Made in China (Kent Jin Qiang) - Peking

Als Kind gab es für mich kulinarisch gesehen kaum etwas spannenderes, als den Besuch in einem chinesischen Restaurant. Das exotische, kitschig-bunte Dekor. Die ellenlange, durchnummerierte Speisekarte mit einer schier endlos scheinenden Auswahl an nie zuvor gehörten, geschweige denn gegessenen Delikatessen. Ein Schlaraffenland der kulinarischen Früherziehung. Obwohl die Auswahl gross war, fiel die Entscheidung schlussendlich fast immer auf Ente. Zuerst immer mit Orangensauce. Dann, als mit etwas mehr Wagemut ausgestatteter Pubertierender, auch mal die Szechuan Version. Und schliesslich die unwirklich teuer erscheinende Königsdisziplin: die Peking Ente. Die Enttäuschung war oftmals gross, denn so richtig überzeugt hat mich das, was im Westen gemeinhin unter diesem Namen serviert wird, eigentlich nie. Gräulich-trockenes Fleisch, labberige Haut, klebrige Fertigsauce. Eine ganze Ente bekommt man sowieso (fast) nie präsentiert. Das ist leider nahezu überall der europäische Standard. Zwischenzeitlich habe ich die Suche auf Eis gelegt, doch ganz aufgegeben habe ich sie nicht. Schliesslich muss es irgendwo da draussen mindestens eine richtig gute, glücklich machende Version geben, wegen derer der geneigte Fresser in Ent’zückung geraten kann. Und wo sollte man die bitte finden, wenn nicht in Peking selbst? Als sich herauskristallisierte, dass ich auf meiner Reise nach China auch einen Stop in Peking einlegen werde, gab es nur eine Aufgabe zu bewältigen: die beste Peking Ente finden. Gar nicht so einfach, schliesslich gibt es sie in Chinas Hauptstadt logischerweise zuhauf. Unzählige Webseiten mussten durchforstet, Tips von selbsternannten und wahrhaftigen Experten für das Reich der Mitte eingeholt und analysiert werden, bis das passende Restaurant gefunden war: Made in China. Ein treffenderer Name könnte das Restaurant kaum zieren. Also fix den Tisch reserviert und einige Wochen später mit reichlich Vorfreude ausgestattet ab ins Beijing Grand Hyatt, in dem das Restaurant untergebracht ist. Der Tisch ist direkt neben dem Ofen, in dem die Enten geröstet werden. Zumindest optisch schon mal beste Voraussetzungen für meine persönliche Peking-Enten-Erleuchtung.

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Bevor man überhaupt daran denken kann, die Ente in einen Ofen zu schieben, ist ein viel Vorarbeit gefragt. Einige Tage bevor das Geflügel zubereitet werden soll, wird mittels einer Pumpe Luft zwischen die Haut und das Fleisch geblasen, damit das Fett später beim Braten grösstenteils wegschmilzt und die Knusprigkeit der Haut nicht gefährdet. Danach wird das Federvieh zuerst zum Trocknen in einen Kühlschrank gehängt und kommt danach in einen Gefrierschrank. Ist dieser Schritt vollbracht, wird der Ente seitlich ein Loch verpasst, über das die Innereien entfernt werden. Nun wird die Ente bis auf diese eine Öffnung verschlossen und der Korpus über ebendiese mit Wasser gefüllt. Diese Technik sorgt dafür, dass das Fleisch nicht austrocknet, während der Haut genügend Zeit gewährt wird, um knusprig zu werden. Nach 75 Minuten in einem traditionellen, mit Dattelholz befeuerten Ofen, ist das Festessen bereit verspeist zu werden.

Auf einem Wagen am Tisch wird die Schönheit nun fachmännisch tranchiert und mit Pfannkuchen, Zucker, Lauch, Gurke, Saucen und Entensuppe serviert. Zuerst widme ich mich der Haut, die einer wahrhaftigen Offenbarung gleichkommt. Ultra-Knusprig und so hauchdünn, dass sie im Mund fast augenblicklich schmilzt. Für noch mehr Crunch kann man zusätzlich in Zucker dippen. Ob sich dafür eine Anreise lohnt, weiss ich nicht, ein Erlebnis ist es auf jeden Fall. Auch das Fleisch (Brust und Keule) ist absolut makellos - saftig und aromatisch. Um zu zeigen, dass man hier zumindest kulinarisch auf die kleinsten, oft vernachlässigsten Details achtet, werden dazu papierdünne, absolut perfekte Pfannkuchen zum Einwickeln serviert. Selbst die oftmals plump-süsse Pflaumensauce dürfte wohl die beste sein, die ich bis anhin gekostet habe. Mit dem, was hierzulande als Peking Ente durchgeht, hat das alles herzlich wenig zu tun. Das ist Handwerk allerhöchster Güteklasse.
So köstlich die Ente auch ist, der Euphorielevel sinkt dann doch relativ schnell, wenn man sich mal den dritten und vierten Pancake einverleibt hat. Am Ende des Tages ist dann doch nicht mehr als in Teig eingerolltes Fleisch mit ein bisschen Beiwerk. Das hat, zumindest für mich, einen zeitlich und mengenmässig begrenzten Reiz. Ganz im Gegensatz zur Haut, die mich mit jeden einzelnen Bissen zu begeistern vermag und wohl meine ewige Referenz bleiben wird. Ob das nun wirklich die eine, die beste Peking Ente ist, die es gibt, kann ich nicht abschliessend beurteilen. Doch ich teile auf jeden Fall die Meinung vieler anderer, die vor mir hier eingekehrt sind: eine bessere Peking Ente zu finden, dürfte sehr schwierig sein.


Made in China
im Grand Hyatt Beijing
1 East Chang An Avenue
100738 Beijing
China
+86 10 6510 9608
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