die Küche befindet, und verleitet mit seiner grossen, einladenden Tafel dazu, für den nächsten Abend gleich auch hier noch einen Tisch zu reservieren. Man fühlt sich einfach augenblicklich wohl, sobald man durch die Restauranttüren tritt. Besser kann ein Restauranterlebnis nicht beginnen. Einmal am grossen Tisch Platz genommen, studiere ich bei einem Glas ausgezeichneten Schaumwein von blablabl aus Österreich die Karte. Meine Wahl fällt auf das Menü Momentaufnahme, das jedoch auch einige leicht abgewandelte Klassiker beinhaltet. Trotz der entspannten Atmosphäre bin ich ein wenig aufgeregt und vor allem neugierig, was in den kommenden Stunden auf mich zukommen wird. Noch ein Schlückchen Sprudel, dann kann es los gehen.

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amadors_juan_amador_fjordbroetchen
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amadors_juan_amador_schweinebraten

Wie bei Amador üblich, beginnt die kulinarische Darbietung mit Tapas & Snacks. Eine Carbonaraespuma mit Weisser Cola (Carbonara e una Coca Cola anyone?) ist luftig, leicht, süffig und funktioniert überraschend gut. Luftig geht es auch gleich weiter mit einem Fjordbrötchen und Shrimps, das durch sein anregendes Texturspiel mit fast schwerelosem Brötchen mit knackigen, kühlen Krabben sowie einer gehaltvollen Remoulade für gustatorische Unterhaltung sorgt und die Gedanken aufgrund der kühlen Meeresfrische für eine Sekunde in Richtung Nordsee abschweifen lässt. Mit Foie Gras und Mango wechselt die Geschmackswelt in wärmere Gefilde. Die hochwertige Leber wird durch die Mango klassisch süss-fruchtig begleitet, aufgrund der feinen Austarierung der Aromen und der Fruchtsäure des Sumachgewächses kommt zu keiner Zeit Langeweile auf - im Gegenteil, dieser Happs ist nämlich nichts weniger als kulinarische Perfektion. Deftiger Schweinsbraten mit Sauerkraut schliesst den Apéroreigen ab. Dieser Hausmannskostklassiker steht im starken Kontrast zu den anderen drei Kleinigkeiten, überzeugt jedoch auf ganzer Linie durch das zarte, aromatische Fleisch und die feine Säurestruktur des Krauts. Ein abwechslungsreicher wie leckerer Einstieg in den Abend.

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Rotweinbrot, Roggenbrot und Butter werden serviert. Überraschend, weil überraschend gut, ist das Rotweinbrot. Es ist sogar so gut, dass ich mich zurückhalten muss um nicht restlos alles aufzuessen. Schliesslich folgt noch der eine oder andere Gang...

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Mit Geeister Gemischter Satz 2.0, Rotkraut, Kaviar und Haselnußmilch eröffnet ein moderisierter Amador-Klassiker das Menü und das wunderhübsche Gericht lässt bereits vor dem ersten Löffel ein Lächeln über mein Gesicht huschen. Schön, wenn die Optik die ohnehin schon grosse Antizipation noch verstärkt. Der erste kleine Löffel den ich mir zusammenstelle und mit Bedacht geniesse, bläst mich komplett um. Ich muss mich erstmal kurz mental schütteln, bevor ich mich beinahe ungläubig an den zweiten Löffel mache. Doch der erste Eindruck hat nicht getäuscht - das Gericht zieht mich regelrecht in seinen Sog. Diese Eleganz, die feinmechanische Präzision bei der Portionierung und Würzung, die wunderbaren Produkte, die glorreiche Idee, genau diese Produkte in dieser Form zu vereinen. Ich merke, wie mich dieses wunderbare Ensemble Sekunde für Sekunde mehr überwältigt, bis ich schliesslich eine Träne verdrücke. Selten hat mich ein Gericht derat berührt und aufgewühlt. Genau um solche Sachen erleben zu können, gehe ich essen. Um diese paar Minuten nochmals geniessen zu können, würde ich jederzeit von überall her auf der Welt zu Fuss den Weg zu Juan Amador's Restaurant antreten, so unglaublich gut war dieser Gang. Die nächsten paar Minuten verbringe ich sprachlos und in mich gekehrt am Tisch und versuche das eben Erlebte zu verarbeiten.

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Nach so einem Gang hat es natürlich jedes Gericht der Welt schwer. Doch die Küchencrew um Amador und seinen Chef de Cuisine Sören Herzig meistert die Schwierigkeit, indem sie gar nicht erst versuchen noch einen draufzusetzen - Rouget, Kaffee, Passionsfrucht und Spinat wechselt einfach komplett den Kurs, von kühler Eleganz zu exotischer Wärme. Dass der Fisch eine ausgezeichnete Qualität hat, ist beinahe müssig zu erwähnen, Amador ist als Produktfetischist bekannt. Perfekt gegart und ungewöhnlich eingefasst bringt beispielsweise der Kaffee eine beinahe mystische Note auf den Teller, die wunderbar mit dem Fisch harmoniert. Dazu gesellt sich die zurückhaltende, saure Fruchtigkeit der Passionsfrucht und ein unerwartet intensiver Spinat. Die Elemente sind optimal dosiert, die Würzung punktgenau. Hätte ich nicht vor einigen Minuten dieses alles überstrahlende Gericht gegessen, würde ich hier sicherlich von einem grossartigen Höhepunkt im Menü sprechen. Exzellent!

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Fast schon klassisch mediterran wirkt nun Carabinero & Kaninchen, Bohne, Paprika und Grüne Olive. Viel zu selten findet man in diesen Tagen ein leckeres, saftiges Stück Kaninchen auf den Tellern der Spitzenhäuser dieser Welt. Sehr schade, denn gutes Kaninchen (oder noch besser Wildhase) erweitert die Kochsprache der hiesigen Küche um einen Akkord, der zur Zeit unserer Eltern noch fast zum alltäglichen Menü gehörte. Amador kombiniert den saftigen Rücken mit einem perfekt glasig gegarten und vor Frische nur so strotzenden Carabinero sowie einigen gemüsigen Mitspielern, die jedoch alle nur als Vehikel für den fantastischen Sud auf dem Teller zu sein scheinen. Dieses komplexe flüssige Gold macht aus diesem produktorientieren, letztlich simplen Gericht, eine hochkomplexe Angelegenheit, die augenblicklich das Kopfkino anwirft. Man sieht sich förmlich in kurzen Hosen an einem Markt an der Cote d'Azur einige Prachtexemplare einkaufen, um damit zur gemieteten Gites im Hinterland zu fahren und dort genüsslich in der prallen Sonne eines wilden Gartens zu kochen. Die Assoziation ist eine simple, der Teller jedoch eine umwerfend aufwühlende, schillernde Demonstration perfekten Küchenhandwerks und famoser Produkte.

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Ein weitereres Thema, das sich durch Amador's Küche zieht, ist Mar Y Muntanya. Diese Kombination von Meer und Land findet sich eigentlich in jedem seiner Menüs, so auch heute in Form von Jakobsmuschel, Topinambur und Blunz'n. Dass sich die maritime Süsse der Molluske prächtig mit kräftigen Begleitern wie der Blutwurst versteht, ist längst kein Geheimnis mehr. Dennoch zeigt dieses Arrangement aufgrund der prägnanten Würze der Blunz'n und vor allem wegen der süsslichen Erdigkeit des Topinambur ein ungekanntes Geschmacksbild. Süffig schmeckts, ohne dabei die Finesse vermissen zu lassen. Ein Gang, der wie der vorherige eine vordergründige Simplizität propagiert, doch Amador wäre natürlich nicht Amador, wenn der Schein hier nicht trügen würde. Tolle Produkte, präzises Handwerk, eine himmlische Sauce, fertig ist ein weiterer Teller der Ansprüchen Weihen gerecht wird. Sehr, sehr gut.

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Vor dem Hauptgang schiebe ich noch einen Gang aus dem Menü Restrospektive ein. Die Miéral Taube mit Purple Curry, Kokos und Mango ist wahrscheinlich der Amador-Klassiker schlechthin und ein Gericht, das ich mir keinesfalls entgehen lassen kann. Die perfekt austarieten Aromen dieses wunderbaren Tellers sind so gut wie beim ersten Mal - eine perfekte Symbiose von Orient und Okzident, die wohl nie aufhören wird mich zu begeistern. Auch wenn ich festhalten muss, dass die Taubenbrust einen Hauch zu lange gegart wurde und ich die aufliegende Purple-Curry-Schicht nicht so grisselig in Erinnerung hatte. Dennoch grossartig!

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Schon beim Hauptgang angelangt. Nicht, dass die Küche zu schnell geschickt hätte, nein, nur dass sich das Ende des Abends bereits am Horizont bemerkbar macht und das ist einfach zu schnell und zu früh weil es so verdammt viel Spass macht hier zu essen. Doch alles Lamentieren hilft nicht, denn das Iberico Pluma mit Schwammerl, Wiener Feigen und Mandel will schliesslich noch warm gegessen werden. Das Pluma (auch Feder genannt), ein schön marmoriertes Rückenstück vom iberischen Schwein, ist butterzart, ohne dabei einen gewissen Biss vermissen zu lassen. Geschmacklich ist das durchzogene Stück sowieso über jeden Zweifel erhaben, profitiert aber auch noch zusätzlich von der gelungenen Einfassung. Süsse Feigen, knusprige Mandeln und erdige Pilze harmonieren prächtig mit dem fettigen Fleisch. Harmonie pur und dennoch spannend zu essen - ein köstlicher Hauptgang.

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Der Käsegang kommt in Form von Wiener Paradeisern, Burrata, Gazpacho und Olivenöl auf den Tisch. Die Optik stimmt schon mal, nach den ersten beiden Gabeln muss ich jedoch leider konstatieren, dass der Geschmack der Optik doch merklich nachsteht. Der Burrata ist selbst für einen Käse dieser Art sehr geschmacksneutral und wird von den eher kräftigen Begleitern komplett begraben. Auch Portion und Proportion stimmen nicht wirklich. Einerseits ist der Gang an sich viel zu mächtig, andererseits ist auch die Abstimmung der einzelnen Elemente nicht wirklich geglückt. Ich könnte mir das alles auf wenigen Kubikzentimetern im Sommer als Einstimmung auf den "richtigen" Käsegang vorstellen, so funktioniert das leider nicht. Schade.

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Als kleine Erfrischung wird nun ein Gin Tonic serviert. Ein perfekter Rachenputzer der nochmals alle Sinne weckt.

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Modern in Szene gesetzt ist der Apfelbaum mit Salzkaramel, Pink Lady und Vanille. Wunderbar der Schmelz des Salzkarameleis, luftig-leicht und intensiv die Apfelfüllung des Schokoladenbaums, exotisch der Hauch von Vanille, der sich dezent über jeden Bissen legt. Sensorisch wie geschmacklich ist hier ordentlich was, ohne dass sich der Gaumen dabei überfordert fühlt. Das liegt einerseits an der optimalen Austarierung der vielen verschiedenen Komponenten und auch an deren Portionierung. Hier passt von Süsse über Frucht und einen leichten Säurekick einfach alles. Himmlisch!

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Den Abschluss macht ein buntes Sammelsurium an Petits Fours namens "Naschmarkt". Allesamt hochfein gearbeitet und abwechslungsreich in Szene gesetzt, so dass für jeden Geschmack etwas dabei ist um das Dinner auf einem Hoch abzuschliessen.

Bevor ich hier eingekehrt bin, war ich sehr gespannt zu sehen, inwiefern sich die Küche von Juan Amador seit meinem letzten Besuch in Mannheim, und vor allem auch seit seinem Umzug nach Wien, gewandelt hat. Eigentlich erwartete ich eine etwas abgespeckte Version seiner früheren Restaurants, doch Amador und Sören Herzig kochen auch in Wien gänzlich ohne Abstriche auf höchstem Niveau. Ausser dem Käsegang fällt kein Gang wirklich ab, vieles bewegt sich nach wie vor auf Drei-Sterne-Niveau. Die Produkte sind von erster Güte, das feinmechanisch-präzise, klassisch fundierte Küchenhandwerk sucht immer noch seinesgleichen. Über allem steht dieser unbedingte Wohlgeschmack, in dem man sich als Gast komplett verlieren kann, so wie ich es heute Abend getan habe. Diese Qualität, Menschen mit Essen nicht nur satt und glücklich zu machen, sondern emotional aufzuwühlen, unvergessliche Momente zu schaffen, die sich für immer in den Synapsen einbrennen, das schaffen nur sehr, sehr wenige Köche auf der Welt. Juan Amador ist einer davon. Wer noch nicht hier war, dem lege ich ans Herz einen Tisch, nein, eine Reise in Amador's Wirtshaus und Greisslerei zu buchen. Alle die schon mal hier eingekehrt sind, gönnt euch einen erneuten Trip in die Strasse der Heurigen! Ich kann meinen nächsten Besuch jedenfalls kaum erwarten. Bis dahin ist auch der nächste Michelin Main Cities Of Europe Guide erschienen und ich könnte mir gut vorstellen, dass dann zum ersten Mal drei Sterne über Wien funkeln.


Amador's Wirthaus & Greisslerei
Grinzingerstasse 86
1190 Wien
Österreich
+43 660 90 70 500
Website